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unter Leitung des Magisters Egbert Nithard aus Minden auf die Universität Wittenberg gesandt; dort wurden die Brüder am Sonntag Judica (28. März) 1512 von dem Rektor Wolfgang von Reitenbusch mit einer Anzahl junger Adliger, ihren Gefährten, zusammen immatriculiert1). Die Fürsorge des Kurfürsten Friedrichs des Weisen, des Bruders ihrer Mutter Margaretha, stellte seinen Neffen noch einen anderen erprobten Lehrer, den Erzieher des Kurprinzen Johann Friedrich, Georg Burckard Spalatinus an die Seite 2).

Fertig Latein sprechen und schreiben zu können, Lust und Freude an Büchern auch in späteren Jahren wo er nach dem Zeugnisse Melanchthons nie eine Reise gemacht haben soll, ohne zu seiner Belehrung wissenschaftliche Werke mit sich zu führen das verdankt Ernst dem Aufenthalte in Wittenberg. Die juristischen Studien, die er dort bei dem Rechtsgelehrten Henning Goeden, dem monarcha juris, gemacht hat, sind nicht ohne Einfluss auf seine spätere Entwicklung geblieben. Die Gedanken von der absoluten Gewalt des Fürsten, die das römische Recht durchziehen, hat er später in seiner Regierung zur That zu machen gesucht. Die Quellen berichten uns gar nichts darüber, ob er bereits in Wittenberg in nähere Beziehung zu Luther getreten ist: man möchte daher fast glauben, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Aber das dürfen wir wohl annehmen, dass er die Vorlesungen Luthers gehört haben wird (denn theologische Vorlesungen pflegte damals doch jeder Studierende zu hören), und dass ihm durch dieselben bereits ein klareres Verständnis der heiligen Schrift aufgegangen, und Lust und Liebe zur Beschäftigung mit derselben in ihm erwacht sein wird.

Wann die fürstlichen Brüder Wittenberg verlassen haben, wissen wir nicht;

1) Der Wortlaut des Immatriculations-Ver- | merks in der Wittenberger Matrikel findet sich ausser bei Wernsdorf (vgl. oben p. 4. Anm. 1.) auch bei Bytemeister, commentarius historicus de augustae domus Bruns.-Luneb. meritis in rem litterariam p. 71. Anm. yy. und Förstemann, Album academiae Vitebergensis p. 38.

2) Dass Otto und Ernst schon als „zarte Knaben", wie das Havemann p. 90 annimmt, an den Hof Friedrichs des Weisen gesandt und dort völlig erzogen seien, halte ich nicht für richtig. Diese Ansicht, die zuerst Bertram,

Leben Ernsts p. 2 hat, stammt ans der Grabschrift, wo es heisst: cum apud avunculum Fridericum praeclare educatus, Wittebergae felicem operam navasset. Dagegen sagt Melanchthon in der angeführten Rede: „Adolescentes fratres Ottonem et Ernestum Fridericus elector avunculus erudiri curavit a Georgio Spalatino", damit scheint mir erst die Fürsorge Friedrichs des Weisen für seine Neffen begonnen zu haben; auch war ja der erste Lehrer der jungen Herzöge kein sächsischer Unterthan, sondern aus dem Celle benachbarten Minden.

1518 finden wir sie mit ihrem Vater zusammen in der Stadt Lüneburg1), und wohl noch in demselben Jahre schickte Heinrich seinen Sohn Ernst zur Vollendung seiner Ausbildung nach Frankreich an den Hof Franz' I. Nicht blos das Ansehen, in dem die französische Verwaltung und das französische Wesen im Auslande standen, der Nutzen, den die Kenntnis der französischen Sprache dem jungen Herzoge bringen konnte, bewogen ihn hierzu; es war wohl mehr noch die persönliche Freundschaft, die Heinrich der Mittlere, wie wir gesehen, für den französischen Hof hegte, die ihn zu diesem Schritte veranlasste. Möglich ist es auch, dass der Herzog schon jetzt eine Verbindung Ernsts mit einer Prinzessin von Navarra plante, an der er später bei seinem Aufenthalt in Frankreich arbeitete). Wie lange Ernst in Frankreich geblieben ist, lässt sich nicht genau bestimmen; die Quellen geben so gut wie gar nichts über diesen Aufenthalt. Jedenfalls muss er spätestens im Anfang des Jahres 1520 wieder nach Hause zurückgekehrt sein; im Anfang Februar ist er in Lüneburg bei der Huldigung der Stadt anwesend3), wohl das letzte Mal, dass er in der wichtigsten und bedeutendsten Stadt seines Landes gewesen ist.

Bald darauf, im Anfang Mai des Jahres 1520, nahm Heinrich seine beiden Söhne in die Regierung auf1), und als er nach Frankreich ging, verzichtete er (mündlich) auf seine Ansprüche an das Fürstentum. Die Not des Landes forderte die officielle Niederlegung der Regierung, denn nicht eher konnte man von dem Kaiser die Aufhebung der Acht erwarten, ehe man sich nicht völlig von dem Herzoge getrennt und demselben eine Wiederübernahme der Verwaltung unmöglich gemacht hatte). Die Lage war besonders für Herzog Ernst

1) Vgl. Sagittarius, Memorabilia historiae Luneburgensis p. 34. Aus Schomakers Chronik. 2) Herzog Heinrich an den Rat von Lüneburg im Juli 1528 bei Havemann p. 101.

3) Vgl. über die Huldigung der Stadt die Urkunde vom 4. Februar 1520 in der Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen. Jahrg. 1881, p. 122.

4) Urkunde d. d. Johannis ante portam Latinam (6. Mai) 1520 bei Havemann a. a. O. p. 83. Anm. 1.

5) Wann die Aufhebung der über das Land und die Stadt Lüneburg verhängten Acht stattgefunden hat, ist mir nicht bekannt, nach dem Vertrage vom October 1521

hat sie jede Bedeutung verloren. Im Anfang des Jahres 1523 gab Karl V. dem Bischof Philipp von Freising und Johann von Sachsen Vollmacht zur Verhandlung mit Otto und Ernst von Lüneburg, wegen der Beseitigung der über das Land verhängten Acht (d. d. Nürnberg, 14. Januar 1523). Philipp lehnte dies ab, an seine Stelle trat dann Georg von Sachsen. Ostern 1524 wurde in dieser Sache zu Eisleben verhandelt, aber erst Ende 1526 scheint eine endgültige Regelung erfolgt zu sein (Hz. Ernst an Kurf. Johann, d. d. Zell, Freitag nach Nicolai 1526). Die hierauf bezügl. Akten im Weimarer Archiv.

Um

sehr schwierig, denn während er aus Fürsorge für sein Land jeden Zusammenhang mit Frankreich meiden musste, warb sein Vater am französischen Hofe für ihn um die Hand der Schwester des Königs von Navarra und liess seinen Sohn dringend auffordern, selbst nach Frankreich zu kommen und die Verlobung zu vollziehen. Wie weit Ernst mit dieser Werbung einverstanden war, wissen wir nicht; zum Wohle des Landes durfte er nicht auf die Pläne seines Vaters eingehen. Die Landschaft hielt die geschehene Übertragung der Regierung an die jungen Herzöge nicht für genügend; ein Lüneburgischer Adliger, Thile Honstedt, wurde nach Frankreich gesandt1), und nun entsagte Heinrich in aller Form allen seinen Ansprüchen an das Fürstentum. Nur im Falle seine Söhne vor ihm ohne männliche Erben sterben würden, behielt er sich vor, die Regierung wieder zu übernehmen. Es wurde ihm eine jährliche Rente ausgesetzt, seine Söhne versprachen, seine persönlichen Schulden im Lande zu bezahlen. Bei seiner etwaigen Rückkehr aus Frankreich sollte ihm das Fürstenhaus in Lüneburg zur Wohnung dienen, und ihm ausser dem zum täglichen Bedarf Erforderlichen jährlich 400 Gulden gegeben werden.

Die Lage des Fürstentums und die ständischen Verhältnisse.

Die beiden Brüder Otto und Ernst waren jetzt also in dem unanfechtbaren Besitze des Fürstentums. Aber die Verhältnisse desselben waren vorläufig wenig erfreulich. Schwere Schulden drückten das Land, und auch die von den Ständen mehrfach bewilligten Steuern und Auflagen hatten nicht vermocht der Not des Fürstentums zu steuern. Noch im Jahre 1518 war dem Herzoge die Erhebung des sechzehnten Pfennigs über Bürger und Bauern, soweit sich das Fürstentum erstreckt, von Häusern, allen liegenden Gründen, beweglichen und unbeweglichen Gütern, die für Erbe zu rechnen sind" gestattet worden; wenn durch diese Steuer 80000 rheinische Goldgulden und darüber aufgebracht würden, sollte der Summe zur Einlösung der verpfändeten herzoglichen Güter, 3/4 zur Bezahlung der peinlichsten Schulden an Hauptsumme und Zinsen unter Aufsicht einer land

1) Thile Honstedt war einer der Wittenberger Genossen Ernsts. Diese Nachrichten sind entnommen aus einem Briefe Heinrichs an den Rat von Lüneburg, der sich im Auszuge bei Havemann p. 101 f. findet, doch ist

das genauere Datum desselben nicht angegeben, es wird nur gesagt, dass er aus der Mitte des Jahres 1528 sei.

2) Die Urkunde ist vom 22. Juli 1522, vgl. Havemann a. a. O. p. 84. An. 2.

ständischen Commission verwandt werden1). Man sieht, wie beträchtlich schon damals die Schulden waren; und Heinrich selbst hatte zu ihrer Vermehrung nicht wenig beigetragen; rühmt er sich doch in jenem oben erwähnten Schreiben an die Lüneburger, dass er im Laufe seiner Regierung für 200000 Gulden an Festen verbaut habe. Es scheint das auch einer der Gründe gewesen zu sein, die ihn bewogen haben das Land zu verlassen; man fürchtete sein Schuldenmachen, in seinem Verzicht wird ausdrücklich festgesetzt, dass er keine Schulden auf das Fürstentum häufen dürfe 2).

Durch die Stiftsfehde waren natürlich die Schulden noch gestiegen, und die Brüder klagen im Anfange ihrer Regierung: „dass sie nicht allein das Fürstentum mit samt allen und jeglichen Amten, Vogteien, Häusern, Gerichten, Zinsen, Zöllen, Ein- und Zubehörung unsprechlichen mit grossen unglaublichen Schulden beschwert, verpfändet und ausgesetzt befunden, und dass nicht allein alle jene angeführten Rechte und Besitzungen, wovon sie samt ihrer Mutter, ihrer Schwester Anna und ihrem Bruder Herzog Franzisco im fürstlichen Stande und Wesen sich unterhalten, auch ihr Land und Leute in Frieden, Einigkeit, guter Administration und Rechtsverhelfung regieren, schützen und beschirmen sollten, dermassen beschwert, verpfändet und ausgesetzt wären, sondern dass ausserdem unmögliche und unbegreifliche Pfennigs-Schuld auf sie und des Fürstentums Land und Leute gewachsen, wofür die Vornehmsten und Stände des Fürstentums und viele andere Fremde vom Adel teils schuldig geworden seien, teils Bürgschaft geleistet hätten, so dass zu befürchten sei, wenn man dem nicht mit getreuem Rat und stattlicher Hülfe vorbauen und begegnen würde, dass in wenig Jahren Land und Leute dieser Schulden halber in viel grösseren Schaden geraten würden, dass kaum möglich wäre sie zu retten" 3). Diese der Fürsten eigne Worte characterisieren die Verhältnisse des Fürstentums im Jahre 1522 auf das Beste. Bis auf Stadt und Amt Celle waren nach einer Nachricht in Hämmenstädts Chronik sämtliche fürstliche Besitzungen verpfändet, und von dem kleinen Rest musste nicht bloss die

3

1) Jacobi, Landtagsabschiede I, p. 113 ff. Vereinigung Herzog Heinrichs mit der Landschaft, vollzogen am Donnerstag nach Viti und Modesti (17. Juni) 1518.

2) Hämmenstädt giebt an, der Herzog habe das Land verlassen, um das unerlaubte Ver

hältnis, das er zum grössten Unwillen seiner Söhne und des Adels mit Anna von Campen unterhielt, fortsetzen zu können.

3) Jacobi a. a. O. I, p. 125 f. Urkunde der Herzöge Otto und Ernst, d. d. Celle, Mittwoch nach Judica (9. April) 1522.

Hofhaltung bestritten, sondern auch die alte Herzogin in gebührender Weise erhalten werden.

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Schon hiernach kann man vermuten, dass die Schuldverhältnisse auf die spätere Entwicklung des Fürstentums einen grossen Einfluss ausgeübt haben, und das war thatsächlich der Fall. Es ist dies gar nicht genug zu betonen und stets namentlich aber in den ersten Jahren der Regierung Ernsts im Auge zu behalten; denn es erklärt sich daraus manche Erscheinung, die sonst als eine Inconsequenz oder zu weitgehende Nachgiebigkeit der fürstlichen Regierung erscheinen könnte. Wir werfen daher noch einen Blick auf die Stände des Fürstentums, ihre Zusammensetzung und ihre Bedeutung.

Der Einfluss, den sie auf die Regierung des Landes hatten, entsprang zum grössten Teil aus ihrem Steuerbewilligungsrecht, und verstärkt wurde er noch dadurch, dass jetzt, bei der durch den letzten Krieg herbeigeführten Verarmung von Bürger und Bauern, Adel und Geistlichkeit häufiger selbst für den Fürsten eintreten mussten, sei es durch Bürgschaften oder durch freiwillige Beiträge zu den Lasten des Landes, denn von den auferlegten Steuern waren sie frei1), und was sie leisteten, das gaben sie „aus mitleidigem Gemüt“ und für Gegenleistungen oder Versprechungen von Seiten des Herzogs.

Grosse Städte gab es nicht im Fürstentume; die einzige, die auf Bedeutung Anspruch machen konnte, war Lüneburg, das damals noch immer durch seinen Reichtum unter den Hansestädten eine wichtige Stellung einnahm. Aber die Lüneburger hüteten sich wohl, zu der Bezahlung der Landesschulden beizusteuern, kaum dass der Herzog von ihnen die Beiträge zu den Reichslasten, wie Türkensteuer, Römermonate und dgl. erhalten konnte. Die anderen Städte, von denen Celle und Uelzen wohl die bedeutendsten waren, standen freilich ganz unter dem Einflusse der Fürsten und hatten einzeln kein grosses Gewicht in die Wagschale zu werfen.

Aus Prälaten, Ritterschaft und Städten setzte sich der Landtag des Fürstentums zusammen; alle Stände berieten gemeinsam und konnten daher auch geschlossen weit stärker ihre Vorrechte dem Fürsten gegenüber wahren, als

1) In der oben erwähnten Urkunde Heinrichs von 1518 (Jacobi a. a. O. p. 113) wird ausdrücklich gesagt, dass Geistlichkeit und Adel von der Erhebung des 16. Pfennigs frei sein

sollen: doch unschädlich an Häusern, Höfen
und liegenden Gründen der Schillingshöfe und
Sattelhöfe Prälaten und dem Adel zuständig“.

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