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dies jedem Stande einzeln möglich gewesen wäre. Die Abgeordneten der Prälaten waren die Äbte der Mannesklöster, welche Grundbesitz hatten, die Vorsteher der beiden Stifter und die Pröpste der Frauenklöster; der Abt des Klosters St. Michaelis in Lüneburg stand an der Spitze des gesamten Landtages1). Von den Städten nahmen meist nur Lüneburg, Celle und Uelzen an den Verhandlungen teil, diese vertraten dann zugleich die übrigen kleineren Städte, welche zu der Beschickung der Landtage berechtigt waren.

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Wie schon gesagt, hatten die Stände das Recht, allgemeine Steuern zu bewilligen; aber sie waren dazu nur mit Opfern von Seiten des Herzogs zu bewegen. Auch war die Erhebung mit Schwierigkeiten verknüpft, und wiederholt kam es vor, dass die bewilligten Auflagen überhaupt nicht eingezogen wurden 2). So konnte es geschehen, dass sich die Herzöge bisweilen in der drückendsten Geldnot befanden; im Jahre 1522 vermochte man die Beiträge zum Reichsregiment und Reichskammergericht nicht zu zahlen und bat den Abt von St. Michaelis um ein Darlehn von 200 Gulden auf kurze Zeit3). Derartige Anleihen wurden damals mehrfach gemacht), trotzdem im Anfang desselben Jahres eine Vieh-Steuer und der 16. Pfennig von der Landschaft den Fürsten bewilligt worden war3). Am drückendsten wurde wohl die Pfennig - Schuld" empfunden, welche baar verzinst werden musste. Um sich gegen die fortwährenden Bürgschaften wenigstens etwas zu sichern, liessen Adel und Geistlichkeit sich vom

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1) v. Duve, Versuch über die Landtage des Fürstentums Lüneburg (1795), p. 67, giebt die althergebrachte Rangordnung der Klöster folgendermassen an: Die Äbte von St. Michaelis in Lüneburg, Oldenstadt, Scharnebeck, die Vorsteher der Stifter Bardowik und Ramelsloh (auch diesen standen Pröpste vor, die aber hinter dem Decan fast ganz zurücktraten), die Pröpste von Ebstorf. Lüne, Medingen, Walsrode, Isenhagen und der Prior von Heiligenthal in Lüneburg. Dabei ist nicht genannt der Propst von Wienhausen, und auch keine Bemerkung gemacht über das vor der Reformation noch bestehende Nonnenkloster zu Uelzen.

2) So wurden die 22000 Gulden, welche zur Ausstattung von Heinrichs Tochter Elisabeth, der Braut Karls von Geldern, und für die Reise Ernsts nach Frankreich bewilligt worden wa

ren, gar nicht bezahlt, 1522 erliess sie Herzog Ernst wieder. Jacobi a. a. O. I. p. 127.

3) Auszug des Schreibens der Herzöge an den Abt, d. d. Simonis und Judae 1522 bei v. WeiheEimke a. a. O. p. 134. Irrig ist die aus Gebhardi stammende Ansicht v. Weihe - Eimke's, dass die Fürsten schon 1521 eine Hinterlegung und Rechnungsablage von den Klöstern gefordert haben. Die betr. undatierte Urkunde fällt, wie das „,des uprors halben" beweist, erst nach dem Bauernkriege.

4) Havemann erwähnt p. 85, dass Otto und Ernst sich vom Kloster Medingen das Fastenlager hätten abkaufen lassen müssen, dies fällt aber noch in die Regierungszeit Heinrichs, die Urkunde (gedruckt bei Lyssmann a. a. O. p. 112 f.) ist von 1521.

5) Jacobi a. a. O. I, p. 125 ff.

Herzoge versprechen, dass niemand, der sich zu bürgen weigere, deswegen die Ungnade des Fürsten fühlen solle 1).

Für die Herzöge war es natürlich nicht minder drückend, dass ihre Güter zum grössten Teil verpfändet waren; sie mussten sich naturgemäss nach einem Mittel umsehen, um eine gründliche Abhülfe herbeizuführen. Man darf wohl sagen, dass Herzog Ernst von Anfang an mit der Absicht die Regierung angetreten hat, die Vorrechte und Ausnahmestellung der privilegierten Stände zu brechen und sie gleichmässig zu der Tragung der Lasten des Fürstentums heranzuziehen. Die absolutistischen Neigungen, die der Fürst wie alle energischen Männer hatte, gingen dabei Hand in Hand mit seiner religiösen Überzeugung; beides unterstützt und verschärft sich gegenseitig. Der junge Fürst hatte ein warmes Herz für die Leiden des Volkes, es drückte ihn schwer, dass Bürger und Bauern die Last tragen mussten, während Geistlichkeit und Adel nicht zur Beisteuer herangezogen werden konnten. Doppelt bitter empfand er das, weil er, im Herzen schon gut lutherisch, die Berechtigung des Klosterlebens nicht völlig mehr anerkannte, und es schon damals seinem gesunden Gefühle widerstrebte, wie er das später wiederholt aussprach: „dass etliche Wenige ein gutes Leben führen und im Überfluss leben sollten, während die Masse des Volkes darben musste❝ 2). Wollte man aber sagen, die Geldnot habe den Fürsten von Lüneburg der reformatorischen Bewegung in die Arme getrieben, so würde man ihm völlig Unrecht thun. Ernst war ein durchaus reiner und edler Charakter, starr und schroff zuweilen, wenn man seiner guten Absicht einen dauernden Widerstand entgegensetzte, aber auch diese Strenge entsprang einer hohen Auffassung des Fürstenberufes, der Überzeugung, dass der Fürst nicht bloss für das irdische, sondern auch für das geistige Wohl seiner Unterthanen Gott Rechenschaft ablegen müsse. Dieser Gedanke kehrt immer und immer in seinen Schriften wieder, und er ist nicht blosse Phrase.

Man hat ihn den „Bekenner" genannt), und er verdient den Beinamen in

1) Jacobi a. a. O. I, p. 129.

2) Schreiben des Herzogs an das Kloster St. Michaelis v. 1533 (H. St. A. Des. 55, 10).

3) Der Beiname kommt erst im Anfang des 18. Jahrhunderts auf, und zwar habe ich ihn zuerst bei Joh. Justus Böhmer, fasces academici 1718 p. 61 (Dresd. Bibl.) gefunden, der

allerdings auch bereits sagt: „ut Ernestus confessor deinceps adpellatus fuerit". Bertram in der 1719 erschienenen Biographie spricht zwar von dem ,,durchleuchtigen Bekenner", aber diese Bezeichnung ist hier noch nicht Beiname geworden. Auch Rehtmeier kennt in seiner Chronik den Beinamen noch nicht (1722). Nach

vollem Masse; nicht bloss wegen des einmaligen öffentlichen Bekenntnisses zu Augsburg; sein ganzes Leben war ein Bekennen dessen, was er für gut und wahr erkannt hatte.

Für ihn war die Not des Fürstentums ein grosses Hemmnis bei dem Streben nach dem Ziele, das er sich gesteckt hatte, und dessen Erreichung recht eigentlich sein Werk ist. Er konnte nicht nach seiner Überzeugung und seinen Wünschen handeln, er musste sich in die Verhältnisse schicken. Hätten ihm bedeutende Geldmittel zur Verfügung gestanden, so hätte er schneller vorwärts gehen können, er wäre unabhängiger von den Ständen gewesen; denn mit den Geldforderungen von seiner Seite wären auch die Gegenforderungen der Stände weggefallen.

Die kirchlichen Verhältnisse des Fürstentums.

Es war natürlich, dass der Herzog bei den Klöstern den meisten Widerstand gegen seine Bestrebungen finden musste, denn ihr Bestand wurde ja durch die Bewegung jener Zeit in Frage gestellt. Ehe wir daher auf die ersten Schritte eingehen, die im Fürstentum gegen den Katholicismus gethan wurden, müssen wir noch einen Blick auf das Klosterleben und die kirchliche Organisation des Landes werfen. Nicht alle Klöster haben einen gleich engen Anschluss an den zuständigen Bischof gehabt, und es erklärt sich daraus in der späteren Zeit eine Verschiedenheit derselben in ihrem Widerstande gegen die Reformation.

Drei Diöcesen teilten sich in die kirchliche Jurisdiction des Fürstentums: Verden, Hildesheim und Minden. Zu dem Sprengel von Verden, der weitaus den grössten Teil des Landes umfasste, gehörten das Benedictiner-Kloster St. Michaelis in Lüneburg, die Cistercienser-Mönchs-Klöster Scharnebeck und Oldenstadt, das Prämonstratenser-Kloster Heiligenthal in Lüneburg, die Benedictiner-Nonnenklöster Ebstorf, Lüne, und das Kloster der Cistercienserinnen zu Medingen1), sowie die beiden Stifter Bardowik und Ramelsloh. Der Bischof von Verden hatte das Patro

dem Erscheinen von Arends singularia cogno- | Zeit ganz ohne Bedeutung, denn kurz vor der mina (1723) wird derselbe jedoch schnell allge- Reformation ging es wegen Mangel an Mitgliemein. dern ein und wurde in ein Hospital verwandelt. Vgl. Schilling, histor. Grundriss der Stadt Uelsen, p. 28.

1) Das Nonnenkloster zu Uelzen kann kaum mitgerechnet werden, es ist für unsere

nat über eine ganze Reihe von Pfarrkirchen im Fürstentum'); ein bischöflicher Official residierte in Lüneburg. Zu Hildesheim gehörten die Klöster der Cistercienserinnen zu Wienhausen und Isenhagen. Der Diöcese Minden endlich gehörte nur das Kloster Walsrode an (Benedictinerinnen). Ausserdem befanden sich noch Franciskanerklöster zu Celle, Winsen a. d. Luhe und Lüneburg.

In den meisten dieser Klöster war gegen Mitte und Ende des 15. Jahrhunderts die verfallene Zucht, wenn auch stellenweise unter grossem Widerstande, wiederhergestellt, so dass ihre Insassen jetzt wenigstens äusserlich ehrbar waren; wogegen besonders die Nonnen von Wienhausen früher so zuchtlos gelebt hatten, dass auf Befehl des Herzogs eine Mauer um ihr Kloster gezogen war, um sie völlig von der Aussenwelt abzuschliessen 2). Besonders tief war das religiöse Leben freilich nicht, es herrschte hier wie fast überall zur Zeit vor der Reformation ein grosser Formalismus, der jeder Innerlichkeit entbehrte; man klammerte sich an die Form, weil man den Kern verloren hatte. Die Beichtväter der Nonnen waren häufig ungelehrt; ja, man sagte auf Seiten der Gegner, die Klosterfrauen wählten sich mit Vorliebe recht dumme Beichtväter, um die Klügeren zu sein3). Was konnten sie in religiöser Beziehung Gutes von Geistlichen lernen, die nicht einmal die Formel der Absolution kannten1)! Die Verehrung von Bildern und Heiligen wurde nach Kräften zum Vorteil der Klöster gefördert; so wird uns berichtet, dass sich in der zu Isenhagen gehörigen Kapelle in der Clus zu Steinbeck ein wunderthätiges Marienbild, aus Holz geschnitzt, befand. Maria hält den Leichnam Christi auf dem Schosse; derselbe war innen hohl, und in die klaffenden Wunden warfen die Leute Gold und opferten auf dem Altar viel Wachs, Flachs und anderes zur Ehre der Mutter Gottes und ihres Sohnes, „, welches alles darnach gen Isenhagen gebracht wurde").

In den Mönchsklöstern sah es nicht viel besser aus; die Äbte lebten mehr weltlich als geistlich. Besonders verrufen waren wegen ihres unsittlichen Lebens die Canoniker von Bardowik. In Pracht und Üppigkeit verbrachten die Bene

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dictiner von St. Michaelis, dem reichsten und bedeutendsten Kloster im Fürstentum, ihre Tage; obwohl das Kloster in der letzten Hälfte des 15. Jahrhunderts „reformiert" war, war doch nur wenig von der damals hergestellten Zucht übrig geblieben; denn die Adligen, aus denen der Convent ausschliesslich bestand, konnten sich mit der strengen Regel Benedicts nicht recht befreunden. Die Hinneigung der Äbte und Pröpste zu weltlichen Geschäften wurde durch ihre Teilnahme an der Regierung des Fürstentums als geistliche Räte des Herzogs nur noch gefördert. Der Abt von St. Michaelis, der erste unter den Räten des Fürstentums überhaupt, stand auch an der Spitze des von Heinrich dem Mittleren eingerichteten Landgerichts zu Uelzen, neben oder vielmehr unter ihm standen noch zwei andere Prälaten und drei weltliche Räte.

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Zwischen der Stadt Lüneburg und den Klöstern bestand eine ziemlich enge Verbindung. Neben den Töchtern der Adligen fanden auch die der Lüneburger Patricier Aufnahme in die Frauenklöster (besonders in die der Verdener Diöcese: Ebstorf, Lüne und Medingen). Viele, wohl die meisten der Klöster hatten ihr Haus oder ihren Hof“ in der Stadt, (so Scharnebeck, Lüne, Medingen und das Stift Bardowik) und alle waren auf der Sülze begütert'). Es war das eine sehr beliebte Kapitalanlage der Geistlichen auch der benachbarten Länder, denn das Lüneburger Salz war weit berühmt und wurde im nördlichen Deutschland für das beste gehalten. Die Klöster hatten ihren Sülzanteil an Lüneburger Patricier (Sülftmeister) verpachtet; dieser Salinarius" zahlte ihnen dann eine bestimmte jährliche Summe für die Nutzung der dem Kloster gehörigen Pfannen 2). Durch die Wahl des Sothmeisters, eines der höheren Beamten der Sülze, welcher die Oberaufsicht über das Sieden des Salzes führte, übten die Klöster auch auf die Verwaltung der Saline einigen Einfluss aus; diese Wahl stand den Äbten von St. Michaelis und Scharnebeck und den Pröpsten von Lüne und Medingen zu3).

Das

zen besassen die Klöster folglich 68 Pf.
sind also mehr als ein Viertel aller überhaupt
auf der Sülze vorhandenen Pfannen (es waren
54 Häuser vorhanden, jedes Haus hatte 4 Pfan-
nen, also 216 Pfannen).

1) Ich gebe hier eine Uebersicht über die | Bardowik 41 Pf., Ramelsloh 1 Pf. Im ganBegüterung der Klöster auf der Sülze nach einer handschriftlichen Nachricht des H. St. A. (Verzeichnis der Manuscripte J. 76): St. Michaelis 15 Pfannen, Scharnebeck 12 Pf., Ol- | denstadt 3 Pf.; Propstei Lüne 11 Pf., Virgines ibidem 24 Pf.; Propstei Ebstorf 3 Pf., Virgines - 3 Pf.; Propstei Medingen - 4 4 Pf., Virgines — 2 Pf.; Propstei Wienhausen - 1 Pf.; Propstei Isenhagen - 1 Pf., Virgines 11/ Pf.; Propstei Walsrode cum Virginibus - 3 Pf.;

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2) Die,,potestas committendi bona salinaria monasteriorum sine omni conventione" nannte man,,Vorbathe". (Pfeffinger a. a. O. I, 97). 1) Vgl. Pfeffinger a. a. O. I, p. 221.

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