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die Furcht, welche man bis dahin vor ihnen im Fürstentume Lüneburg gehabt hatte.

Die Streitigkeiten des Herzogs mit der Stadt Lüneburg1).

Die Streitigkeiten zwischen dem Herzoge und der Stadt Lüneburg erfuhren durch diesen allmählichen Übergang des Rates vom Katholicismus zum Luthertume keine Unterbrechung. Urbanus Rhegius vermochte, selbst als er noch bei dem Rate in Gunst stand, keinen Ausgleich herbeizuführen. Er scheint sich auch von dieser Sache, die ihn ja notwendig in eine schiefe Stellung zum Rate bringen musste, völlig fern gehalten zu haben. Der Herzog hatte allerdings, wie es scheint, die Absicht, sich seiner und der Bürgerpartei gegen den Rat zu bedienen und forderte daher bei einer Verhandlung zu Lüne am 10. Juni 1533, dass auch Deputierte der Bürger und Urbanus Rhegius daran teilnehmen sollten; aber der Rat lehnte dies sehr entschieden ab; es sei bislang nicht Sitte gewesen, jemanden ausser den Deputierten des Rates zu senden").

Schon im Jahre 1531 schien man einem Ausgleiche nahe zu sein. Man hatte von beiden Seiten die Forderungen schriftlich fixiert; beide Parteien gaben in etwas nach; um Nebenpunkte drehte sich die weitere Verhandlung. Herzog Franz sollte seine Zustimmung geben, forderte der Rat; das verweigerte Herzog Ernst, da sein Bruder sich „zur Zeit noch keiner Regierung angemasst" hätte. Die Lüneburger wollten nicht zugeben, dass eine Änderung in dem früher mit Herzog Heinrich abgeschlossenen Compromiss vorgenommen würde. Dort war nämlich u. a. bestimmt, wenn wieder Streitigkeiten stattfänden, sollten „zwei geistliche und zwei weltliche Räte des Herzogs" mit der Stadt verhandeln. Der Herzog wollte nun, da es für ihn keine geistlichen Räte des Fürstentums mehr gab, dass die geistlichen Räte durch weltliche ersetzt würden. Das hielt der Rat von Lüneburg aber für eine Verletzung des Vertrages und wollte nicht darein willigen 3).

Die Verhandlungen zerschlugen sich wieder, es kamen neue Streitigkeiten

1) Die hierfür benutzten Akten befinden sich, sofern nichts anderes angegeben ist, im H. St. A. und zwar Des. 55, Nr. 8, 10, 11 und 14.

2) Der Rat an die Hofräte zu Celle, 1533 am Sonntage Trinitatis (Orig. H. St. A. Des.

50, 2). Auch seine Räte wies der Herzog einst an, sich direkt an die Bürger zu wenden: Schreiben des Herzogs, Sonnabend nach Can

tate.

3) Die hierauf bezüglichen Akten befinden sich im H. St. A.

hinzu. Immer dringender wiederholte der Herzog die bereits 1531 gestellte Forderung, dass ihm von den auf der Sülze belegenen Gütern der ausländischen Geistlichen eine Abgabe gegeben werden solle. Ein Gutachten des Syndicus der Stadt Braunschweig, Levins von Emden, gab dem Herzoge darin völlig recht1). Er könne die Hälfte des auf der Sülze belegenen Einkommens der ausländischen Geistlichen zum Wohle des Landes beanspruchen; das geschehe auch anderswo. Werde die Forderung nicht gewährt, so möge sich der Herzog an die andern im Lande belegenen Güter der ausländischen Geistlichen halten. Der Rat lehnte diese Forderung ebenso fest ab, wie wir das bereits in betreff der Güter von Bardowik gesehen haben.

Es wurden durch diese Forderung besonders Geistliche der Lübecker Diöcese betroffen, und diese wandten sich jetzt klagend an den Kaiser, von dem sie denn auch am 12. Februar 1533 ein Mandat erlangten, in welchem dem Herzog und dem Rate bei Strafe geboten wurde, die Güter der Lübecker Geistlichen nicht anzutasten. Zugleich wurde der Herzog vor das Reichskammergericht geladen 2). Das bestärkte natürlich den Widerstand des Rates, wenn er auch das Mandat nicht veranlasst haben wollte 3).

Ein anderer Streitpunkt war der Vertrag, welchen der Rat mit den Mönchen von Heiligenthal abgeschlossen hatte. Wie wir bereits erwähnten, erkannte der Herzog diesen Vertrag nicht an; und im Jahre 1533 liess er alle ausserhalb Lüneburgs gelegenen Güter des Klosters mit Beschlag belegen*).

Weit schlimmer aber wurde die ganze Sache, als der Streit um das Kloster St. Michaelis sich erhob, auf dessen Anfänge wir bereits eingegangen sind.

Der Herzog war damals aufs äusserste gegen die Stadt erbittert. Es empörte ihn, dass der Rat ihm das verweigerte, was dieser für sich selbst in Anspruch nahm, denn die Geistlichen in der Stadt mussten erhebliche Beiträge zum Wohle der Stadt zahlen. Er gab dem Rate schuld, dass im Kloster St. Michaelis die Abtswahl beschleunigt sei; ihn kränkten die Gerüchte, als ob er das Kloster befestigen und zum Nachteile der Stadt besetzen wolle. Ja, man nahm in Lü

1) Levin von Emden an Förster, Braun- | 4) Urk. vom Dienstag nach Margarethae schweig, Montag nach Luciae 1531.

2) Mandat des Kaisers, Speier, 12. Februar 1533.

3) Der Rat an Heinrich von Mecklenburg, 1534 Donnerstag nach Fabiani.

1533. In derselben wird beiläufig erwähnt, dass der Herzog Arrest auf die Güter von Heiligenthal und St. Michaelis legen wolle.

neburg Reiter und Fussvolk in Dienst, um sich gegen einen etwaigen Überfall von Seiten des Herzogs zu sichern1). Diener des Herzogs wurden auf offener Strasse verwundet und gefangen).

Neue Verhandlungen fanden in Lüne im Anfang des Jahres 1533 statt, aber sie verliefen ebenso resultatlos, wie die früheren3). Der Rat schien aber jetzt eine friedliche Lösung des ganzen Streites zu wünschen, er bat Herzog Heinrich von Mecklenburg, den Schwiegervater Ernsts, um seine Vermittlung. Allein der Herzog wollte von einer neuen Verhandlung nichts wissen, bevor nicht die Sache in betreff Heiligenthals, des Klosters St. Michaelis und der Stifter Bardowik und Ramelsloh, wie er wünschte, entschieden sei). Doch gelang es den Bemühungen Herzog Heinrichs, ihn dazu zu bewegen, und so begannen am 9. October die Beratungen in Scharnebeck, deren Verlauf Herzog Ernst von Bardowik aus verfolgte3); allein man gelangte auch hier zu keiner Übereinstimmung.

Der Herzog behauptete, das Kloster St. Michaelis sei von seinen Vorfahren gegründet, und er, als alleiniger Patron desselben, habe auch allein das Recht, über das Kloster zu verfügen. Dagegen machte der Rat geltend, dass das Kloster, welches früher auf dem Kalkberge gelegen und bei Eroberung des dort sich befindenden Schlosses durch die Bürger mit zerstört worden war, 1375 von der Bürgerschaft in der Stadt ganz neu gegründet worden sei, und dass damit die herzoglichen Rechtè erloschen seien. Man berief sich auf die früheren Privilegien der Kaiser für das Kloster, in welchen der Rat mit zum Verteidiger des Klosters ernannt sei; allein der Herzog entgegnete darauf, dass diese nie in Wirksamkeit getreten seien und daher auch jetzt nicht herangezogen werden könnten. Auch innerhalb anderer Städte lägen Klöster, ohne dass dadurch die

1) Der Herzog an Levin von Emden, Gifhorn, Dienstag nach Valentini (18. Febr.) 1533.

2) Gegenschrift der herzoglichen Räte gegen die von Lüneburg verbreiteten Behauptungen (ohne Jahr, aber wohl hierher zu setzen).

3) Eine ausführliche Nachricht über die Verhandlungen in Lüne von 1532 und Anfang 1533 findet sich in der erwähnten Handschrift der Wolfenbüttler Bibliothek. Der Rat erbot sich damals, 40 000 Mark zu der Tilgung der Schulden beizutragen, wollte davon aber 13 500 Gulden abziehen, die der Herzog noch schuldig

war.

Die herzoglichen Räte verlangten jedoch

40 000 Gulden und Erlass der Schuld, dafür wollte der Herzog dem Rate die Hälfte der Einkünfte der ausländischen Geistlichen auf 12 Jahre überlassen. ,,Zinsen, Wucher und Schadgeld" der Schuld betrugen damals über 200 000 Goldgulden.

4) Botschaft etlicher Adligen an den Rat, Dienstag nach Margaretha 1533 (15. Juli). Damals hatte der Herzog bereits auf die Güter von St. Michaelis Arrest durch den Hauptmann von Winsen legen lassen. (Vgl. vorige Seite an 4.)

5) Vgl. Schomaker a. a. O.

Rechte der Fürsten gekränkt würden. Die Forderung der Inventarisierung sei nicht unbillig gewesen; der Rat aber habe den Abt, wie etliche Adlige dem Herzoge mitgeteilt hätten, gezwungen, sie von der Stadt aus geschehen zu lassen. Die Güter, Briefe und Siegel des Klosters gebührten, weil sie vom Patron herkämen, auch dem Patron, aber man habe ihm sogar die Rechenschaft darüber verweigert. Es sei nicht recht, dass bei der Not des Landes so wenig Personen die Einkünfte des Klosters in Gotteslästerung und Unehren, mit Schwelgen, Saufen und sonst in Unzucht verbrauchen sollten. Dann werden dem Rate noch die anderen Streitpunkte vorgehalten, wegen Bardowik und Ramelsloh, wegen der Verschleppung der Urkunden von Oldenstadt nach Lüneburg u. dgl.1).

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Von dem Wittenberger Rechtsgelehrten Hieronymus Schurpf wurde in dieser Zeit wann, lässt sich nicht genau entscheiden ein Gutachten in betreff des Klosters St. Michaelis gefordert; aber dasselbe fiel durchaus nicht im Sinne des Herzogs aus, der jetzt die völlige Aufhebung des Klosters beabsichtigte. „Die überlieferte Gewalt des Papstes und der Bischöfe zu negieren und damit die Kirche selbst aufzulösen, verbot auch den evangelisch gesinnten Rechtsgelehrten ihre juristische Überzeugung❝ 2). Nur das, so führt Schurpf aus, kann der Patron oder Fundator des Klosters in weltlichen Dingen verlangen, was ihm bei der Stiftung desselben ausdrücklich vorbehalten ist.,,Excommunicandi sunt fundatores sive patroni, qui bona ecclesiastica pro eorum arbitrio distribuunt." Nur das Recht der Verteidigung gegen die Verschleppung der Güter besitzt der Fürst3).

Kurz, man kam zu nichts. Der Herzog von Mecklenburg verhandelte

1) Concept Försters über diese Verhandlun- | 373 cons. 210) setzen, wie man das bisher gegen im H. St. A. than hat. Modestinus Pistoris war erst 1516 und Wesenbeck 1531 geboren.

2) Stinzing, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaften p. 274 f.

3) Schurpfii consilia I, cons. 48, p. 175 ff., dasselbe ist undatiert. Unbegreiflich erscheint es mir, wie man stets hat schreiben können, die Juristen hätten in ihren Gutachten dem Herzoge beigestimmt (Havemann p. 130, Uhlhorn p. 205, der Name Schnepf bei Uhlhorn ist wohl ein Druckfehler). Nicht schon in das Jahr 1532 oder 1533 darf man die Gutachten von Modestinus Pistoris (consilia I, cons. 43) und von Wesenbeck (cons. posthum. V, p.

Uhlhorn citiert p. 361, Anm. 21 ganz genau die Consilia der Rechtsgelehrten. Das Citat findet sich ebenso bei Gebhardi Bd. XIV und ist wohl einfach von dort herübergenommen. Auch die obige irrige Ansicht geht auf G. zurück. Gebhardi Bd. XIV erwähnt auch, dass der Abt Herbord sich von einem katholischen Juristen ein Gutachten habe anfertigen lassen, welches in deutscher Sprache abgefasst gewesen sei.

zwar noch eine Zeit lang mit den beiden Parteien, aber er konnte nichts ausrichten.

Herzog Ernst brach die Verhandlungen ab. Es fanden zwar noch von herzoglichen Beamten Vermittlungsversuche statt, aber dieselben geschahen, wie der Herzog ausdrücklich forderte, nicht im Namen des Fürsten, es waren rein private Bemühungen, die der Herzog erst dann anerkennen wollte, wenn sie zu einem greifbaren Resultate geführt hätten. Das thaten sie jedoch nicht1).

Die Not des Fürstentums zwang den Herzog immer wieder zu neuen Verhandlungen zurückzukehren. Die Vermittlung, die Joachim von Brandenburg ihm anbot, lehnte er freilich ab; nicht einmal einer Antwort würdigte er ihn2). Eine Zeit lang war Hans Wildefür, der Bürgermeister von Hildesheim, Vermittler zwischen den streitenden Parteien. Denn mit Hildesheim stand die Stadt Lüneburg seit Ostern 1535 in sehr enger Verbindung. Beide Städte hatten damals ein Schutz- und Trutzbündnis geschlossen zur Erhaltung der alten Freiheiten und Privilegien; „vorbehalten kaiserliche Majestät und die Landesfürsten" freilich, aber es ist kein Zweifel, dass sich dasselbe zum Teil wenigstens gegen Herzog Ernst richtete). Es ist das sehr bezeichnend, dass Lüneburg mit dem damals noch katholischen Hildesheim Wildefür selbst war ein sehr eifriger Papist sich in ein derartiges Bündnis einliess.

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Eine Verhandlung im Juli 1535) führte ebensowenig zu einem Ziele wie eine andere im Jahre 15365), wo der Herzog ziemlich weitgehende Concessionen machte in Bezug auf Zoll, Jagd, Gericht und Holzrecht, die Bestätigung der Privilegien versprach, dagegen Huldigung und eine Geldhülfe forderte. Die Mönche von St. Michaelis sollen zu christlichem Leben, Wesen und Unterricht

1) Simon Reinecke (Administrator von Ebstorf) an den Herzog. Schreiben: Ostern und Sonnabend in der Osterwoche. Antwort des Herzogs, Mittwoch in Ostern 1534. Reinecke schreibt, der Bürgermeister Lutge von Dassel habe den Wunsch nach Aussöhnung zu erkennen gegeben. Er meint im ersten Schreiben, der Rat könne dem Herzoge wohl 100000 Gulden geben und 100000 Gulden auf die Sülzgüter zu 4% leihen. Im 2. Schreiben redet er jedoch nur noch von 60000 Gulden.

2) Vgl. das Schreiben Joachims vom Montag nach Laetare 1535 und Herzog Ernsts

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