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die Tendenz des Herzogs darauf ging, die Klöster in bezug auf die Verwaltung von sich abhängig zu machen. Denn dass wegen des Bauernkriegs den Klöstern selbst zum Nutzen, wie dies von fürstlicher Seite ausgesprochen wurde, die Inventarisation geschehen sollte, daran glaubten weder die Prälaten noch auch wohl der Kanzler selbst; auch lange nach Beendigung des Krieges wurde die Forderung noch wiederholt. Wie weit man aber hier schon von einem festen Plane reden kann, den der Herzog zum Zweck der Einführung der Reformation in seinem Lande verfolgt habe, ist schwer festzustellen. Allerdings wissen wir aus verschiedenen Anzeichen, dass der Fürst der Lehre Luthers schon längst geneigt war'): Er hatte von den Barfüssern Rechenschaft über ihre Lehre gefordert; hatte vertriebene Anhnger Luthers in Celle aufgenommen; mit dem evangelisch gesinnten Kursachsen bestand gerade in dieser Zeit eine sehr enge Verbindung und stetiger Zusammenhang); und die Zeit war nicht mehr fern, wo er offen dem Bunde gegen den Katholicismus beitrat.

Dies alles lässt es als sehr wahrscheinlich erscheinen, dass er schon durch jene Schritte gegen die Prälaten auf eine Reformation seines Landes habe hinarbeiten wollen.

Allein es muss auch hervorgehoben werden, dass gerade damals die Frage nach der Säcularisation der Kirchengüter eine allgemeine war; selbst entschieden katholische Fürsten dachten daran, und es war zur Beratung darüber bereits ein Reichstag in Aussicht genommen 3). Im Einklang mit dieser Zeitrichtung sind verschiedene Äusserungen, die wir in den Berichten und in den Briefen dieser Tage finden. So die Erklärung von Seiten des Fürsten, dass die Klöster dem Fürsten und dem Fürstentum erblich gehörten, dass die zeitigen Inhaber nur Verwalter, nicht aber Erben seien, und dass der Fürst Macht habe, sie zu entsetzen, wenn sie ihr Amt nicht in richtiger Weise führten1). Auch die Befürch

1) Nach Lyssmann a. a. O. (p. 135) hatte Ernst schon 1524 eine Bibel in Luthers Übersetzung an den Convent von Medingen gesandt, dieselbe war jedoch von der Äbtissin ins Feuer geworfen. Nach Gebhardi geschah dies erst 1529 und das ist wohl jedenfalls das richtige Jahr.

2) In einem Schreiben, d. d. Zwickau, Dienstag nach Visitat. Mariae (4. Juli) 1525 stellt Herzog Otto die Anwesenheit von kursächsi

schen Räten auf dem nächsten Landtage in Aussicht, falls man es wünsche.

3) Vgl. Ranke, Reformation Band 2. p. 168
(Säcularisationsversuche). (6. Auflage).

ff.
4) Herzog Otto spricht dies in dem Anm. 2
angeführten Briefe vom 4. Juli 1525 aus.
Übrigens hält er es nicht für thunlich, einen
Rat in Sachen des Fürstentums zu geben, er-
klärt sich aber mit allem völlig einverstanden,
was geschehen sei, und was noch gethan werde.

tung der Prälaten, dass der Herzog beabsichtige, etliche Klöster zu zerstören, braucht man nicht notwendig als Besorgnis betreffs der Religion zu deuten, sondern man kann sie ebenso gut als die Scheu vor der Säcularisation betrachten. Wir können also bislang nur eine Begünstigung der Reformation von Seiten des Herzogs constatieren, nicht aber einen festen Plan zur praktischen Durchführung derselben. Aber wie die zuerst erwähnte Massnahme gegen die Klöster kam auch diese einer etwaigen späteren Reformation zu gute.

Widerstand der Prälaten und der Stadt Lüneburg gegen die Forderungen

des Herzogs.

Der Beschluss, dass die Inventarisation stattfinden solle, war also gefasst. und der Herzog konnte für die Folgezeit darauf fussen. Allein der Widerstand der Geistlichen gegen jene Bestimmungen war durchaus noch nicht gebrochen, Nur Oldenstadt, Scharnebeck1), Ebstorf, Isenhagen und Wienhausen sträubten sich nicht allzulange 2). Die Stifter Bardowik und Ramelsloh hingegen sandten ihre Verzeichnisse nicht ein), und Boldewin von Mahrenholz, der Abt von St. Michaelis zu Lüneburg, zog sein auf dem Landtage gegebenes Versprechen zurück. Im Anfang August schrieb er an den Herzog: Aus „bedorflichen, angstferdigen forchten" habe er mit Vorbehalt der Genehmigung des Convents versprochen, das Verzeichnis der Güter einzusenden. Aber bei seiner Heimkehr sei er mit „scharfen Reden angesprochen", dass man von ihm, dem Haupte, ein solches Betragen gegen sie, die Glieder, nicht erwartet habe; die herzogliche Forderung sei gegen alle päpstliche, kaiserliche und fürstliche Begnadigung und gegen die Privilegien des Herzogs selbst. Er (Boldewin) habe geschworen, das Kloster bei seiner Macht zu erhalten; lasse er dies zum unüberwindlichen Schaden und Verderb desselben zu, so werde man an gebührlichen Orten gegen ihn klagen. Weil ihm nun, so schliesst der Abt, ein ewiger Ungehorsam oder Schlimmeres daraus entstehen, und er vielleicht seines Standes schimpflich entsetzt werden könne, so bitte er den Herzog, ihn in Gnaden von der Zusage zu entbinden1).

1) Das Register von Scharnebeck im H.St.A. 3) Das ergiebt sich aus den späteren Ver (Des. 49, Scharnebeck 1): Register des Klo-handlungen.

sters Scharnebeck, so der Abt übergeben. 1525. 4) Boldewin an den Herzog, Montag nach 2) Das ergiebt sich aus der Vorrede zu dem Invent. Stephani (7. August) 1525 (Orig. Des. Verzeichnis von Medingen (Des. 55, Medin- | 47, 1).

gen 1).

Auch Lüne und Medingen hatten bis Anfang September die Verzeichnisse noch nicht eingesandt.

Hinter den Klöstern stand Christoph, der Erzbischof von Bremen und Administrator von Verden, ein Bruder Heinrichs des Jüngeren von Wolfenbüttel. Mit Feuer und Schwert ging derselbe in seinem Gebiete gegen die Anhänger und Prediger der neuen Lehre vor. Auf sein Geheiss starben Heinrich von Zütphen und Johann Bornemacher den Märtyrertod, und man sang schon in jener Zeit von ihm:

Wenn Christus nicht getötet wär,

So möcht er kommen zu Verden 1).

Schon vor mehr als Jahresfrist hatten sich auf seine Anregung die Geistlichen und Prälaten der Diöcesen Verden und Minden, also auch der grösste Teil der Lüneburger Geistlichkeit schriftlich verpflichtet, gegen die neue Lehre zu kämpfen und sie mit allen Kräften niederzudrücken). Er hatte dies Versprechen erfüllt: dafür zu sorgen, dass auch die ihm unterstellten Klöster ausharrten in ihrem Vorhaben, hielt er für seine Pflicht. Abt Boldewin war aus Furcht vor dem Zorne des Herzogs so weit gegangen, den Erzbischof zu bitten, den Klöstern geradezu zu verbieten, das geforderte Verzeichnis zu liefern3), und dass dies Verbot wirklich erfolgt ist, beweist die Klage des Propstes von Medingen, dass jetzt nicht er allein, sondern alle im Stifte und Fürstentume Lüneburg gelegenen Klöster sich in einer schwierigen Lage befänden1).

Aber trotzdem fügten sich auch Medingen und Lüne schliesslich. Am 14. September sandte der Propst von Medingen sein Verzeichnis an den Herzog, obwohl das im Fürstentum kein Gebrauch und ihm beschwerlich sei" zur Vermeidung fürstlicher Ungnade, „aber mit öffentlicher Protestation und Bedenken,

1) Spangenberg, Verdener Chronik, p. 162. Gedicht über die Verbrennung Joh. Bornemachers.

2) Montag nach Jubilate 1524: Spangenberg, Verdener Chronik, p. 160. Schlöpke a. a. O. p. 365 giebt (nach einer handschriftlichen Verdener Chronik) Montag nach Jubilate 1525

an;

und ihm ist man darin gefolgt. Da aber dies Verdener Manuscr., wie schon oben gesagt, kein anderes gewesen ist als die erst 1720 gedruckte Chronik des Cyriacus Spangenberg (derselbe war 1528 geboren), so haben wir uns

an dessen, nicht aber die abgeleitete Nachricht Schlöpkes zu halten. Im Januar 1525 trat Christoph dem Regensburger Convente bei. Cf. Friedensburg, der Regensburger Convent, in den Aufsätzen dem Andenken an G. Waitz gewidmet, p. 537.

3) Diese Nachricht findet sich in dem p. 54 Anm. 1. erwähnten Schreiben.

4) In der Schlussbemerkung des Verzeichnisses von Medingen. Der Propst verweist auf eine mitgesandte (nicht erhaltene) Copie (vielleicht der Erlass Christophs).

vorbehalten die Freiheiten und Verschreibungen, die dem Kloster gegeben seien" 1). Am 15. August waren bereits Abgeordnete des Herzogs im Kloster Lüne gewesen, allein ein dort eingetretener Todesfall hinderte damals die Aufnahme des Inventars2). Sie hatten sich von hier nach Scharnebeck begeben und hier wohl ohne grosse Mühe ihr Ziel erreicht3). Auch von Lüne traf dann nach einiger Zeit (19. September) das Verzeichnis ein1).

Weiter konnte der Herzog jedoch vorläufig nichts erreichen. Auch die fortgesetzten Verhandlungen mit Boldewin führten zu keinem Resultate; nur noch schroffer trat der Abt auf. Er habe doch die Entscheidung des Conventes vorbehalten. Nie habe er sich bei einem allgemeinen Beschluss der Landschaft geweigert, eine Steuer zu bezahlen und werde dies auch in Zukunft nicht thun; den alten Herzog habe er oft unterstützt. Vor Gewalt würde ihn aber das Reich bewahren, unter dessen Obhut er stehe und dessen Schutz er anrufen werde, wenn es zum äussersten komme3).

Der Herzog konnte ihn nicht zwingen; er konnte hier nicht wie bei den anderen Klöstern durch persönliche Beeinflussung zu seinem Ziele gelangen. Die Lage des Klosters St. Michaelis innerhalb der Ringmauern von Lüneburg sicherte dasselbe vor einer derartigen Beeinträchtigung seines freien Willens.

Dass die Stadt Lüneburg dem Herzoge ziemlich unabhängig gegenüber stand, wurde schon angedeutet. Wohl hatte sie im Jahre 1520 dem alten Herzoge Heinrich gehuldigt, allein die Huldigung war noch nicht erneuert, seit dieser die Regierung niedergelegt hatte. Jetzt that die Stadt nichts zur Tragung der gemeinsamen Last: sie gab keinen Beitrag zur Erhaltung des Reichsregiments und des Reichskammergerichts, und zur Tilgung der Landesschulden wollte sie erst dann beisteuern, wenn man ein Mittel wüsste, durch welches ein für alle

1) Vorrede zu dem Verzeichnis von Medingen, dem wir die meisten dieser wichtigen Nachrichten verdanken. Dass die Darstellung (sowie das Datum: 17. September) bei Havemann (p. 97) falsch ist, geht wohl aus allem hervor. Die Vorrede ist datiert: Donnerstag nach Nativ. Mariae (14. Septb.) 1525.

2) Handschriftl. Kalender von Lüne (Verz. der Manuscripte J. 37): 1525, Assumptionis voluerunt principes hic venire, cancellarius et alii fuerunt hic et bona nostra inventare, sed

noster dispensator moriebatur et reversi sunt de nobis ad Scharmbeke.

3) Hier war der Herzog persönlich am 20. August, vgl. p. 54. Anm. 3.

4) Kalender von Lüne: die II. post Lamberti (18. Sept.) Über Walsrode fehlt uns jede Nachricht; es ist aber nicht wahrscheinlich, dass man sich dort gesträubt haben sollte, das Verzeichnis zu geben. Der Einfluss des Bischofs von Verden war hier ausgeschlossen.

5) Boldewin an den Herzog, Mittwoch nach Assumpt. Mariae (16. August) 1525 (Des. 47, 1).

Mal geholfen würde1), und auch dann nur gegen entsprechende Gegenleistung von Seiten des Herzogs.

Aber man musste wohl überlegen, ehe man irgend einen energischen Schritt gegen die Stadt wagte. Darum riet auch der Kanzler in einem Briefe, der ein glänzendes Zeugnis für seinen politischen Scharfblick ist, zur allergrössten Vorsicht): Es sei, sagt er, die Verhinderung zu bedenken, welche dem Fürsten seinem jetzigen Vorhaben die von Lüneburg thun könnten; denn es sei zu besorgen, dass die Prälaten und Klöster sich an die Stadt anschliessen würde; ein grosser Teil der Klostergüter sei in derselben, und der Adel stehe zum Teil auf ihrer Seite. Auch möge der Herzog das schlechte Verhältnis bedenken, in dem er zu seinem Vater stehe. Erfahre dieser, dass ein Streit zwischen ihm und der Stadt ausgebrochen sei, so sei es leicht möglich, dass er sich an die von Lüneburg und ihren Anhang begebe und von ihnen aufgenommen werde.

Zwar wurde in den damals eingeleiteten Verhandlungen ein dem Herzog insofern günstiges Resultat erzielt, als der Rat versprach, eine Beisteuer zu leisten, aber bei dem Versprechen blieb es auch 3), und in anderer Beziehung zeigte sich ebenfalls, wie wenig der Herzog der Stadt gegenüber vermochte. Schon kurz vor dem Zusammentritt des Landtags zu Celle nämlich hatte ein Schreiben Ernsts vom Rate verlangt: da etliche vertriebene Vorsteher und Prälaten der im Bauernkrieg zerstörten Klöster ihre auf der Sülze in Lüneburg belegenen Güter verkauften oder sonst dem Fürstentum entfremdeten, so solle man diese Güter und ihre Nutzung bis auf weitere Entscheidung mit Beschlag belegen, und ohne des Fürsten und der Landschaft Bewilligung keine Veräusserung derselben gestatten1). Es ist derselbe Gedanke, der dann in Celle ausgesprochen wurde, dass die Kirchengüter, auch die, welche Ausländer inne haben, dem Fürsten und dem Lande erblich gehören, der hier zum ersten Male praktisch ins Leben tritt. Man liess in Lüneburg das Schreiben einfach unbeantwortet; und als der Her

1) Der Rat an den Herzog, 1525 Freitag nach Dionysii (13. Octob.) (Des. 55, 11).

2) Förster an den Herzog, d. d. Hoya, Mortag nach Nativit. Mariae (11. Septemb.) 1525. Er bespricht darin die Frage, ob man Lüneburg durch strengeres Vorgehen zur Huldigung und Zahlung eines Beitrages zwingen solle.

3) Herzog Ernst an Boldewin: 1526, Montag nach Kiliani (9. Juli). Er bittet, der Abt möge mit dem Propst von Lüne dahin wirken, dass die von der Stadt versprochene Beihülfe geleistet werde.

4) Herzog Ernst an den Rat, Celle, Dienstag in den Pfingsten (6. Juni) 1525. Orig. im L. A.

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