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Mit verschiedenen Schriften trat Rhegius während des Bauernkrieges hervor, und seine Stellung ist auch hier, wie stets, eine gemässigte und conservative, wie sich das besonders in der Schrift zeigt: „Von Leibeigenschaft oder Knechtschaft, wie sich Herren und Eigenleut christlich sollen halten, Bericht aus göttlichen Rechten".

Von der Zwinglischen Abendmahlslehre, die sich in jenen Jahren in Süddeutschland schnell und weit verbreitete, wurde auch Rhegius ergriffen; 1526 zählte man ihn zu den Anhängern Zwinglis. Aber nur auf kurze Zeit; schon 1527, als wiedertäuferische und bilderstürmerische Gesinnungen in Augsburg um sich griffen, brachte ihn der Streit mit diesen Leuten Luther wieder näher. Er suchte jetzt zwischen Luther und Zwingli zu vermitteln, und als ihm dies nicht gelang, trat er wieder ganz auf die Seite Luthers.

In den letzten Jahren seines Aufenthaltes war Rhegius der erste unter den Predigern in Augsburg, er war der Vorkämpfer gegen die Wiedertäufer und den Katholicismus. Mit Eck hatte er, als derselbe einst in Augsburg war, ein Gespräch, aber zu einer öffentlichen Disputation, wie Rhegius sie wünschte, kam es nicht, da weder Eck noch der Rat sich darauf einlassen wollte. Die kirchlichen Zustände in Augsburg waren sehr zerfahren; die Katholiken waren noch immer zahlreich, daneben der Gegensatz zwischen Lutheranern, Zwinglianern und Wiedertäufern; die weltliche Gewalt schwach und schwankend. Rhegius suchte so viel als möglich zu vereinigen und zu vermitteln, allein auch seinem Wirken wurde ein Ziel gesetzt, als im Jahre 1530 der Kaiser zum Reichstage nach Augsburg kam. Noch am Tage seines Einzuges, am 15. Juni, gab er Befehl zur Einstellung der lutherischen Predigten, und während die evangelischen Fürsten sich diesem Gebote nicht fügten, wagte die Stadt Augsburg nicht, ihm Widerstand entgegen zu setzen. Sie liess die evangelischen Prediger fallen.

So stand dem Wunsche Herzog Ernsts, Rhegius mit sich nach Celle zu nehmen, nichts im Wege; Ende Juni nahm Urbanus das Anerbieten des Herzogs vorläufig nur auf einige Jahre an. Es ist kein Wunder, dass sich Ernst zu Rhegius hingezogen fühlte, beide Männer haben manches Verwandte in ihrem Charakter. In den späteren Schriften des Rhegius finden sich häufig dieselben Gedanken ausgesprochen, wie wir sie früher bei Ernst kennen gelernt haben, dieselben Ansichten über den Beruf des Fürsten, über die Art der Predigt u. dgl. Beide waren ausserordentlich conservative Naturen, schonend und

vorsichtig gingen sie bei der Durchführung der Reformation vor;

beide wollten, dass man das Gebäude nicht bauen solle, ehe man nicht einen ordentlichen, festen Grund gelegt habe. Wie Rhegius war auch der Herzog einer Vermittlung mit den Zwinglianern nicht abgeneigt und hat später selbst bei Luther in diesem Sinne zu wirken gesucht.

Im September verliess der Herzog mit dem Kurfürsten von Sachsen die Stadt Augsburg und kam wohl im Anfang October wieder in seiner Residenz Froh konnte er in die Zukunft blicken; denn auf seiner Reise hatte er gefunden, „dass winzig gottlob in diesen umliegenden Städten Ksl. Majestät Gnaden oder Ungnaden gescheuet, denn sie itzunder heftiger als vor nie in allen Städten predigen und das Wort Gottes fürdern."1).

Schon am 26. August hatte Rhegius von Augsburg Abschied genommen, einen Tag hatte er bei Luther in Koburg zugebracht, der stets zu den schönsten Erinnerungen seines Lebens gehört hat; noch im Laufe des September war er dann wohl in Celle eingetroffen.

Man kannte ihn in Niederdeutschland bereits, etliche seiner Schriften waren in die Landessprache übertragen, denn das gewöhnliche Volk verstand das Oberdeutsche nur sehr wenig; erst seit der Reformation dringt dasselbe immer mehr ein und verdrängt das Niederdeutsche als Schriftsprache bald völlig. Rhegius selbst ist der Landessprache wohl nicht genügend mächtig gewesen (die von ihm stammende Lüneburger Kirchenordnung ist zwar niederdeutsch geschrieben, aber sie ist wohl nur eine unmittelbare, gleichzeitige Übertragung, die ohne vorherige Niederschrift des Oberdeutschen gleich beim Dictat stattgefunden hat). Das erschwerte allerdings Rhegius den Verkehr mit dem unteren Volke und hat wohl dazu beigetragen, dass er seine Hauptwirksamkeit bei den höheren Ständen gesucht hat.

Rhegius wurde, wie man dies erst in neuerer Zeit erkannt hat3), nicht gleich bei seiner Ankunft in Celle Superintendent des ganzen Fürstentums. In seinen Briefen aus dieser Zeit unterzeichnet er sich als Pastor zu Celle. In welchem amtlichen Verhältnis er zu Heinrich Bock, dem ersten Prediger in Celle, stand, lässt sich nicht feststellen. In früherer Zeit hat man allgemein angenommen, dass Bock (auch Cruse schon) Landessuperintendent gewesen sei, al

1) Ernst an den Kurfürsten von Sachsen, am 17. October 1530, b. Ranke, Reforma

tionsgeschichte III, 278. Anm. 2.
2) Uhlhorn a. a. O. p. 171.

lein schon bei Lebzeiten Bocks') wird Rhegius, wie wir nachweisen können, Superintendent des Fürstentums, und dies Amt scheint damals erst eingerichtet zu sein).

Wir wissen ja überhaupt nur ganz ausserordentlich wenig darüber, in wie weit bei der Ankunft des Urbanus Rhegius schon eine feste kirchliche Organisation, eine Einteilung des Landes in Superintendenturen vorhanden war, und ebensowenig wissen wir darüber, in wie weit Rhegius eine solche vorgenommen hat. Wir erwähnten schon früher die eine Bemerkung der Instruction für die Prediger von 1529, wonach der Prediger in schwierigen Ehesachen nichts thun soll ohne den Rat des Superintendenten. Wir wiesen auf die Möglichkeit hin, dass man daraus schon für die damalige Zeit die Einrichtung von Superintendenturen folgern könnte; aber die Bemerkung ist zu dürftig, um mit Sicherheit einen Schluss daraus ziehen zu können. Fast ebensowenig erfahren wir aus einer anderen Nachricht, welche erst vom Jahre 1534 ist. Dieselbe ist entnommen einem Verzeichnis der Pfarren und geistlichen Lehen des Fürstentums von diesem Jahre3). Rhegius allein führt in demselben den Namen Superintendent, bei Ebstorf aber findet sich die Notiz: „Düsse nageschrevenen parren horeden vorhen alle in de Jurisdiction hie to Ebbistorp, de sind nu averst by andere Superattendenten verordenet alse tho Ultzen: Natendorp, Munster, Hanstede, Einbeke, Gerdow, Furborch, Holdenstede." Daraus geht jedenfalls mit Si

cherheit hervor, dass es schon vor 1534 und zwar schon längere Zeit vorher Superintendenten im Fürstentume gegeben hat. Diese beiden Nachrichten sind aber auch die einzigen, die wir über die kirchliche Einteilung des Landes zur Zeit der Reformation besitzen.

Die Thätigkeit des Urbanus Rhegius erstreckt sich weit über das Lüneburger Land hinaus. Gleich zu Anfang seines Aufenthaltes in Celle tröstete er die bedrängten und verfolgten Protestanten zu Hildesheim; der Stadt Hannover hat er eine Kirchenordnung gegeben; die Herzöge von Pommern holten seinen Rat ein. Es liegt uns hier fern, seine Wirksamkeit an allen diesen

1) Er starb auf dem Reichstage zu Nürnberg, wohin er von Herzog Ernst gesandt war, am 23. Mai 1532.

2) Am 1. August 1531 schreibt Rhegius an Heberding nach Lüneburg: Silentium meum tu et reliqui fratres consuletis, postquam scie

retis ex quibus turbis negociorum in quas procellas sim raptus, nisi forsan exiguas curas putatis habere Superintendentiam tanti ducatus.

3) Uhlhorn a. a. O. p. 362. Anm. 6. Aus den Akten des Consistoriums.

Punkten zu betrachten, und ebensowenig können wir hier eingehen auf seine Vermittlungsversuche zwischen Bucer und den Anhängern Luthers und auf seinen Kampf gegen die Wiedertäufer.

Die Arbeit, die er im Dienste seines Fürsten für das Land gethan hat, füllte natürlich den grössten Teil seines folgenden Lebens aus. Und sein Wirken hier hat gute Frucht getragen. Im engsten Anschluss an die eignen Ideen des Herzogs, nur an einzelnen Punkten neue Ansichten aufstellend, hat Rhegius das begonnene Werk weiter geführt. Auch mit dem Kanzler Förster trat er in ein enges Freundschaftsverhältnis. Ihm widmete Rhegius eine seiner ersten Schriften, die er an seinem neuen Wohnsitz verfasste, die Auslegung des 24. Psalms; dem Sohne des Kanzlers widmete er einen seiner Katechismen. Freilich wichen die Ansichten beider Männer an einzelnen Punkten weit von einander ab; der Jurist Förster hatte andere Gedanken über die Verwendung der Kirchengüter als der Theologe Rhegius, der hierin ganz den Grundsätzen Luthers folgte.

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Als Rhegius in das Fürstentum Lüneburg kam, war die Hauptarbeit bereits gethan. Das Volk und man darf auch wohl sagen der grösste Teil des Adels waren der Reformation gewonnen; mehrere Klöster hatten sich zur Lehre Luthers bekannt. In den Frauenklöstern war die Verwaltung an den Landesherrn übergegangen; evangelische Prediger waren dort eingesetzt; die Convente selbst freilich, wie wir sahen, in offenem Widerstande gegen die Forderungen des Herzogs. Die Bettelmönche hatten das Fürstentum und selbst die Stadt Lüneburg verlassen müssen. Aber die Patricier der Stadt und mit ihnen das bedeutende Kloster St. Michaelis waren noch eifrig katholisch, Lüneburg war noch immer der eigentliche Hort des Katholicismus. So blieb für Rhegius noch genug zu thun übrig, wenn er alle diese feindlichen Elemente dem Luthertum gewinnen wollte. Grössere Arbeit noch erforderte es, einen tüchtigen und gebildeten Predigerstand heranzuziehen und alle Orte des ganzen Landes mit Predigern zu

versorgen.

Erster Aufenthalt des Urbanus Rhegius in Lüneburg.

Bald nach der Rückkehr des Herzogs vom Reichstage hatte sich der Rat von Lüneburg an denselben mit der Bitte gewandt, Rhegius auf einige Zeit zur

Regelung der kirchlichen Verhältnisse nach Lüneburg zu senden1). Die Ordnung Kempes war dem Rate nicht genehm gewesen, und dieser hatte wohl damals die Stadt bereits wieder verlassen. Der lutherischen Bewegung hatte der Rat auch nach seinem Weggange keinen Halt gebieten können, obwohl die meisten Mitglieder desselben damals im Herzen noch gut katholisch waren.

Rhegius konnte dem Wunsche des Rates vorläufig nicht nachkommen. Fluss und Katarrh haben mir noch keine Ruhe gelassen, dass ich der Luft noch keineswegs erleiden mag", schreibt er am 17. November 1530 an den Rat). Der Wechsel in seinem Aufenthaltsorte wurde ihm doch sehr fühlbar. Das schöne Augsburg zu vertauschen mit der kleinen Heidestadt, das sonnige Land mit dem Lande, in dem die Bauernhäuser aussahen wie „räucherige Hütten, eine Arche Noah: Hunde, Katzen, Kühe, Kälber, Rosse, Säue, Hühner, Schafe, alles bei einander, bei einem Feuer, da der Bauer auf Stroh liegt, alten stinkenden Speck isst und Brod hart wie ein Wetzstein" 3). Ein ungleicher Tausch fürwahr! und das Grauen vor derartigen Wohnstätten scheint der feine Humanist, der Poëta laureatus nie ganz abgelegt zu haben, denn nicht bei dem Volke, sondern bei Gebildetern hat er besonders gewirkt.

Auch die wiederholte Bitte, die eine Deputation aus Lüneburg im December (noch vor Weihnachten) an Urbanus richtete, musste er aus ähnlichen Gründen ablehnen; er versprach jedoch zu kommen, sobald mit beginnendem Frühjahr seine Gesundheit sich gebessert habe, und sobald seine Frau, die ihre Niederkunft erwartete, wieder hergestellt sei. Herzlich tröstet er die Pfarrer der Stadt wegen ihrer jetzigen Trübsal. Nur damit der Durst nach der Gerechtigkeit Gottes, die das Evangelium lehre, geweckt werde, habe Gott dieselbe über die Stadt verhängt. Wenn die Not kommt, dann lernt der Mensch seine eigne Hülflosigkeit erkennen, er verlangt nach der Hülfe Christi und sucht und findet sie im Evangelium*).

1) Vgl. Ranke a. a. O. III, 278. Anm. 3. 2) Urb. Rhegius, Pfarrherr zu Celle, an den ten. Rat von Lüneburg, 1530 Novemb. 17. (L. A.) Nach Uhlhorn p. 185 ersuchte der Rat den Rhegius darum, nach Lüneburg zu kommen, als dieser im October 1530 in Lüne eine Visitation des Klosters abhielt. Weder von dieser Visitation, noch davon, dass der Rat sich direkt an Rhegius gewandt hat, habe ich eine Spur finden können.

3) Urb. Rhegii deutsche Bücher und SchrifIV, 141.

4) Welcher Art diese damals über die Stadt hereingebrochene ,,tribulatio", von der Rhegius hier redet, gewesen ist, liess sich nicht ermitteln. Die Schweissucht, die man dafür gehalten hat, ist wohl damals bereits erloschen gewesen. Der Brief Rhegius' an die Prediger von Lüneburg ist vom Tage Thomae (21. Decb.) 1530. Opp. lat. III, 86 f.

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