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den 12 Bardowiker Präbenden sollen 9 zu den 15 Verdener gelegt werden, davon sollen 8 Priester, 8 Diaconi und 8 Subdiaconi erhalten werden. Zu dem Unterhalt derselben werden bestimmte Sülzgüter angewiesen; von den übrigen Bardowiker Einkünften sollen die Schulden des Stiftes bezahlt werden. Die Rangordnung wurde so festgesetzt, dass auf den Propst von Verden der von Bardowik folgen solle und dann immer abwechselnd ein Canoniker von Bardowik auf einen Verdener1). Den Bardowikern wird gestattet, sich ihren Wohnort zu wählen, in Bardowik, Verden oder Lüneburg dürfen sie wohnen. Briefe und Siegel sollen getrennt bewahrt werden, und die Erhaltung der Kirchen soll jedes Stift aus eignen Mitteln bestreiten. Die Verleihung der Präbenden soll abwechselnd erfolgen 2).

Ein Teil der Canoniker von Bardowik war gewonnen, besonders auch der Decan Thuritz und unter andern Ratger Holsten, der Decan von St. Andreas in Verden und zugleich Canoniker von Bardowik, ein wüster Geselle, der erst vor kurzem einen Bürger von Bremen erstochen hatte. Er scheint ganz besonders eifrig dafür gewirkt zu haben, auch ist er später bei Herzog Ernst in ganz besonderer Ungnade gewesen.

Aber weder der Herzog noch der Rat von Lüneburg waren mit dieser Vereinigung der beiden Stifter einverstanden. Die Drohungen Ernsts, sowie die Bemühungen des Bürgermeisters von Dassel) bewirkten, dass mehrere (Spangenberg nennt drei)) Canoniker, die früher ihre Zustimmung gegeben hatten, jetzt zurücktraten, und zu ihnen gesellten sich bald noch andere. Am 13. Mai 1535 protestierten sie vor Notar und Zeugen feierlich gegen die geplante Vereinigung, weil dieselbe die völlige Zerstörung der Kirche von Bardowik zur Folge haben würde"). Auch traten mehrere der Canoniker, wenn wir der Nachricht glauben dürfen, jetzt zum Luthertume über, kehrten nach Bardowik zurück und richteten sich in den „Gütern und Curien" des Stiftes ein, so gut sie konnten1).

Jedenfalls näherte man sich jetzt dem Herzoge wieder, und der allmähliche

1) Schlöpke a. a. a. O. p. 366 giebt die Namen.

2) Die Urkunde im Auszuge bei Spangenberg, Verdener Chronik, p. 172 ff.

3) Aus dem erwähnten gleichzeitigen Copialbuche.

4) Spangenberg a. a. O. p. 173.

5) Die Protestation surkunde findet sich bei Schlöpke p. 367 f., darin sind genannt ausser dem Senior, 8 Inhaber von grossen und mittleren Präbenden, 3 von kleinen Präbenden und 3 Vicare.

Ausgleich, der jetzt herbeigeführt wurde, ist besonders einem Manne zu verdanken, der jetzt neben Förster am herzoglichen Hofe thätig war.

Balthasar Klammer war am Ende des 15. Jahrhunderts zu Kaufbeuren geboren, in Ingolstadt und Leipzig hatte er studiert, 1532 wurde er zu Marburg Licentiat der Rechte, schon seit längerer Zeit war er ein Anhänger Luthers. Er wurde (1532) von Herzog Ernst nach Celle berufen und ist bis an sein Lebensende (er starb im Jahre 1578) im Dienste der Herzöge von BraunschweigLüneburg geblieben. Er war ein sehr gewandter, kluger und tüchtiger Mann, und seinem Einflusse ist hauptsächlich der allmähliche Ausgleich zu danken, der nach dem Tode Herzog Ernsts in allen streitigen Fragen herbeigeführt wurde. Schon 1535 war er neben Förster, dessen Schwiegersohn er auch geworden war, Kanzler des Fürstentums, später hat er ihn ganz ersetzt1).

Auch der Herzog neigte Bardowik und Ramelsloh gegenüber zum Frieden; an eine völlige Aufhebung der Stifter hat er wohl nie gedacht, nur das wollte er erreichen: Annahme des Luthertums durch die Canoniker und Beaufsichtigung der Verwaltung durch fürstliche Beamte.

Das Capitel begann die Verhandlungen wieder, die seit mehreren Jahren geruht hatten. Es wandte sich in der Mitte des Jahres 1535 an Förster und Klammer und gab seinem Wunsche nach Frieden Ausdruck. Sie bitten, sich bei dem Herzoge für die Restitution der Güter zu verwenden. Die Forderungen des Fürsten möge man ihnen übersenden und herzogliche Räte zur Verhandlung und Besprechung abordnen. An ihnen soll, so weit sie es vor ihrem Gewissen verantworten können, kein Mangel der Billigkeit erfunden werden 2). Die Stadt wagen sie freilich aus Furcht vor dem Herzoge noch nicht zu verlassen.

Der Fürst habe, so antwortet Förster, stets gewünscht, dass sie ihm den gebührenden Gehorsam erwiesen und nie etwas Unbilliges von ihnen verlangt. Die einzelnen Forderungen des Herzogs werden dann noch einmal genau präcisiert: Die Domherren sollen sich der ungöttlichen Ceremonien und der Concubinen enthalten. Sie sollen Rechenschaft geben von den Einkünften der „Fabrica", Briefe und Siegel sollen hinterlegt und eine Verschreibung darüber aus

1) Vgl. Manecke, Biographische Skizzen von 2) Das Capitel von Bardowik an Förster den Kanzlern der Herzöge von Braunschweig- und Klammer, Sonnabend nach Margaretha Lüneburg (insbesondere die Biographie des (19. Juli) 1533.

Kanzlers Klammer) p. 144 ff.

gestellt werden, dass sie ohne Bewilligung der Landschaft oder des Stiftes nicht veräussert oder weggebracht werden. Die von dem Fürsten mit Präbenden Belehnten soll man in dem Besitze derselben lassen. Der Fürst tritt in Beziehung auf das „jus patronatus" bei der Verleihung der Präbenden in die Rechte des Bischofs und des Papstes, diesen dürfen die Canoniker sich nicht mehr durch Eidesleistung verpflichten; falls ihnen daraus Schaden erwächst, wird der Herzog ihnen denselben ersetzen. Die Canoniker sollen zu den Lasten des Fürstentums beitragen, dafür will sie der Herzog in ihren Gütern, Renten und Einkommen lassen und schützen; auch will er, wenn sie ein christliches Leben führen, etliche Präbenden noch unter sie teilen, damit sie um so besser auskommen können 1).

Allein es kam noch nicht zur Vollziehung eines Vertrages. Ob die Domherren auf Grund dieser Bedingungen überhaupt nicht verhandeln wollten, oder ob der Ausgleich durch äussere Einflüsse gehindert wurde, ist wohl nicht zu entscheiden.

Der Bischof von Verden, schwer beleidigt durch die Protestation, forderte jetzt bei Strafe des Bannes, dass die Canoniker den beiden Hauptanhängern der Unionspartei, dem Decan Thuritz und Ratger Holsten, welche ihren Wohnsitz in Verden nehmen wollten, auch ihre Einkünfte dorthin ausfolgen liessen, was man verweigert hatte und auch jetzt wohl nicht gethan haben wird). Der Decan vertrug sich wieder mit seinem Capitel, und der Herzog trat jetzt dem Bischofe von Verden gegenüber auf die Seite der Domherren. Er zog sämtliche im Lüneburgischen gelegenen Güter des Stiftes Verden ein; wer etwas davon zurückhaben wollte, musste sich persönlich an den Herzog wenden 3). Der Erzbischof suchte natürlich, so viel er konnte, Gleiches mit Gleichem zu vergelten.

Als im Januar 1538 mit der Stadt Lüneburg der alten Streitigkeiten wegen neue Verhandlungen stattfanden, da wies der Rat jedes Eingreifen in die Verhältnisse des Stiftes abermals zurück, versprach jedoch zu einem gütlichen Aus

1) Förster an das Capitel, Celle, Sonnabend nach Jacobi apost. (31. Juli) 1535.

hat, etliche im Fürstentume gelegene Güter zurück, die etliche wenig Jahre durch unsere 2) Urkunde Christophs, d. d. Verden am Amten aus beweglichen Ursachen aufgehalten 13. October 1535, bei Schlöpke p. 369 f.

3) So giebt der Herzog 1539 am Tage Visitat. Mariae einem gewissen Heinrich von Hoff, der eine Vicarie zu St. Jacobi in Verden

worden (H. St. A. Des. 48, Klostersachen 10). Vgl. Spangenberg a. a. O. p. 173 f.: Etliche lösten die eingezogenen Güter durch Anlehen, die sie dem Herzoge gaben, wieder ein.

gleich wirken zu wollen. Es fand denn auch eine Besprechung statt1), und kam es auch zu keiner völligen Versöhnung, so einigte man sich doch dahin, die Sache vor die evangelischen Stände zu bringen und sie von diesen entscheiden zu lassen. Das zeigt, wie sehr sich das Domcapitel bereits dem Luthertume genähert hatte.

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Am Dienstag nach Palmarum 1538 entwarfen die in Braunschweig versammelten „Kurfürsten, Fürsten und anderen Stände" einen Vergleich, der im wesentlichen dem Herzoge günstig war. Freilich willigte dieser ein, die Kleinode Briefe und Siegel in Lüneburg gegen eine Verschreibung des Rates zu lassen, und nur wenn dieser dieselbe verweigerte, sollten sie bei dem Rate zu Uelzen deponiert werden; auch will der Herzog den evangelischen Ständen zu Gefallen" auf die Verleihung der „in ordinario mense" erledigten Präbenden verzichten und nur über die im Papstmonat freiwerdenden verfügen. Das Capitel soll dieselben aber zu Stipendien für das Studium von Geistlichen verwenden. Nach alter Weise soll das Aufrücken der Canoniker von Präbende zu Präbende erfolgen, mit dem Tode aller jetzt lebenden Domherren soll dies aufhören. Natürlich ist es eine Voraussetzung des ganzen Vertrages, dass die Stiftspersonen kein ärgerliches, unchristliches Leben führen, die ungöttlichen Ceremonien aufgeben und sich der Kirchenordnung des Fürstentums fügen. Sie sollen Pfarrer, Schulmeister und Kirchendiener unterhalten; die Belehnten sollen sich dem Fürsten eidlich verpflichten. Nehmen sie diesen Vertrag an, so will der Herzog die eingezogenen Landgüter zurückgeben, ohne jedoch die Einkünfte, die er aus denselben in den verflossenen Jahren genossen hat, zu ersetzen. Fügen sich dagegen die Canoniker dem Vertrage nicht, so fordern die evangelischen Stände von dem Rate von Lüneburg, dass er für die von dem Herzoge Belehnten die auf der Sülze belegenen Güter des Stiftes einziehe2).

Allein auch jetzt kam es noch nicht zur Vollziehung des Vertrages; früher dagegen kam man mit Ramelsloh zu dem gewünschten Ziele.

Das Capitel von Ramelsloh hatte sich, wie wir erwähnten, in seinen Handlungen im ganzen Bardowik zum Vorbilde genommen; Briefe und Siegel waren

1) Vgl. Havemann p. 126. Die dort erwähnten Forderungen habe ich nicht auffinden können. Die genauere Zeit ergiebt sich aus mehreren später anzuführenden Aktenstücken.

2) Der evangelischen Stände Erkenntnis in Irrungen zwischen Herzog Ernst und dem Capitel von Bardowik, Braunschweig, Dienstag nach Palmarum (16. April) 1538.

nach Lüneburg in Sicherheit gebracht; und die Domherren selbst hatten ihre Wohnung in der Stadt genommen. Der Herzog hatte dieselben Massregeln gegen sie ergriffen wie gegen Bardowik, hatte die Güter des Stiftes mit Beschlag belegt und den Canonikern nicht gestattet, sich ungehindert im Fürstentume aufzuhalten.

Jetzt war das Capitel völlig zum Frieden geneigt, daher erlaubte der Herzog ihnen auch wieder, sich frei im Lande zu bewegen und sich mit andern zu beraten. - In einem Schreiben an den Herzog gaben die Canoniker ihre Friedensliebe offen kund1): Sie willigten in eine völlige Reformation des Stiftes und baten nur um die Bestätigung der Privilegien, welche dem göttlichen Worte nicht unangemessen seien. Sie ersuchen den Herzog ferner, ihnen die Freiheit des jus patronatus" zu lassen, aber sie wollten die erledigten Präbenden nur ,,personis abilibus", d. h. solchen, die wahrhaftiglich in studiis universalibus gute Künste gelernt haben", verleihen. Dieselben sollen verpflichtet sein, bei

der Kirche zu residieren und ihr zu dienen 2).

Auch wollen die Stiftsleute, die ja nicht die Geschicklichkeit besitzen, wie sie von „personis ecclesiasticis" billig gefordert werden muss, sich nach Kräften bestreben, Besserung zu schaffen und Gottes Ehre und des Fürstentums Wohlfahrt zu befördern. Auch mit der Verleihung der im Papstmonat erledigten Beneficien durch den Fürsten erklären sie sich einverstanden. Dagegen bitten sie Briefe und Siegel beim Stifte zu lassen, sie wollen für dieselben Caution stellen und ein Verzeichnis ihrer Einkünfte und Güter einliefern. Die Abgabe, welche jeder Neubelehnte zahlen müsse, möge der Fürst bestehen lassen, dieselben würden zur Erhaltung der Kirche verwandt, und die Einkünfte „pro fabrica“ seien nur gering. Endlich fordern sie noch, dass der Herzog ihnen die Freiheit der geistlichen Personen lassen und nicht zugeben möge, dass sie vor das „,buernrechte" citiert oder von den Vögten gequält würden. Fiele etwas vor, so möge der Fürst mit den Superintendenten einschreiten.

Das ist in kurzen Worten der Inhalt des Schreibens, das, wie man sieht,

1) Dasselbe ist undatiert, aber im Original | 5 Praebendae majores und 3 Kindspräbenden, vorhanden mit den Siegeln des Decans und des ausserdem 4 Vicarien. Auch hier rückten die Seniors (Des. 49. Ramelsloh 4). Canoniker allmählich bis zum Seniorat auf, Propst

2) Es gab (Propst und Decan mitgerechnet) und Decan wurden gewählt.

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