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in allen wesentlichen Punkten dem Herzoge entgegen kommt. Das Capitel konnte den Streit nicht mehr weiter führen, es sah ein, dass es auch materiell das beste sei, nachzugeben, und die Zeit mochte die Mehrzahl der fünf übrig gebliebenen Mitglieder des Domcapitels1) der Reformation zugeführt haben.

Auf Grund dieser Anerbietungen kam es dann am Montage nach Exaudi (10. Mai) 1540 in Medingen zu einem völligen Ausgleich. Es kam ein Vertrag zustande, in welchem die Vorschläge des Capitels im wesentlichen angenommen wurden 2). Die Domherren sollen ihre Renten auch dann weiter beziehen, wenn sie sich verheiraten. Die nächste erledigte Präbende soll zur Besoldung des Predigers verwandt werden); um die Studierenden besser unterstützen zu können, wird das Beneficium für die Abwesenden erhöht1). Die Ernennung des Propstes behält der Fürst sich vor), dagegen gestattet er freie Wahl des Decans). Etliche von dem Herzoge früher Belehnte werden von den Abgaben „pro fabrica und pro structura" befreit, sonst sollen dieselben jedoch auch ferner gezahlt werden. Auch in betreff der Briefe und Siegel, sowie darin, dass die Domherren nur vor dem Fürsten oder dem Hofgerichte zu Recht stehen sollen, gewährt der Herzog die Bitte des Capitels. Die Verleihung der Präbenden „in ordinario mense" sollen die jetzt lebenden Domherren behalten, nach ibrem Tode soll darüber eine neue Vereinbarung erfolgen. Die eingezogenen Güter werden zurückgegeben).

Auch mit Bardowik stand ein Ausgleich nahe bevor. Freilich hatte der

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sie ernannte, nehmen sie wohl eine ähnliche Stellung ein, wie die Verwalter in den Frauenklöstern.

6) Der Herzog hatte jedoch die Bestätigung desselben. Vgl. die Urkunde von 1541, Donnerstag nach Praesent. Mariae (Heimbürger a. a. O. p. 181 ff.).

7) Als im Jahre 1629 Herzog Christian wegen des Restitution sedictes die Berichte von den Klöstern und Stiftern einforderte, wann in denselben die Reformation durchgeführt worden sei, gab auch der Senior Joh. Davörde denselben: Memorial wegen des uralten mutilierten, nunmehr aber fast unter die Füsse getretenen Stiftes Ramelsloh (Des. 49, Reform. der Stifte und Klöster 4). Er sagt darin, der Herzog habe diesen Vertrag vom Montag nach Exaudi 1540 nicht gehalten, zählt ungeheure

Erzbischof Christoph den Prozess beim Reichskammergerichte wieder aufgenommen, besonders darüber erzürnt, dass Herzog Ernst die Mariencapelle in Bardowik, wo noch viel Reliquiendienst getrieben wurde, hatte abbrechen lassen. Infolge dessen waren am 16. April und 24. October 1540 Pönalmandate gegen Herzog Ernst ergangen, die aber gar keinen Erfolg hatten1). Auch die eifrigsten Anhänger des Erzbischofs wandten sich von diesem ab und hielten es für geratener, sich mit dem Herzoge zu versöhnen. Das gewaltsame Vorgehen Christophs gegen das Verdener Domcapitel hatte ihn verhasst gemacht, und eine Vermittlung seines Bruders Heinrich von Wolfenbüttel nützte nichts 2). Auch jener Ratger Holsten, den wir als Hauptbeförderer der geplanten Vereinigung der beiden Stifter kennen gelernt haben, erlangte die Gunst des Herzogs und damit auch seine Einkünfte im Fürstentume wieder 3).

So wurde es dem gewandten Balthasar Klammer nicht allzu schwer, nach einiger Zeit eine völlige Versöhnung herbeizuführen, obwohl noch immer unter den Stiftspersonen eine katholische Partei vorhanden gewesen zu sein scheint1).

Eine zu Winsen verabredete Besprechung kam nicht zustande"), auch ein Tag, welchen Klammer auf den 18. October 1543 festgesetzt hatte und der zu Uelzen stattfinden sollte, wurde noch in der letzten Stunde nach Medingen verlegt). Die Zusammenkunft fand hier statt, und man einigte sich in ähnlicher

Besitzungen auf, die das Stift gehabt habe, und fordert, dass dasselbe jetzt wieder mit Bremen vereinigt werde.

Auch andere Güter der Verdener und Bremer Diöcese wurden jetzt allmählich wieder restituiert, Iweil sich die Besitzer derselben mit dem Herzoge aussöhnten. So wurden 1541 dem Oldenkloster bei Buxtehude seine Güter zurückgegeben, als der Propst des Oldenklosters Decan zu Ramelsloh wurde. Urk. vom Sonnabend nach dem heil. Christtag 1542 (1541). (H. St. A. Des. 55, Ramelsloh 9).

1) Schlöpke a. a. O. p. 372.

2) Spangenberg a. a. O. p. 180 f.

3) Am Donnerstag nach Nativ. Christi 1542 (29. Decbr. 1541) nimmt Herzog Ernst Ratger Holsten wieder in seine Gunst auf und giebt allen seinen Hauptleuten Befehl, ihn frei passieren zu lassen (Des. 55, Ramelsloh 9). Am

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Mittwoch nach Matthaei (28. Sept.) 1541 waren ihm als Entschädigung für die Einkünfte seiner Propstei (er war inzwischen Propst zu St. Andreas in Verden geworden) vom Herzoge 40 Mark versprochen.

4) Schlöpke a. a. O. p. 374.

5) Balth. Klammer an das Capitel von Bardowik, Celle, am Freitag nach Francisci (5. October) 1543 (Concept). In dieser Urkunde wird der Tag auf den 18. October 1543 nach Uelzen angesetzt, so dass damit die Ansicht beseitigt wird, als ob schon etwa am 9. October zu Uelzen ein Tag stattgefunden habe, wie dies Schlöpke (p. 373) nach dem Capitelbuche (circa Dionysii) angiebt.

6) Klammer an das Capitel, Oldenstadt, Dienstag nach Burchhardi (16. October) 1543. b. Schlöpke, p. 373 f.

Weise, wie dies früher mit Ramelsloh geschehen war, nur sind die Bestimmungen detaillierter und für das Stift Bardowik günstiger als für Ramelsloh.

Natürlich erlischt mit dem Vertrage der vor dem Kammergericht noch immer durch den Erzbischof für das Capitel geführte Prozess gegen den Herzog, und ebenso ist es eine Grundbedingung des Vertrages, dass die Canoniker durch ihren Lebenswandel keinen Anstoss geben und sich nach der Kirchenordnung des Fürstentums halten sollen. Fühlt eine der Stiftspersonen jedoch keine Neigung, die Ceremonien nach lutherischer Weise zu halten, so soll sie dazu nicht gezwungen werden. Es dringt hier also noch einmal jene Bestimmung des Landtages vom August 1527 durch, nach welcher man es den Stiftern Bardowik und Ramelsloh in ihr Gewissen heimstellte, wie sie es mit den Ceremonien halten wollten. Praktische Bedeutung hatte dies jetzt wohl kaum noch, der grösste Teil der Canoniker war, wie wir annehmen müssen, zum Luthertume übergetreten; auch wurde ja eine Wiedereinführung katholischer Ceremonien durch die Bestimmung unmöglich gemacht, dass die Canoniker sich nach der Kirchenordnung des Fürstentums halten sollten.

In betreff der Verwahrung der Briefe und Siegel, der Lieferung eines Inventars1) und der Erhaltung der Kirchendiener und des Prädicanten werden dem Capitel von Bardowik dieselben Pflichten auferlegt wie dem von Ramelsloh, und der Herzog erhält dieselben Rechte in betreff der Ernennung des Propstes 2) und der Verleihung der Präbenden und Vicarien im Papstmonate. Die Formel für den Eid, welchen die Canoniker dem Herzoge zu leisten haben, wird festgesetzt3). Einigen Domherren wird es erlaubt, in der Stadt Lüneburg zu wohnen. Der Prädicant (der auch zugleich Superintendent ist) und der Schulmeister werden dem Herzoge präsentiert und vom Landessuperintendenten geprüft.

Mehrfache Doppelbelehnungen waren vorgekommen, der Herzog hatte mehreren seiner Beamten erledigte Präbenden übertragen, das Capitel aber hatte

1) Das Inventar ist binnen zwei Monaten dem durchlauchtigen hochgeborenen Fürsten und zu liefern. Herren Ernst, Herzog zu Br. u. L. und s. f. G. Erben treue und hold sein und s. f. G. und der Kirche und Stifts zu Bardowik Ehre und Nutz fördern; so wahr helfe mir Gott und sein

2) Mit der Präpositur soll die 12. und letzte der Präbenden verbunden werden. Die Wahl des Decans ist auch hier frei.

3),,Ich N. N. gelobe und schwöre, ich wolle heiliges Wort."

diese Belehnungen nicht anerkannt, sondern andere für die Präbenden ernannt. Manchen von denen, welche der Herzog belehnt hatte, kaufte man ihr Recht ab, andere liess man in dem Besitze der Beneficien; auch der Herzog gab in einigen Punkten nach. - Werden die Präbenden zu Studienzwecken verliehen, so sollen sie zurückgegeben werden, wenn der Betreffende das Studium verlässt, oder nicht in den Dienst des Fürsten tritt.

Der „Structuarius" soll jährlich auf Lichtmess im Beisein von Propst und Capitel Rechenschaft von der „,fabrica“ und „structura" ablegen. Die „Gradus ordinationis" sollen aufhören, jeder soll nach dem Alter in die Präbenden einrücken. Auch der „annus disciplinae" soll abgeschafft werden, anderes dagegen, wie der „annus gratiae“ und „ad structuram", sowie die Abgaben der neu eintretenden Mitglieder sollen bestehen bleiben. Auch in Bardowik sollen die Canoniker nicht unter den Amtsleuten, sondern unter dem Fürsten und dem Hofgerichte stehen.

Alles dies soll vorbehaltlich eines freien Concils oder anderer Beschlüsse des Kaisers, der Fürsten und Stände durchgeführt werden.

Der Herzog wird die Canoniker durch seine Amtsleute in die ihnen zukommenden Wohnungen einweisen lassen, welche sie jedoch selbst erhalten müssen; er wird dem Stifte seine Güter zurückgeben und auch Sorge tragen, dass die von andern entfremdeten restituiert werden 1).

Am 10. November fand in Celle die feierliche Besiegelung und Vollziehung dieses Vertrages statt 2). Und am folgenden Sonntage begaben sich im Auftrage des Herzogs der Kanzler Förster, der Hauptmann von Winsen Johann Haselhorst, Balthasar Klammer u. a. nach Bardowik und wiesen in Gegenwart aller Capitelspersonen und der Stiftsmeier die Domherren wieder in den vollen Besitz ihrer Güter ein3).

Bardowik trat damit wieder in alle seine früheren Rechte ein, es hatte auch jetzt noch immer Sitz und Stimme in den Landtagen des Fürstentums; doch hatte dies Recht der damit verbundenen Kosten wegen für das Capitel nichts

1) Vertrag aufgerichtet zu Medingen am Donnerstage nach Galli (18. October) 1543, (Copie im H. St. A.).

2) Urkunde des Kanzlers Klammer, Freitag nach Galli 1543.

3) Aus dem Capitelbuche. Die „stattliche Rede des Kanzlers" hat Schlöpke hinzugesetzt.

Angenehmes, so dass dasselbe später offen den Wunsch äusserte, dass es von dem Füten dieser Last überhoben werden möchte1).

Zweiter Aufenthalt des Urbanus Rhegius in Lüneburg.

In Lüneburg war, wie wir sahen, im September 1531 die Kirchenordnung des Urbanus Rhegius durch ein (etwas zweideutiges) Mandat des Rates eingeführt, aber es waren damit noch nicht zugleich feste, geordnete Zustände geschaffen. Zwar waren einige Patricier, unter ihnen besonders die Witzendorfs, der Reformation gewonnen, aber durch den fortdauernden Gegensatz zwischen Patriciern und Bürgern wurde der Rat mit einer gewissen Notwendigkeit auf die Seite der Gegner der Reformation gedrängt, denn die Prädicanten standen auf Seiten der Bürger. Ein Gegensatz in den politischen Ansichten wurde ja in jenen Zeiten allzu oft als religiöser Gegensatz aufgefasst und angesehen. Der Rat hätte der religiösen Bewegung freier gegenüber gestanden und sich derselben vielleicht eher angeschlossen, wenn sich nicht damit der Begriff des Aufruhrs, der Bürgerbewegung, die Furcht vor dem Verlust der Standesprivilegien und materiellen Vorteile verbunden hätte.

Der Superintendent Heinrich Ratbrock war einer so schwierigen Lage nicht gewachsen. Daher wandte sich der Rat abermals an Rhegius der als Landessuperintendent, wie es scheint, auch inzwischen eine gewisse Oberaufsicht ausgeübt hatte2) und bat ihn noch einmal nach Lüneburg zu kommen und das Werk, welches er begonnen habe, weiter zu führen und die innere Organisation der Lüneburger Kirche zu vollenden.

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Rhegius folgte dem Rufe, und sein Aufenthalt war diesmal auf längere Zeit berechnet, er brachte daher auch seine Familie mit. Er trat jetzt ganz in den Dienst der Stadt, er wurde Superintendent an Stelle Ratbrocks. Seine Wohnung nahm er jetzt nicht mehr im Fürstenhause, sondern in der Propstei, die Coller inzwischen wohl verlassen hatte. Mit dieser Veränderung seiner Stellung zur Stadt mag es zusammenhängen, dass die Lüneburger Chroniken von Schomaker und Elvers nur diesen Aufenthalt Urbans in Lüneburg erwähnen.

1) Vgl. Havemann a. a. O. Bd. III, p. 105 f. | angenommener Prädicant zur Prüfung und Or2) Ihm und nicht Ratbrock wurde ein neu dination überwiesen. Vgl. Uhlhorn p. 188.

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