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hatten dasselbe von Burgdorf bis Uelzen durchzogen und liessen höhnend dem Herzoge von Lüneburg eine Feldschlacht anbieten. Heinrich zögerte noch, endlich traf der sehnlichst erwartete Zuzug von seinem Schwiegersohne Karl von Geldern ein; mit Bischof Johann vereinigt, zog er den Feinden nach und schlug sie mit Hülfe der Geldrischen Reiter am 28. Juni 15191) bei Soltau völlig auf das Haupt. Herzog Erich und sein Bruder Wilhelm fielen als Gefangene in die Hände der Sieger.

Doch der Sieg kam zu spät; umsonst hatten die Kurfürsten von Frankfurt aus der Fehde Einhalt geboten; jetzt am Tage der Schlacht war den Siegern durch die Wahl Karls zum Kaiser ein Gegner erstanden, der ihnen den Lohn des Sieges zu nehmen drohte; denn es war natürlich, dass sich Karl V. in dieser Angelegenheit sofort auf die Seite seiner Anhänger stellte. Dies sah Heinrich der Mittlere wohl ein, und sein Streben ging dahin, die Sache vor einer Einmischung des Kaisers zu erledigen. Es fanden Verhandlungen statt, die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg, und der Erzbischof von Mainz vermittelten. Auf einem zu Zerbst im Anfang des Jahres 1520 gehaltenen Tage) wurde schliesslich eine Vereinbarung getroffen, aber dieselbe kam durch die Hartnäckigkeit der Brüder von Braunschweig-Wolfenbüttel nicht zur Ausführung. Sie hofften vom Kaiser mehr zu erlangen, und auf ihr Betreiben erging denn auch nach wenigen Monaten an die Verbündeten ein höchst ungnädiges kaiserliches Mandat, das ihnen befahl, vor dem Kaiser persönlich zu erscheinen. Als sie dann sich in Cöln dem Kaiser stellten, wurde ihnen am 15. November 1520) der Abschied erteilt, dass ihre Sache auf dem bald stattfindenden Reichstage zu Worms entschieden werden sollte. Heinrich zog es vor, sich dort durch seinen ältesten Sohn Otto vertreten zu lassen. Der Spruch des Kaisers fiel denn auch, wie zu erwarten war, ungünstig für die Verbündeten aus; durch einen kaiserlichen Erlass vom 27. Mai 1521) wurde ihnen befohlen, alle eroberten Städte und Schlösser und

1) Havemann a. a. O. p. 33 giebt irrtümlich den 29. Juni (Peter und Paul) als den Tag der Schlacht an. Sie fand, wie man das auch früher stets annahm (vgl. Spittler, Geschichte des Fürstentums Hannover I, p. 132), am 28. Juni (Vigilia Petri et Pauli) statt. Vgl. die Urkunden und Berichte bei Lünizel a. a. O. pp. 44, 46, 53 und 126, durch welche dieser Tag völlig sicher gestellt wird.

2) Die Urkunde ist gedruckt bei Lünig, Reichs-Archiv Bd. 5, Abt. IV p. 42 ff., sie ist datiert vom Dienstag nach Vincentii martyr. (24. Januar); die Versammlung war einberufen auf Sonnabend nach Trium Regum (also den 7. Januar). Bis auf den Bischof von Minden waren alle Parteien persönlich erschienen. 3) Lünig a. a. O. p. 44 f. 4) Lünig a. a. O. p. 45.

alle Gefangenen bei Strafe der Acht dem Kaiser zur Verfügung zu stellen. Als der Bischof von Hildesheim nicht gehorchte, wurde die Acht über ihn und seine Verbündeten verhängt, und mit der Vollstreckung derselben wurden die Herzöge von Calenberg und Wolfenbüttel beauftragt; der König von Dänemark sollte sie unterstützen 1).

Heinrich der Mittlere hatte sich dem drohenden Sturme nicht gewachsen gefühlt; nach dem Tage zu Cöln hatte er eingeschen, dass für ihn beim Kaiser keine Gunst mehr zu erwarten sei. Er hatte schon früher seine Söhne in die Regierung aufgenommen, jetzt verliess er sein Fürstentum ganz und begab sich zu Franz I. von Frankreich). Das erbitterte den Kaiser natürlich nur noch mehr, und so wurde die Acht auch auf ihn, „der sich bei dem Könige von Frankreich als unserem offenbaren Feind im Dienst wider seine Ehre und Pflicht wider uns erhält"), ausgedehnt, während er dies bei etwas klugem Nachgeben vielleicht hätte abwenden können; denn nicht gegen ihn, den Genossen desselben Stammes, richtete sich der Hauptgroll der feindlichen Herzöge, sondern gegen den Bischof von Hildesheim.

Am Stifte Hildesheim nahmen sie denn auch blutige Rache für die früher erlittene Niederlage, und noch heute erzählen die in diesem Kriege zerstörten Schlösser von der Wut und Erbitterung, mit der er geführt wurde. Schwer geschädigt ging das Stift aus dem Kampfe hervor, der erst im Jahre 1523 been

1) Urkunde vom 24. Juli 1521, gedruckt bei Lünig a. a. O. p. 46 ff. und in Asches von Heimburg Erzählung der Stiftsfehde bei Lüntzel a. a. O. p. 68 ff. Beide stimmen nicht ganz mit einander überein. Am 25. Juli 1521 forderte der Kaiser Heinrich von Wolfenbüttel zur Vollstreckung der Acht auf (Lünig Bd. 9, p. 268 f.); darin wird Heinrich der Mittlere nicht genannt, wohl aber die Stadt Lüneburg.

2) Havemann a. a. O. p. 82 nimmt einen doppelten Aufenthalt Heinrichs in Frankreich an. Von dem ersten um seinen Sohn Ernst aus Frankreich zurück zu holen" soll er im Februar 1520 zurückgekehrt sein. Havemann giebt sogar das Collegium der herzoglichen Räte an, das die Regierung während der Abwesenheit des Herzogs geführt haben soll, und das wird. richtig sein; dass er aber in dieser Zeit in Frankreich gewesen sei, dafür bringt Havemann keine Beweise, und es ist auch wohl eine blosse

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digt wurde; nur kurze Zeit noch führte Bischof Johann die Regierung, 1527 legte er dieselbe auf Drängen des Domkapitels nieder.

Von dem Lande Lüneburg wurde die Vollstreckung der Acht glücklich abgewandt. Der Kurfürst von Sachsen und sein Bruder Johann, die Oheime der jungen Herzöge, nahmen sich mit Rat und That ihrer an; sie richteten eine ernste Ermahnung an die Herzöge von Calenberg (der bei Soltau gefangene Herzog Erich war schon von Heinrich dem Mittleren gegen Lösegeld freigegeben) und Wolfenbüttel, gegen die jungen Herzöge nichts Feindliches vorzunehmen, sonsten könnten sie der nahen Verwandtschaft halber dieselben nicht verlassen"). Dies hatte den Erfolg, dass man sich zu einem Vergleiche bereit erklärte; Anfang October 1521 wurde die Sache zu Braunschweig verhandelt, und in dem sog. Feldvertrage festgesetzt, dass beide Parteien ihre Gefangenen nach geschworener Urfehde herausgeben, die Herzöge von Lüneburg an Erich das eroberte Schloss Wölpe zurückgeben, die Herzöge von Calenberg und Wolfenbüttel aber Fleiss anwenden sollten, dass dem Lande Lüneburg die Gunst des Kaisers wieder zugewandt werde2).

1) Asche von Heimburg bei Lüntzel a. a. O. p. 81.

2) Der Vertrag ist vom Donnerstag nach Dionysius (12. October) 1521. Die jungen Herzöge wollten anfangs nicht ohne den Bischof

von Hildesheim einen Vertrag abschliessen, sie thaten dies erst, als sie hörten, dass auch der Bischof hinter ihrem Rücken Unterhandlungen begonnen habe.

I. Abschnitt.

Die Einführung der Reformation im Fürstentum Lüneburg bis zum Jahre 1530.

Die Söhne Heinrichs des Mittleren.

Durch die thätige Hülfe der Fürsten von Sachsen war zwar dem Lande der Friede wiedergegeben, aber doch war aber doch war es eine schwere Last, welche die Söhne Heinrichs bei ihrem Regierungsantritt auf ihre jungen Schultern nehmen

mussten.

Von den drei Söhnen Herzog Heinrichs war der jüngste, Franz, erst 1508 geboren1), noch unmündig; die Brüder hatten sich verpflichtet, für seine Erziehung Sorge zu tragen. Herzog Otto, der Älteste 2), war wenig begabt, ohne Sinn für die Staatsgeschäfte, ein ziemlich unselbständiger und oberflächlicher Mensch, der mehr dazu passte zu gehorchen, als zu herrschen. Thatsächlich stand er auch völlig unter dem Einflusse seines jüngeren Bruders Ernst, mit dem er formell die Regierung gemeinsam führte 3). Nie hat man in der Zeit seiner Mitregierung den Eindruck, als ob Otto einen wirklichen Anteil an den Geschäften oder einen Einfluss auf dieselben gehabt habe, er tritt ganz in den Hintergrund; sein Name wird in den Urkunden genannt, das ist aber auch alles. Muss

1) Am Tage des heil. Clemens (23. November), vgl. Spalatinus, Vitae aliquot Elect. Saxon. bei Mencken script. rer. Germ. II, p. 1102.

2) Er war geboren am Tage Felix und Eusebius (14. August) 1495, der Tag fiel jedoch in diesem Jahre auf einen Freitag, nicht,

wie Spalatin a. a. O. angiebt, auf einen Donnerstag.

3) Schon 1517 am Tage Matthaei apli. hatten beide Brüder dem Vater versprochen, die dereinst anzutretende Regierung nimmer zu teilen und die Diener zu gemeinsamer Pflicht stehen zu lassen. Vgl. Havemann p. 84. Anm. 2.

er gelegentlich seinen Bruder vertreten, so schiebt er die Geschäfte lieber auf, als selbständig eine Entscheidung zu treffen1); ja, um seinen Rat befragt, hält er es nicht für thunlich, denselben zu geben, erklärt sich aber mit dem einverstanden, was sein Bruder bestimmen werde). Entsprang diese Unterordnung aus einer richtigen Erkenntnis seiner selbst, so kann man sie ihm nicht hoch genug anrechnen. Schon im Jahre 1527 überliess er seinem Bruder gegen die Abtretung von Harburg die Regierung ganz3).

Ähnlich war auch später das Verhältnis zwischen Ernst und Franz, der erst sehr spät, mit 28 Jahren (1536), Mitregent wurde1) und schon nach drei Jahren mit dem Amte Gifhorn und Kloster Isenhagen abgefunden wurde. Hier war es naturgemäss, dass der jüngere Bruder seine Handlungen von der gereifteren Einsicht des älteren, der gewissermassen Vaterstelle an ihm vertreten hatte, leiten liess. Nur sehr wenig tritt auch Franz hervor.

So war es Ernst, auf dem besonders in der schweren Zeit nach der Abreise des Vaters die Sorgen der Regierung ruhten. An Klugheit, Willenskraft und Einsicht dem älteren Bruder bei weitem überlegen, besass er in jeder Hinsicht die nötige Befähigung zum Regenten. Nach einer recht glaubwürdigen, wenn auch historisch nicht genügend bezeugten Nachricht, hatte ihn sein Vater in richtiger Erkenntnis des Charakters und der Anlagen seiner Söhne zum dermaleinstigen Herrscher bestimmt), während er für seinen jüngsten Sohn Franz das Bistum Hildesheim zu erwerben trachtete).

An einer guten Erziehung liessen es die Eltern nicht fehlen. Schon früh, erst 15 Jahr alt war am 26. Juni 14977) zu Uelzen in dem damaligen

Fürstenhause, der späteren Schule, geboren

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wurde er mit seinem Bruder Otto

6) Beschreibung der Stiftsfehde von Paul Busch: Archiv des hist. Vereins für Niedersachsen. 1846, p. 159.

7) Einzige Quelle für den Geburtstag Ernsts ist die etwa 30 Jahre nach seinem Tode angefertigte Grabschrift in der Stadtkirche zu Celle (Spalatin ist hier unbestimmt). Dieselbe ist abgedruckt bei Bünting a. a. O. und zwar mit dem richtigen Datum (26. Juni), wie ich durch gütige Mitteilung des Herrn Pastors Kreusler erfahren habe. Falsch ist der 27. Juni, welchen Steffens in seinen histor.-diplomatischen Abhandlungen über Celle p. 208, wo er die Grabschrift ebenfalls abdruckt, angiebt.

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