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Er habe als Patron des Klosters und als verordnete Obrigkeit des Fürstentums nach dem Tode Boldewins ein Einsehen haben müssen, damit im Kloster unordentliche und strafwürdige Misbräuche und ungöttliches Leben abgethan und alle Sachen zu zeitlicher und ewiger Wohlfahrt nach göttlicher Wahrheit geordnet werden möchten. Darum habe er sie zweimal durch seine Räte beschickt, allein

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es sei fruchtlos gewesen. Er Ratbrock werde wohl denken können, wer daran Schuld sei, und Coller sei der Schlimmsten einer. Diese Leute hofften noch immer Tag und Nacht darauf, dass das Papsttum wieder aufgerichtet werde. Glaubwürdig sei ihm versichert, dass man in Lüneburg den Bürgern vorrede, er der Herzog wolle das Kloster St. Michaelis besetzen und von dort aus künftig die Stadt beschweren und schädigen, woran er, bei Gott! nie gedacht habe. Ratbrock soll sich mit Urbanus Rhegius in Verbindung setzen, und beide sollen so viel als möglich bei dem Prior für den Herzog wirken1).

Gestützt auf sein Recht, das er als Patron des Klosters zu haben glaubte, wollte der Herzog demselben seine Verwaltung aufzwingen. Das suchte der Rat natürlich ganz besonders zu verhindern, ihm musste umgekehrt daran gelegen sein, das Kloster jetzt, wo die Gelegenheit so günstig war, ganz mit der Stadt zu vereinigen.

Herbord von Holle war auch jetzt noch im Innern durchaus der Reformation zugethan 2), als einfacher Conventual würde er wohl öffentlich zum Luthertume übergetreten sein. Sein Amt legte ihm andere Pflichten auf; er war ein Verstandesmensch, der Vorteil und Nachteil scharf gegen einander abwog. Sein Verhalten in dieser schwierigen Lage hat das Kloster vor der Säcularisation gerettet.

Die Gefahr wuchs; vor dem Herzoge gab es für das Kloster nach seinem Ermessen keine andere Rettung mehr als in dem Anschlusse an den Rat. Die früheren Privilegien Sigismunds und Friedrichs ernannten auch die „Consules" der Stadt zu Beschützern der Rechte des Klosters; auch zwei Verträge zwischen der Stadt und dem Kloster verpflichteten den Rat dazu3). Bislang hatte man

1) Herzog Ernst an den Rat und lieben Getreuen Heinrich Ratbrock, d. d. Zelle, Sonntag nach Anthonii (19. Januar) 1533 (Copie im L. A.).

2) Betreffs der Änderung des Gottesdienstes,

die durch ihn vorgenommen sein soll, vgl. p. 157, Anm. 1.

3) Die Verträge sind vom 17. October 1406 und vom 24. October 1488 (Lüneb. Urkundenbuch).

nie Gebrauch davon gemacht, jetzt beriet sich der Convent darauf und bat am 3. Januar 1533 den Rat um seinen Beistand.

Aber der Rat wollte diesen nicht ohne Gegenleistung gewähren.

Am

5. Februar liess er durch Hartwig Schomaker, den wortführenden Bürgermeister, dem Anwalte von St. Michaelis mitteilen, er wolle seinen früher eingegangenen Verpflichtungen genügen, falls auch der Convent verspreche bei dem Rate und der Stadt auch im Falle eines Conflicts mit dem Herzoge ungetrennt zu bleiben und keine Neuerungen in der Verwaltung und ungewöhnlichen Gebrauch des Klosters zu gestatten, der jetzt oder je der Stadt und ihren Freiheiten schädlich sein könnte1).

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Herbord zögerte, auf diese Bedingungen, die ihn völlig von dem Herzoge trennen und in die Gewalt des Rates geben mussten, einzugehen. Aber ein drohendes Schreiben des Herzogs mag seinen Entschluss beschleunigt haben. Ernst forderte genugsame und beständige Rechenschaft der Administration" und Verwahrung der Güter und Kleinodien durch die Landschaft, sowie eine gründliche Beseitigung der päpstlichen Misbräuche, und darunter verstand er auch, wie es scheint, das völlige Aufgeben des Klosterlebens). Der Abt versuchte noch einmal einen Ausgleich herbeizuführen. Ein Klosterherr wurde mit mündlichen Aufträgen und einem Briefe an den Herzog gesandt, in dem darauf hingewiesen wurde, dass auch Luther und Melanchthon das Klosterleben nicht für ungöttlich hielten. Man weist den Vorwurf zurück, dass ein goldener Kelch von den Klostergütern verkauft sei, derselbe sei vielmehr schon vor acht Jahren gestohlen. Nie würden sie sich weigern dem Landesherren unterthan zu sein. Aber durch die Leistungen für das Land sei das Kloster selbst in Not geraten, und eine Türkensteuer von 1400 Gulden sei zu viel. Die Lieferung des Inventars sei gegen die Rechte des Klosters, und eine Pension dürften sie gegen Aufgabe des Klosterlebens vom Herzoge nicht annehmen. Stets wollten sie bei der erkannten Wahrheit bleiben, durch sie werde die christliche Absicht des Fürsten nicht gehindert; aber gegen Gewalt müssten sie sich wehren3). Als man so die Forderungen des Herzogs zurückwies, liess derselbe durch seine

1) Urkunde im H. St. A. (Orig.-Arch. Des. 21, Nr. 1204).

2) Die Urkunde vom Sonnabend nach Valentini (15. Februar) 1533, gedruckt bei Heim

bürger a. a. O. p. 168 ff. und bei Bertram, Evang. Lüneburg. Beilage 2.

3) Das Schreiben (bei Gebhardi Bd. 14) ist vom Montag nach Invocavit (3. März) 1533.

Amtsleute die Güter der Abtei und des Klosters, soweit er ihrer habhaft werden konnte, mit Beschlag belegen und einziehen.

Jetzt ging Herbord auf die Bedingungen des Rates ein; am 13. März 1533 versprachen Abt und Convent dieselben zu erfüllen1). Der Rat stellte dem Kloster keinerlei Gegenrevers aus; um sich, so gut es gehen wollte, vor späteren allzuweit gehenden Forderungen des Rates zu schützen und zugleich für die spätere Zeit einen Anknüpfungspunkt mit dem Herzoge zu behalten, erklärten Abt und Convent wenige Tage später in einer geheimen Protestation vor Notar und Zeugen: Nur aus Not sei jener Vertrag gemacht, derselbe soll den Rechten des Klosters unschädlich sein, und der Rat soll sich desselben nur zum Schutze des Klosters bedienen dürfen.

Auch der katholischen Partei näherte sich der Abt wieder. Um die Bestätigung des Bischofs zu erhalten, wandte Herbord sich zunächst an den Schreiber desselben, Bernhard Droghe. Dieser antwortete am 2. März 1533, dass der Erzbischof Christoph ihn für den geeignetsten Nachfolger Boldewins, dessen Tod er tief beklage, halte. Zur Vorbereitung für sein Amt empfahl er ihm zugleich verschiedene Schriften). Dem Erzbischofe Christoph wurde dann die Wahl ordnungsmässig angezeigt, und derselbe um seine Bestätigung gebeten. Er erteilte dieselbe, vielleicht auf Antreiben des Rates, unter der Bedingung, dass Herbord sich in der gesetzmässigen Frist weihen liesse). Zum völligen Rücktritte des Abtes zum Katholicismus kam es jedoch nicht. Rhegius' Einfluss gelang es, ihn und seine Genossen dem Luthertume zu erhalten. Als er davon hörte, dass der Abt seinen früheren Gesinnungen nicht mehr treu geblieben sei, wandte er sich mit einem Schreiben an ihn: Verflucht sei, wer die Hand an den Pflug schläget und sie dann zurücke zieht", so schrieb er. Da habe, so wird uns berichtet, Herbord samt den Conventualen erschüttert erklärt, bei der erkannten Wahrheit bleiben zu wollen1).

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1) Das Orig. im L. A. ist datiert: 1533 Don- | nerstag nach Gregorii Papae; eine Abschrift im H. St. A. (Orig.-Arch. Des. 21, Nr. 1206) vom 13. März und die Protestation vom 15. März

(ebendas.). Der 13. März ist daher jedenfalls das richtige Datum, es müsste also eigentlich (da 1533 der Gregorstag auf einen Donnerstag fiel) Donnerstag Gregorii Papae heissen.

2) Das Schreiben bei Gebhardi, Bd. 14. 3) Die Urkunde mit anhängendem Siegel im H. St. A. (Orig.-Arch. Des. 21, Nr. 1208) ist vom 13. Januar 1534.

4) Gebhardi, Dissertatio de re litterali Coenobii St. Michaelis p. 92.

Schon seit längerer Zeit hatte Herbord von Holle sein Ordenskleid abgelegt und sich die Platte wachsen lassen, da er bei seinen Reisen als Prior sich'dadurch häufig den Spott des Volkes zugezogen hatte1); jetzt thaten auch die andern lutherischen Conventualen das gleiche, sie „warfen das Joch Christi ab“, wie die Nonnen von Lüne dies nannten), und gingen in „langen, ehrlichen Priesterröcken" 3). Zunächst liess man jedoch, wie es scheint, den katholischen Gottesdienst neben dem lutherischen bestehen und das noch auf längere Zeit; auch wurde den katholischen Conventualen keinerlei Zwang auferlegt; einer derselben, Georg von Gilten, ging nach wie vor in seiner Ordenstracht und blieb bis zu seinem Tode dem Katholicismus treu). Noch im Jahre 1540 klagen die Prediger der Stadt Lüneburg, dass der katholische Prediger Herr Roleves durch seine Predigten das Volk von St. Michaelis verführe3). Und auch er blieb bis zu seinem Tode ein eifriger Anhänger des Katholicismus ®).

Erst allmählich kam es zu einer besseren Verwendung der Klostergüter, als Stipendien für Studierende, zu Schulzwecken u. dgl.

Aber bevor feste Verhältnisse herbeigeführt wurden, waren noch schwere Kämpfe mit dem Herzoge zu bestehen. Freilich die eigentliche Reformation des Klosters kann man als vollendet betrachten; das Kloster nimmt jetzt eine Mittelstellung ein zwischen dem Herzoge und der Stadt Lüneburg. Der Rat führt von jetzt an für das Kloster den Streit mit dem Herzoge; ich habe überhaupt kein Aktenstück gesehen, aus dem für die spätere Zeit eine direkte Verhandlung des Herzogs mit dem Convente hervorgeht. Gerade diese Stellung zwischen den streitenden Parteien, von denen jede ein Interesse daran hatte, den Gegner zu verhindern, das Kloster an sich zu ziehen, hat es demselben möglich gemacht sich zu behaupten. Wir werden den Schluss des Streites noch bei anderer Gelegenheit kurz berühren.

Bardowik und Ramelsloh.

Noch ein anderer Streitpunkt, welcher ebenfalls die katholische Geistlich

1) Vaterländisches Archiv 1833 p. 541.

2) Gebhardi a. a. O. p. 96.

3) Hämmenstädt zum Jahre 1531.

4) Gebhardi a. a. O. p. 97.

5) Die Prediger an den Rat, 15. November 1540 (L. A.).

6) Er starb 1545 (vgl. Bertram, Evang. Lüneb. p. 75. Anm. 41). Die meisten Nachrichten über ihn stammen aus Bacmeisters Oratio de Luca Lossio.

keit des Landes betraf, bestand zwischen dem Herzoge und der Stadt Lüneburg. Bei diesem Streite handelte es sich um die Stifter Bardowik und Ramelsloh.

Wenige Tage nachdem der Herzog am 27. Juni 1529 in Bardowik gewesen war und dort Ginderich als Prädicanten eingesetzt hatte, hatten die Domherren einfach aufgehört, ihre gebräuchlichen Horen zu singen. Der Prädicant machte ihnen jedoch bemerklich, dass es durchaus nicht die Absicht des Herzogs sei, ihnen diese Gewohnheiten zu nehmen. Wenn sie nicht den inneren Drang verspürten, sie ganz abzuthun und sich ganz dem Evangelium zuzuwenden, so sollten sie ihre Gesänge nur ruhig weiter singen. „Beneficium datur propter officium", der Satz sei auch nach canonischem Rechte gültig; sie sollten sich hüten etwas derartiges zu unterlassen, sonst könne der Herzog mit Fug und Recht ihre Güter in Lüneburg mit Beschlag belegen lassen.

Ihre

Die Canoniker von Bardowik waren, wie es scheint, rechte Typen der faulen, sittenlosen genusssüchtigen Geistlichen des endenden Mittelalters. Kirche bauten sie nicht, wohl aber ihre eignen Häuser, und dort lebten sie dann mit unzüchtigen Weibern und verprassten das Gut, das sie für ihr Eigentum hielten. „Hurerei", so schreibt der Prädicant von ihnen, ist bei diesen Leuten so in Gewohnheit gekommen, dass sie sie für Keuschheit halten".

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Sie fühlten keine Neigung, die regelmässigen Tagesgottesdienste zu halten, doch Ginderich bestand darauf, forderte aber, sie sollten nicht mit dem Weihkessel in der Kirche herumlaufen, damit die Leute sie nicht verspotteten, und keine Gesänge singen, die nach Heiligenverehrung röchen"; dies thaten sie dann erst recht. Prädicant und Kirchendiener erhielten ihren Gehalt nur selten zur rechten Zeit ausgezahlt, ein Befehl des Hauptmanns von Winsen musste stets ihren Ansprüchen den nötigen Nachdruck verleihen; nur der Organist, der es mit den Canonikern hielt und zu heucheln verstand, hatte in dieser Beziehung nicht zu klagen. In dem Kirchspiel selbst herrschte unter dem Volke eine grosse Unwissenheit. Als der Prädicant dort eingesetzt wurde, waren nicht zehn Leute vorhanden, welche die Gebote, die Artikel und das Vater unser kannten. Die Canoniker suchten das Volk in dieser Unwissenheit zu erhalten; sie hinderten die Bürger von Bardowik und Lüneburg zur Kirche zu gehen. Auf dem Kirchhofe spazierten sie herum und suchten die Kirchgänger von dem Besuche des Gotteshauses zurückzuhalten; in den Wirtshäusern verspotteten sie Gottes Wort. Sie selbst hielten sich natürlich von der Predigt fern; denn sie behaup

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