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sich an den Herzog mit der Klage zu wenden, dass sein Caplan Christoph falsche Lehren in seinen Predigten vorbringe. Freilich mochte man die wahre Gesinnung der Fürsten wohl schon genugsam kennen, um zu wissen, er werde es nicht dulden, dass ein Prediger, der Luther zuneige, aus seinem Amte verdrängt und vertrieben werde. In diesem Sinne fiel denn auch die Entscheidung aus. Er habe, so schreibt der Herzog, dem Caplan die gegen ihn aufgestellten Artikel zugesandt und ihn aufgefordert, sich darüber zu äussern; auf seinen Wunsch habe er Herrn Christoph eine Frist zur genaueren Prüfung derselben gegeben, und sobald derselbe sich verantwortet und man erkannt habe, ob der Caplan auf christlichen oder ungläubigen Wegen wandle, werde man dem Pfarrherrn antworten; denn er der Herzog möchte gern Einsehen haben, dass nichts anderes gehandelt, gepredigt oder sonst vorgenommen werde, denn allein das allenthalben göttlich, christlich und dem heiligen Evangelio nicht zuwider sei“. Und zum Schlusse wendet sich der Fürst gegen den Kirchherrn selbst und geisselt den Krebsschaden des ganzen damaligen Pfarrsystems mit ähnlichen Worten, wie das Cruse, der überhaupt wohl nicht ohne Einfluss auf dies Schreiben gewesen ist, in seiner Schrift gethan hatte1): „Weil in diesen gefährlichen Läufen und häufigen Abwesenheit des wahrhaftigen Hirten die Schäflein durch gemietete Knechte versäumt, übel geweidet und in Irrsal geführt werden, wäre es ein officium pastoris den Schäflein allzeit vorzustehen, es wäre deshalb auch recht, dass der Pfarrherr in Person bei den Schafen wäre, damit sie nicht vom Wolfe verschlungen würden, und auf dass es nicht so gehalten werde, als ob die Pfarrherren allein die Wolle und Frucht der Schäflein und sonst ihrer Wohlfahrt winzig begehrten".

Das war klar und deutlich gesprochen, und wenn wir auch nichts weiter über den Verlauf dieser Angelegenheit wissen, können wir doch das wohl mit Bestimmtheit annehmen, dass der Herzog den Caplan Christoph geschützt haben wird, wenn er in seiner Verantwortung zeigte, dass er auf dem Boden des Evangeliums stand. Über einen Pfarrer oder Caplan dieses Namens in späterer Zeit etwas nachzuweisen, ist mir allerdings nicht möglich gewesen.

Die Streitigkeiten, die durch Wolf Cyclop mit den Franziskanern eröffnet worden waren, ruhten inzwischen nicht, aber sie wurden nicht mehr in der frü

1) Lentz a. a. O. p. 153.

heren stürmischen Weise geführt, erst später entbrannten sie, wie wir noch sehen werden, mit neuer Heftigkeit.

Wir sind damit den Ereignissen schon voraus vorausgeeilt, um das Folgende im Zusammenhang behandeln zu können.

Die ersten Massregeln gegen die Klöster und die Landtage zu Ceile und Uelzen.

Der Schluss des Jahres 1523 leitet eine Reihe von Massnahmen der allerwichtigsten Art gegen einen der privilegierten Stände ein. Die Verhältnisse des Fürstentums, wie sie früher geschildert worden sind, liessen die alte Not bald wieder zu Tage treten, sie zwangen die herzogliche Regierung an eine gründlichere Abhülfe zu denken, als bisher geleistet war. Der Herzog selbst giebt in einem Schreiben an den Abt von St. Michaelis über den von ihm eingeschlagenen Weg Rechenschaft1): Auf mehreren Landtagen sei betreffs der Schulden verhandelt, ohne dass man die Sache gründlich erledigt habe, und man müsse jetzt wenigstens die drückendsten Schulden und Zinsen abtragen. Dem gemeinen Manne könne man nicht mehr auferlegen, daher sei im Rate für gut angesehen, dass die Klöster eine schleunige Hülfe von 28000 Goldgulden leisteten; 4000 Gulden betrage der Anteil von St. Michaelis. Mit den Klöstern Oldenstadt, Scharnebeck, Ebstorf, Lüne, Medingen, Isenhagen und Walsrode habe er sich persönlich oder durch Gesandte in Verbindung gesetzt, und alle bis auf Medingen hätten sich gefügt. Isenhagen habe bis zur Ankunft seines Propstes Bedenken erbeten und erhalten. Er hoffe, dass auch Abt Boldewin, der vor

Broke zur Verhandlung mit der Stadt Lüneburg vom Abend Circumcisionis Domini (31. Decb.) 1530 wird beantwortet Dienstag nach Trium Regum (11. Januar) 1530 (Des. 55, 8 H. St. A.). Auf eine Schrift des Herzogs vom Donnerstag nach Luciae (18. Decemb.) 1533 antwortet der Convent von Medingen am Tage Sylvester (31. Decb.), 1534 und darauf antwortet der Herzog am Montag nach Reminiscere 1534 (2. März). (Des 49. Reform. der Stifte und Klöster 1.)

1) Das im H. St. A. (Des. 47, 1) befindliche Concept des Schreibens ist datiert: Zell am Tage Innocentium (28. December) 1524. Aus inneren Gründen, besonders weil sich nachweisen lässt, dass Laetare 1524 eine ebenso grosse Zahlung geleistet ist, wie sie hier gefordert wird, erschien es mir unwahrscheinlich, dass das Schreiben in das Jahr 1524 (nach unserer Rechnung) zu setzen sei. Der Widerspruch wurde jedoch gelöst, als es mir gelang nachzuweisen, dass damals noch im Lüneburgischen (wie auch in Brandenburg) der Gebrauch ner Chronik das herrschte, das Jahr mit Weihnachten zu Domini. beginnen. Eine Instruction für Förster und

Schomacker beginnt in seiJahr mehrfach mit Nativitas

nehmste Rat des Fürstentums, sich nicht weigern, sondern die ihm gebührende Summe zum Sonntag Laetare bereit halten werde. Er werde ihm ein gnädiger Herr sein und die Privilegien des Klosters bestätigen.

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Mit Bardowik setzte sich der Herzog persönlich in Verbindung, indem er auf den 10. Januar 1524 alle Capitelspersonen, Vicarien und Commendisten zu sich nach Winsen beschied, um dort etwas mit ihnen zu reden, daran uns und unserm Fürstentum merklich gelegen ist"1). Die meisten Klöster haben die Zahlung geleistet, das steht urkundlich fest; und auch die, von denen es uns nicht ausdrücklich bezeugt ist, werden sich derselben wohl nicht haben entziehen können 2).

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Diese Massregeln sind ja allerdings in erster Linie finanzieller Natur, aber wenn man bedenkt, dass der Herzog bereits den Barfüssern gegenüber seine der Reformation günstige Stellung zu erkennen gegeben hatte, wenn man ferner beachtet, dass auf diese Forderung bald andere weitergehende folgen, so möchte man geneigt sein, hierin den ersten bewussten Schritt des Herzogs gegen die Selbständigkeit der Klöster zu sehen. Unterstützt wird diese Vermutung dadurch, dass man ohne vorherige Beratung mit den Prälaten den Klöstern diese Steuer auferlegte 3). Es sei im Rate für gut angesehen", schreibt der Herzog an den Abt von St. Michaelis, das heisst doch nichts anderes als: die weltlichen Räte

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1) Durch den Nachweis, dass im Fürstentum Lüneburg das Jahr mit Weihnachten begonnen wurde, wird die bei Schlöpke a. a. O. p. 356 abgedruckte Urkunde d. d. Zelle Mittwoch nach Nativitas Christi 1524 bereits in das Jahr 1523 (30. Dezemb.) gesetzt, und es wird die Ansicht beseitigt, die Schlöpke aus dieser Urkunde gefolgert hat, um den Ruhm des Stiftes Bardowik zu erhöhen: der Herzog habe, um leichter die Reformation im Lande durchführen zu können, sich im Jahre 1525 in Winsen an das im Fürstentum in besonderer Achtung stehende Stift Bardowik gewandt, mit der Forderung, sie sollten dem evangelischen Glauben beitreten. Derartiges lässt sich in der damaligen Zeit noch gar nicht nachweisen, doch hat man an der Ansicht Schlöpkes festgehalten und von einem Tage (Havemann p. 96), sogar von einem Landtage zu Winsen (Uhlhorn p. 238) geredet.

2) Bezeugt ist die Zahlung für Ebstorf

(Havemann p. 103, An. 1), Lüne (handschriftl. Kalender von Lüne: H. St. A. Verz. der Manuscripte J. 37), Scharnebeck (Urkunde des Herzogs d. d. Freitag nach Laetare 1524: Verzeichnis der Manuscripte J. 76), St. Michaelis (Freitag nach Laetare 1524: Des 50, 1b vgl. Havemann 103, An. 1) und Bardowik (Dienstag nach Exaudi 1524: Des. 49, Bardowik 1). Bardowik zahlte nur 500 Goldgulden, die übrigen je 4000.

3) Zu derselben Zeit etwa, wo die Zahlung geleistet werden musste, hatte der Erzbischof von Bremen mit den Geistlichen der Verdener und Mindener Diöcese einen Vertrag abgeschlossen sich mit aller Macht dem eindringenden Luthertum zu widersetzen (Montag nach Jubilate = 18. April 1524). Auch dies spricht dafür, dass man damals hier bereits Furcht vor einem allgemeinen Angriff auf den Katholicismus hatte. Vgl. Spangenberg, Verdener Chronik p. 160.

am Hofe hätten dies beschlossen. Wie dem auch sein mag, auch wenn diese Massnahme noch nicht aus der bestimmten Tendenz entspringt, die Klöster völlig vom Fürsten abhängig zu machen, so haben wir hier thatsächlich den ersten Eingriff in die Privilegien der gesamten höheren Geistlichkeit des Landes.

Die Prälaten merkten die ihnen durch das Vorgehen des Herzogs drohende Gefahr wohl, und als sie zur bestimmten Zeit die Zahlung leisteten (im Anfang März 1524, Bardowik erst Anfang Mai), da suchten sie sich so gut wie möglich gegen eine Wiederholung derartiger Leistungen sicher zu stellen1). Sie liessen sich ausdrücklich bezeugen, dass sie unverpflichtet das Darlehen gegeben hätten, und dass man sie in Zukunft mit solchen Abgaben verschonen wolle. Ihre Privilegien wurden bestätigt; vom Fastenlager und Tageleistung sollen sie frei sein, die Klostermeier sollen nicht zu unziemlichen Dienstleistungen vom Herzoge gezwungen werden; die ordentliche Verwendung des Geldes wird gewährleistet.

Durch diese und ähnliche Bestimmungen die freilich im ganzen nur das bestehende Recht bestätigten hoffte man sich vor weiterem Schaden zu hüten, und es konnte auch scheinen, als ob gerade durch die Nachgiebigkeit der Prälaten in diesem Punkte der herzoglichen Regierung jede Gelegenheit zu weiteren Eingriffen in die Verfassung der Klöster genommen sei.

Da kam der Bauernkrieg, und wenn auch das Fürstentum Lüneburg von demselben glücklich verschont blieb, so waren die Folgen desselben doch selbst hier sehr bedeutend. Die Landbevölkerung und die Bewohner der kleineren Städte standen zwar in ihrem angeborenen conservativen Sinne und ihrer Fürstentreue der Bewegung, wie es scheint, kalt gegenüber, aber man fürchtete für die Stadt Lüneburg.

Schon im Anfange des Jahres 1525 hatte der Rat geglaubt, durch energische Massregeln das eindringende Luthertum ein für allemal niederwerfen zu müssen. Etliche Bürger, die lutherische Schriften gelesen und deutsche Psalmen gesungen hatten, wurden ohne weiteres aus der Stadt verbannt. Das Schreiben eines dieser Verbannten, Johann Funke's, welches das Lüneburger Stadt-Archiv aufbewahrt, giebt uns über diese Verhältnisse Aufschluss). Es ist ein an die Herzogin 1) Die beiden gleichzeitigen oben erwähn- | wörtlich überein, während die für Bardowik ten Urkunden für Scharnebeck und St. Michae- (vom 10. Mai 1524) etwas anders formuliert ist. lis (vom 11. März 1524) stimmen zum Teil 2) Original im L. A., d. d. Celle, Montag nach Invocavit (6. März) 1525.

Elisabeth von Geldern, die Schwester Ernsts, gerichtetes Gesuch um Fürbitte bei dem Rate von Lüneburg. Der Mann klagt, er sei verbannt, ohne anfangs zu wissen weshalb; schliesslich habe man ihm mitgeteilt, dass es geschehen sei wegen lutherischer Sachen und Schriften, und weil er nebst andern deutsche Psalmen gesungen hätte. Er wolle das nicht leugnen, aber nur zur Prüfung habe er lutherische Bücher gelesen, und das thäten in Lüneburg sowohl Weltliche wie Geistliche. Nie habe er sich gegen den Rat aufgelehnt, er habe keinen Hader, Aufruhr oder Zwietracht veranlasst, auch keine geistliche Person, wes Standes sie sei, beleidigt, und er wolle auch in Zukunft, wenn er durch die Fürsprache der Herzogin wieder Aufnahme in der Stadt fände, aller geistlichen und weltlichen Obrigkeit gebührend gehorsam sein.

Welchen Ausgang die Sache genommen hat, habe ich nicht feststellen könund das ist auch nicht das Wichtigste.

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Die Stellung Ernsts zu diesen ersten Regungen des Luthertums in der grössten Stadt seines Landes ist bemerkenswert. Er sah darin weit mehr eine Äusserung des aufrührerischen Geistes des Pöbels, der in Thüringen gerade damals in den Städten immer mehr um sich griff, als das mit Freuden zu begrüssende Erwachen des Volkes, das sich abwendet von den alten Irrtümern zu der neuen Lehre. Obwohl er den Aufenthalt Funkes in seiner Residenz duldet der Brief desselben ist von Celle aus geschrieben übernimmt er doch selbst die Vermittlung nicht, sondern er richtet im Gegenteil ein warnendes Schreiben an den Rat von Lüneburg. Er befiehlt ihm ernstlich, nachdem sich unlängs viele geschwinde Läufe und Aufruhr begeben", bei sich dafür zu sorgen, dass das Wort Gottes verkündigt und sonst allerlei Gottesdienst mit Singen, Lesen, Beten, Fasten und anderen guten Werken zur Ehre Gottes so geübt und gehalten werde, wie das seit langer Zeit gebräuchlich gewesen sei, bis von christlicher Obrigkeit eine andere Ordnung in der Christenheit eingerichtet werde. Besonders sollen sie eine fleissige Aufsicht über die Handwerksleute und Gesellschaften üben, dass sie ihr Disputieren nachlassen, einer dem andern günstig sein möge und Friede und Einigkeit erhalten werde, damit alle Widerwärtigkeit, Unfreundschaft und Blutvergiessen verbleibe". Wer aber sich an seinem Geistlichen oder sonst jemandem vergreift, den soll man an Gut und Leben strafen1).

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1) Eine Copie dieses Schreibens ist im H. St. A. (Des. 48, 2), d. d. Montags nach Can

tate (15. Mai) 1525; fast völlig abgedruckt ist dasselbe bei Havemann p. 117, A. 1. Wun

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