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Schlechten, was der Katholicismus an sich habe, angesehen wurde um die Messe. Am 1. December 1526 war den Mönchen durch ,,Kanzler, Licentiat und Räte" der Befehl des Herzogs vorgetragen, ihre Lehre aus der Schrift zu beweisen. Auch die Prediger hatten sie im Anfange December aufgefordert, ihre Misbräuche und die Messe abzustellen. Da aber alles dies gar keinen Eindruck machte, so wandten sich die Prediger Gottschalk Cruse, Heinrich Bock und Johann Matthäi, zu denen inzwischen noch der aus Brandenburg geflohene Matthias Mylow hinzugekommen war1), an den Herzog mit der Bitte, ein Einsehen zu haben und dafür zu sorgen, dass nicht bloss hier, sondern auch im ganzen Fürstentume die Messe abgestellt werde. Kein Mensch, kein Engel oder irgend eine andere Kreatur dürfe das heilige Sacrament, das die rechte Messe sei, anders gebrauchen, als Christus verordnet habe. „Nur die rechte Feier kann den Trost bringen, den wir darin suchen. Die Barfüsser aber wollen nicht Gottes Glorie und des Nächsten Seligkeit durch ihre Messe fördern, sondern wollen selbst Vorteil davon haben". Zur Ehre Gottes und zum Wohle der Unterthanen würde daher die Abstellung derselben gereichen 2).

Das veranlasste nun aber auch Wethenkamp am 21. December ein Schreiben an die Herzöge zu richten3), das freilich nicht geeignet war, eine den Barfüssern günstige Stimmung zu erwecken.

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Auf eine Vertheidigung seiner Lehre lässt er sich nicht ein; denn er „bildet sich nicht ein, klüger zu sein als alle die gelehrten Leute, wie Faber, Mensing u. a., als die Kurfürsten, Fürsten und Bischöfe des Reiches". Auf sie die Barfüsser poche man stets so herzlich und rufe: Schrift! Schrift! Aber ehe man sich an sie wende, solle man die Beweise aller jener hochberühmten Männer umstossen. Er geht seinerseits sofort zum Angriff über; da die Schrift der Prediger ihm gezeigt habe, wie wenig die Aussender derselben von der heiligen Schrift verständen, so fühlt er sich gedrungen, sie zu belehren und wirft nun eine ganze Reihe von Gegenfragen auf, welche die Behauptungen seiner Gegner entkräften sollen. Warum feiert man das Sakrament nicht auch am Abend, denn Christus hat es doch zu dieser Zeit gefeiert? Christus war

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1) Er scheint nicht direkt von Brandenburg aus nach Celle gekommen zu sein. Am 25. November 1524 wurde er in Wittenberg immatriculiert, vgl. Förstemann, Album academiae Vitebergensis, p. 123.

2) Die Prediger an den Herzog, Freitag nach Luciae 1526 (Handelyng etc.).

3) Wethenkamp an die Herzöge, am St. Thomae Tage 1526 (Handelyng etc.).

doch ein Jude, er hat hebräisch consecriert und nie hat er die Messe gesungen. Wie darf es denn Luther unternehmen Noten zur Messe zu machen und deutsch zu consecrieren? Das ist doch auch nicht schriftgemäss".

Persönliche Vorwürfe gegen die Prediger fehlen natürlich nicht. Er verdächtigt ihre Liebe zur Wahrheit; denn nicht diese, sondern Lust am Lästern hat jene Schrift hervorgerufen. Da man seine Antwort gewünscht habe, so wolle er nicht „weltflüchtig" werden, wie Matthias Mylow, der auf der Kanzel und vor dem simpeln Volke wohl habe stürmen können", aber als er sich habe verantworten sollen vor dem Kurfürsten Joachim, da sei er geflohen. Die Prediger hätten gut reden; „wenn's ans Greifen geht, so laufen sie fort, damit ihre grosse Liebe kund wird". - Auch auf den Speierer Abschied beruft er sich; denn es sei doch J. F. G. nicht verdeckt, wie nach diesem und nach kaiserlichem Edict der christlichen Kirche Gebrauch ohne alle Widersprache gehandhabt werden müsse.

In einer längeren Widerlegung der Schrift Wethenkamps, die sie dem Herzoge im Anfange des Jahres 15271) überreichten, heben die Prediger mit Recht hervor, dass auf den eigentlichen Kernpunkt der Frage gar nicht eingegangen sei. Ihre Antwort ist in jenem Tone mitleidiger Erhabenheit und Überlegenheit gehalten, der den schwächern Gegner am meisten erbittern muss. Falls Wethenkamp sich über die rechte Bedeutung des Wortes Messe" unterrichten will, so empfiehlt man ihm das „Dictioner" Reuchlins. Wenn die Messe darum gut ist, weil die Obrigkeit sie duldet, dann muss auch Ehebruch, Hurerei und Wucher gut sein, denn das findet man ja auch sehr viel und meist bei den Geistlichen. „Aber der Guardian riecht den Braten wohl, dass es ihnen in der Küche kalt und im Keller leer werde, wenn die Messe aufhört". Sie die Prediger suchten die Wahrheit, und was kann das Licht dazu, wenn die Augen blöde sind? und was können wir dazu, wenn die Fledermäuse das Licht fliehen, und die Schuldigen den Tag hassen und scheuen?" Wethenkamp spreche, sie sollten nicht richten, aber er vergesse, was Christus mit den Pharisäern gethan habe. Er weise sie an die Doctoren, um seinen eignen Kopf aus der Schlinge zu ziehen; er wolle zu Felde kommen wie ein Held, aber erst nachdem die Schlacht

1) Die Prediger an die Herzöge, Donnerstag nach Circumcision. (Handelyng etc.).

Domini (3. Januar) 1527

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geschlagen sei. Während derselben wolle er ausser Schussweite sein; dann aber an den Übriggebliebenen als Ritter sich erweisen und das entwirren, was die Doctoren übrig gelassen hätten. Sie gehen dann auf die Einwürfe des Guardians ein und weisen nach, dass es nicht auf die äussere Form und Ceremonie, sondern auf den Kern beim Sacrament ankomme. Ein Misbrauch sei es, dass einer für sich allein esse und trinke, dass nicht in einer allgemein verständlichen Sprache geredet werde, und dass die Feier ohne Verkündigung des göttlichen Wortes geschehe. Besonders verwerflich aber sei es, dass die Messe gegen Geld, und auch für Tote gehalten werde, und dass sie Wein und Brot, ehe man consecriert habe, an Christi Stelle setzten und den himmlischen Vater bäten, das Opfer für die ganze Christenheit anzunehmen.

Auch eine nochmalige mündliche Verhandlung des Herzogs mit den Mönchen brachte weiter nichts als neue spitzige Antworten derselben, so dass der Fürst im Anfang desselben Jahres ihnen noch einmal vorhielt, wie redlich er sich bemüht habe, sie von ihren Irrtümern abzubringen. Er weist auf jene Verschreibung hin, wodurch sein Vater und seine Mutter Anteil haben sollten an den guten Werken der Barfüsser und in der denselben versprochen wurde, dass sie durch das Begräbnis in den Kleidern des Ordens der ewigen Seligkeit teilhaftig werden sollten1). Wenn schon ihre Verführung bei Fürsten, die doch gute und getreue Ratgeber haben, so gross ist, wie sehr muss dann der gemeine Mann durch sie in das Verderben und um seiner Seelen Seligkeit gebracht werden!" Eine solche Gotteslästerung dürfe man nicht länger dulden, man müsse darauf bedacht sein, weil sie es nicht selbst thäten, ihr gottloses Wesen abzuthun und er der Fürst hoffe, dass dies allen Christgläubigen gefallen werde, auch handele er kaisl. Majestät damit nicht zuwider 2). Eine ganz ähnliche Schrift liess der Herzog auch in die Veröffentlichung der Prediger aufnehnehmen und sandte sie bald darauf an die Prälaten und Räte des Fürstentums und forderte sie auf, ihm ihren Rat nicht vorzuenthalten. In allem, was christ

1) Affschrift der vorsegelden Vorschrywung ynn welcker de Barvoten ohre guden werke den andern mildichlich uthdeelen. (Gedruckt in der: Handelyng etc.).

2) Herzog Ernst an die Barfüsser, d. d. Zelle, Montag nach Trium Regum (7. Januar)

1527. (H. St. A. Verz. der Manuscripte J. 76). Mit Hülfe dieser Urkunde lässt sich die in der Handelyng etc." abgedruckte Schrift: „Grunt und orsake worümb dorch förstlike Overicheit den Barvoten de gemeinschop des volkes verboden", genau datieren.

lich und göttlich sei und ohne Verletzung des Gewissens geschehen könne, werde er ihnen folgen1).

Wethenkamp hatte trotz seines früheren Mutes und trotzdem er „nicht weltflüchtig werden" wollte, es doch vorgezogen, seine Person in Sicherheit zu bringen, als er sah, dass der Herzog vorzugehen drohte. Er hatte sich in das Kloster seines Ordens zu Lüneburg begeben.

Aus den Schriften ergiebt sich nicht genau, welcher Art die Massregeln waren, die der Herzog gegen die Mönche ergriffen hatte. Wahrscheinlich durften sie ihr Kloster nicht verlassen; so ist wohl der Ausdruck, dass ihnen „die Gemeinschaft des Volkes verboten" worden sei, aufzufassen.

Gegen diese Verfügung erhob Wethenkamp von Lüneburg aus in einem Schreiben an den Herzog Protest2). Aber sein Brief war in einem ganz andern Tone gehalten, als der frühere. In den demütigsten Ausdrücken bittet er den Fürsten, der sich den Brüdern ja bisher so gnädig erwiesen habe, um eine ihm gelegene Malstätte zur Verantwortung). Allein zugleich mit diesem Schreiben kamen auch Gerüchte von Lüneburg, die mit der Devotion desselben nicht im Einklang standen. Seine Bitte wurde abgewiesen und ihm zugleich energisch Ruhe geboten 3). Der Rat von Lüneburg wurde von den Verhandlungen in Kenntnis gesetzt); es wurde hingewiesen auf die Umtriebe der Mönche, welche sich befleissigen sollen, uns bei euch und unser Stadt Einwohnern und sonst auch anzugeben und in die simpeln Gewissen zu bilden, als hätten wir wider Billigkeit gegen sie gehandelt", und der Rat aufgefordert, der „unziemlichen Ausbreitung" der Ordensleute „kein Statt noch Glauben zu haben“. Sie sollen ihnen den Bericht des Herzogs vorhalten, welcher auch den Zünften, Gilden und den Einwohnern überhaupt vorgelegt werden soll.

Eine längere Zeit hören wir nichts wieder über den Streit, und der endliche Abschluss desselben wird erst verständlich, nachdem wir die Entwicklung der Verhältnisse des Landes kennen gelernt haben.

1) Decret bemelte Barfusser belangend an die Prälaten und Räte des Fürstentums (es schliesst sich an die in voriger Anm. angegebene Schrift des H. St. A. an, wo sich die übrigen bislang unbekannten die Barfüsser betreffenden Schriften befinden). Diese Schrift ist auch wohl vom 7. Januar 1527 („Datum |

ut supra").

2) Wethenkamp an den Herzog, d. d. Lüneburg in unserm Kloster am St. Antoniustage (17. Januar) 1527.

3) Ernst an Wethenkamp, Montag nach Fabiani (21. Januar) 1527.

4) Ernst an den Rat von demselben Datum.

Die Landtage des Jahres 1527.

Wir haben schon darauf hingewiesen, dass der offene Anschluss der Herzöge an die lutherische Partei bei der katholischen Geistlichkeit des Landes die schlimmsten Befürchtungen erregen musste. Sie sannen auf Gegenwehr. Gefahr drohte dem Katholicismus natürlich am meisten von dem Fürsten. Gelang es diese Gefahr zu beseitigen, so war viel gewonnen. So liess man sich zu einem Schritte hinreissen, dessen Folgen auf das Haupt der katholischen Partei zurückfielen.

Noch lebte der alte Herzog Heinrich der Mittlere in Frankreich, auf ihn richteten sich die Blicke der Prälaten; er sollte die Regierung wieder übernehmen; dann, so hoffte man, konnte man mit Erfolg sich gegen das eindringen de Luthertum wehren. Herzog Heinrich war zur Rückkehr bereit. Seine Lage in Frankreich scheint nicht beneidenswerth gewesen zu sein, vom französischen Hofe wurde er nur wenig unterstützt, mit seinen Söhnen hatte er sich wegen seiner beständigen Geldforderungen überworfen. Sein Ansehen bei dem Könige von Frankreich war naturgemäss gesunken, seit er keinen Einfluss mehr im Fürstentume hatte; man gab ihm sogar das Scheitern des oben erwähnten Verlobungsplanes schuld.

In den religiösen Fragen bestand anfangs ein ziemlich scharfer Gegensatz zwischen Ernst und seinen Eltern. Seine Mutter Margaretha, eine gute, wohlthätige1) Frau, war nach dem Urteil Luthers durch die lange Tyrannei der Mönche verschüchtert 2). Die Franziskaner hatten ihr ja durch die Erlaubnis sich in den Kleidern des Ordens begraben zu lassen, die Seligkeit gewissermassen garantiert. Luther selbst hat es nach seinen eignen Worten bei ihr an Ermahnungen nicht fehlen lassen; schon im Jahre 1519 hatte er ihr den Sermon von der Busse gewidmet3). Dem Einflusse Cruses scheint es bald gelungen zu sein, sie dem Luthertume zu gewinnen, denn schon im October des Jahres 1525 erscheint sie in einem Briefe an den Rat von Bremen1) als Anhängerin der reinen

1) Vgl. Steffens, hist. diplom. Abhandlun- | liche Celler Franziskaner, die in Bremen durch gen über Celle p. 245.

2) De Wette a. a. O. II, 559.

3) Walch, Luthers Werke X, 1477.

4) Der Brief vom 9. Oct. 1525 betrifft et

Disputieren und Predigen Ärgernis erregt hatten, dann aber in Celle mit ihrem Siege prahlDie Herzogin bittet den Rat um genaue

ten.

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