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der kirchlichen Anarchie" verfallen wäre1); die evangelische Partei war jetzt bereits stark genug, um das begonnene Werk fortführen zu können.

Durch alle diese Ereignisse zieht sich der fortdauernde Streit des Herzogs mit dem Rate der Stadt hindurch. Wir hatten bereits Gelegenheit, auf etliche Streitpunkte hinzuweisen: auf den Aufenthalt des alten Herzogs in Lüneburg, auf die Forderung, dass der Rat die Sülzgüter von Ebstorf an den Herzog herausgeben sollte; aber den Kernpunkt bildete doch stets die Geldfrage, und die Verhandlungen, die deswegen geführt wurden, sind sehr umfangreich.

Wir können hier natürlich diese Verhältnisse nicht ausführlicher behandeln, aber um die Stellung des Herzogs zu seiner Stadt völlig kennen zu lernen, erscheint es wünschenswert, dieselben wenigstens kurz zu berühren.

Auf die Geldforderung von Seiten des Herzogs wurde von dem Rate die geradezu lächerliche Gegenforderung erhoben, man solle ein für allemal Abhülfe schaffen, nur dann wolle er zur Tilgung der Schulden beitragen. Ausserdem aber sollten eine Reihe von „Misbräuchen“, wie es die Lüneburger nannten, abgeschafft werden. Man verlangte Zollfreiheit in Gifhorn, Celle und an der Elbe2) und zwar für alle Güter der Stadt, nicht blos für die zum Gebrauche der Bürger bestimmten. Von den ausserhalb der Stadt im Fürstentum belegenen Gütern Lüneburger Bürger sollte der Herzog keine Schatzung erheben dürfen. Klagen der Bürger sollten nur vor dem Rate entschieden werden. Man verlangte Holzrecht und Jagd auf drei Meilen im Umkreis der Stadt. Die Brücke bei Bütlingen sollte beseitigt werden, weil sie dem Handel der Stadt schädlich sei. Ausserdem aber sollte alles gebessert werden, von dem man noch nachträglich fände, dass es gegen die Privilegien der Stadt verstosse; die Leistungen, zu welchen der Rat sich nach Erfüllung aller dieser Punkte herbeilassen wird, sollte der Herzog ausdrücklich als freiwillige anerkennen 3).

Das waren etwa die Forderungen des Rates im Anfang des Jahres 1529; ehe sie nicht erledigt, wollte man sich auf nichts einlassen. Der Herzog erkannte die Berechtigung derselben nicht an und sprach dies auch in dem Abschiede aus, den er den Gesandten von Lüneburg, Dietrich Elvers und Leonhard Tobing, am 14. Februar 1529 in Uelzen erteilte1). Er forderte nochmals auf

1) Vgl. Uhlhorn p. 185.

2) Eine Aufzählung der Zollstätten, deren es im Fürstentum Lüneburg etwa 30 gab, findet sich in einer Akte des H. St. A.

3) Der Rat an den Herzog am Abend Anthonii abbatis 1529 (H. St. A.).

4) Vom Sonntag Invocavit 1529 (H. St. A.).

das bestimmteste einen Beitrag zur Tilgung der Schuld und zu den Lasten für die Erhaltung des Reichsregiments und des Kammergerichts, die gar nicht unbedeutend waren und für die der Herzog der Stadt Lüneburg wegen bedeutend höher eingeschätzt war, als andere ihm sonst gleichstehende Fürsten1). Auch wegen der noch nicht geleisteten Huldigung fanden Verhandlungen statt. Man schien endlich zu einer Einigung zu kommen, eine Zusammenkunft wurde verabredet, allein auch diese wusste der Rat wieder hinauszuschieben. Neue Klagen kamen inzwischen hinzu, der Rat beschwerte sich über eine Begünstigung der Hamburger Elbschiffahrt zum Nachteil der Stadt. Endlich begannen am 11. März 1530 Verhandlungen zu Lüne, allein auch sie führten zu keinem Resultate. Der Herzog wünschte, dass man ihm noch vor Ostern huldigen sollte, da er des Reichstages wegen auf einige Zeit sein Land verlassen musste, und er brach die Verhandlungen ab, als der Rat keine Anstalten dazu machte (am 15. März 1530). Auch über die übrigen Punkte war man zu einer Einigung nicht gekommen; forderte der Herzog 10000 Gulden, so bot der Rat nur 6000 und wollte auch diese wahrscheinlich nicht baar auszahlen, sondern nur von den 12500 Gulden abziehen, die der Herzog der Stadt noch schuldig war.

vor,

Eine Zeit lang ruhte die Sache, neue Verhandlungen begannen am 28. October 1530. Nochmals stellte der Herzog dringend die Lage des Fürstentums wie die Schulden durch die bedeutenden Zinsen zu- statt abgenommen hätten, so dass man an eine Verringerung der Hauptsumme gar nicht habe denken können. Von dem Rate aber habe er bislang weiter nichts erhalten können als schöne Worte. Auch jetzt führten die Verhandlungen zu nichts, und auch der Versuch des Herzogs, sich direkt an die Bürgerschaft zu wenden, mislang. Die Bürger hatten das auffällig gefunden und den Brief des Herzogs uneröffnet dem Rate übergeben 2).

Dem Herzoge war jetzt noch ein neuer Anlass zur Klage geboten. Durch den Vertrag, den die Mönche des Klosters Heiligenthal mit dem Rate abge

der Rat behauptet nur 16 schuldig zu

1) 1526 zahlte der Herzog 638 Goldgulden dert, Türkengeld, 1528 363 Guld. 7 B. 2 ; zur sein. (D. Rat an d. Herzog, Donnerstag nach Erhaltung des Kammergerichts 1524-103 Guld.; Omn. Sanctorum 1529 (H. St. A.). In der für das Reichsregiment 1522 150, 1523 Wormser Matrikel von 1521 ist für Braunschweig200, 1525 75 Gulden. Für die Erhaltung Lüneburg eine ebenso hohe Geldleistung festgeeines Doctors beim Kammergericht von 1525- setzt wie für Br.-Calenberg und Br.-Wolfen29 320 Gulden. Zur Türkensteuer wurden von büttel zusammen. Lüneburg 20, dann 25 gerüstete Pferde gefor- 2) Hämmenstädt a. a. O.

schlossen hatten, glaubte er seine Rechte als Landesherr und Patron des Klosters verletzt. Auch das Kloster, so behauptete er, gehöre zu seinen ihm vom Kaiser übertragenen Regalien. Man scheint zwar zunächst den Vertrag vor dem Herzoge geheimgehalten zu haben, aber als derselbe davon erfuhr, erkannte er die Rechtsgültigkeit desselben nicht an und liess, als der Streit mit der Stadt heftiger wurde, im Jahre 1532 die ausserhalb der Stadt belegenen Güter des Klosters einziehen. In der ganzen Folgezeit ist dies einer der Klagepunkte des Herzogs gegen Lüneburg.

Dazu kam noch etwas anderes, was den Herzog sehr erbittern musste. Wohl war Lüneburg dem äusseren Anschein nach jetzt eine lutheriche Stadt geworden, aber es war doch noch immer die Seele des Widerstandes gegen die Reformation, und alle reformfeindlichen Elemente schlossen sich an die Stadt an. Hier konnten sie am besten Schutz gegen den Herzog finden, und unter der Obhut des Rates waren ihre in der Stadt belegenen Güter ihnen völlig sicher.

Der Ratschlag zu Notdurft der Klöster.

Durch die Einsetzung der evangelischen Prädicanten, welche Ernst, gestützt auf den Landtagsbeschluss von 1527, im Jahre 1529 bei den Klöstern vorgenommen hatte, hatte er den ersten Schritt zu einer wirklichen Reformation derselben gethan. Er ging aber sofort noch weiter; er forderte von den Conventen der Frauenklöster auch die Anhörung der evangelischen Predigt. Diese Forderung erhob er kraft fürstlichen Amtes, ohne dazu durch einen Beschluss der Landschaft berechtigt zu sein.

In Lüne hatte man ihm auch die Befolgung dieses Befehls versprochen, wenn der Prediger nicht wider Gott lehre. Als der Prädicant Hieronimus Enckhusen dann zum ersten Male predigte, befahl die Domina Priorissa Mathilde Wilden dem Convent diese Predigt anzuhören, auch die zweite hörte man noch; als er aber in der dritten lehrte, es gebe nur zwei Sakramente, da verliess auf einen Wink der Domina der ganze Convent die Kirche, und seitdem ging man nicht wieder hin1). In Medingen suchte man den Prediger auf alle mögliche Weise zu kränken und zu hindern, man verschloss selbst die Thür der Kirche,

1) Schuster, die Reformation des Klosters Lüne, im Hannov. Magazin 1821. p. 404.

wenn er predigen wollte1). Auch in Walsrode hören wir von einer „Verfolgung" des evangelischen Predigers durch die Domina3).

Nach wie vor hielten die Nonnen ihre katholischen Gottesdienste ab, doch wurde ihnen in Medingen schon jetzt der Befehl erteilt, sich nicht mehr als einmal wöchentlich die Messe lesen zu lassen. In Lüne verliessen noch im Jahre 1529 zwei Capläne das Kloster und traten zum Luthertum über; und auch die Dienstleute in den Klöstern schlossen sich immer mehr an die herzoglichen Beamten an. Gegen die Verwaltung des Herzogs war freilich der Widerstand fast völlig erloschen, wir hören auch in den Berichten der Nonnen selbst nur wenig Klagen über dieselbe. An den Protest, den der abgesetzte Propst Lorbeer auf Betreiben der Nonnen am 30. Januar 1530 gegen seine dem Herzog ausgestellte Urkunde, weil dieselbe ihm durch Drohungen abgezwungen sei, erhob, kehrte sich der Herzog ebensowenig wie früher an den Protest der Nonnen). Er verfügte völlig frei über die Güter der Propstei1). Die Lieferungen, die dem Kloster zukamen und die der Verwalter zu leisten hatte, wurden, wie es scheint, genau bestimmt3), und die Leistungen waren reichlich bemessen; denn nicht weniger, sondern mehr, als sie zur Zeit ihrer Pröpste erhalten hatten, hatte der Herzog den Nonnen zu geben versprochen.

An ein Entgegenkommen der Nonnen oder gar an einen Abfall derselben vom Katholicismus durfte der Herzog freilich nicht denken. Wir sind es gewohnt, die Segnungen der Reformation anders zu beurteilen als die Klosterfrauen jener Zeit; wir sind leicht geneigt, den Widerstand derselben als blosses thörichtes Widerstreben gegen Massregeln aufzufassen, deren Vortrefflichkeit auf der Hand lag; wir überschätzen die angewandte Milde der Fürsten und unterschätzen die Berechtigung des Widerstandes. Herzog Ernst stand völlig auf dem Boden seiner Zeit. Auch er war überzeugt von der Richtigkeit des Grundsatzes: cuius regio, eius religio, überzeugt von dem Werte und der Heilsamkeit

1) Lyssmann a. a. O. p. 140.

2) Urkundenbuch von Walsrode Nr. 373. 3) Annalen der braunschweig-lüneburgischen Churlande, Bd. 7. p. 616. Anm. 2.

4) So bestätigt er ,,am hilligen Paschen Avende 1530“ den Sülftmeistern die Briefe und Siegel, die sie von Johann Lorbeer erhalten hatten.

stimmt in einer Urkunde vom Mittwoch nach Martini 1530. Die Klosterfrauen erhalten jährlich 120 Scheffel Roggen, 10-12 halbe Scheffel Weizen, 4 Tonnen Butter, 6 Tonnen Häringe, 1/2 Stück Stockfisch, 400 Paar Schollen, 8 Rinder 10 Gänse, 2 Schock Hühner, 20 frische Käse, 40 Fuder Holz, jede Person zwei Paar Schuhe und Salz, soviel sie brauchen. (Des. 49, Wien

5) Für Wienhausen wurden dieselben be- hausen 2.)

dessen, was er an die Stelle des Alten setzen wollte, und auch er hielt sich für berechtigt Gewalt anzuwenden, als man ihm widerstrebte. Aber er übte die ihm zustehende Gewalt so schonend und milde als möglich und hoffte das Beste von der Zeit und dem Einflusse seiner Prediger auf die Nonnen.

Die fortdauernde Verachtung der evangelischen Predigt veranlasste ihn zunächst gegen die Klosterfrauen einzuschreiten. Auf seinen Wunsch verfassten im Anfang des Jahres 1530 die lutherischen Prediger den „Ratschlag zu Notdurft der Klöster". Gerade die Klöster, so sagen sie in der Vorrede, sind von des Teufels Stricken besonders hart gefesselt; sie sind jedoch dem Herzoge nicht weniger Gehorsam schuldig als alle andern Unterthanen; denn bliebe das Exempel jetzt ungebessert und ärgerlich, wie sollten sich dann die Nachfolger desselben erwehren"!

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Vor allem, so lehrt der Ratschlag, ist es nöthig, dass Gottes Wort lauter und rein gelehrt wird; der weltlichen Obrigkeit kommt es zu, dafür zu sorgen, da es die Bischöfe nicht thun.

Nach Einführung der Predigt muss die Obrigkeit die Misbräuche abschaffen, wie das „Gefängnis der Klosterpersonen", das Verbot des Ehestandes u. dgl. Die Klosterpersonen müssen das göttliche Wort hören und wenn sie es nicht thun, so sollen sie durch fürstlichen Befehl dazu gezwungen werden, damit sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Diese fehlt ihnen, weil sie mehr Singen und Lesen als Auslegung der Heiligen Schrift haben. Klostersitte, Kleidung u. dgl. hindert sie; denn damit glauben sie den Himmel zu verdienen. Man darf nicht meinen, sie dürften nicht dazu gezwungen werden, das Wort Gottes predigen zu hören, weil die Apostel den Staub abschüttelten, wenn sie nicht gehört wurden. Sie haben gepredigt bis zum letzten Athemzuge. Wer aber der Obrigkeit widerstrebt, der widerstrebt Gottes Ordnung.

Die Predigt an den Sonn- und Festtagen soll fortgehen; weil aber die Klosterpersonen meinen, wenn in derselben etwas von ihnen vorkommt, es geschehe das ihnen zum Hohn und Spott, so soll der Prediger am Dienstag und Donnerstag in geschlossener Kirche den Nonnen in Gegenwart ihres Beichtvaters ein Hauptstück aus der Schrift auslegen oder ein Buch derselben im Zusammenhange erklären. Dabei sollen dann aber alle Klosterpersonen gegenwärtig sein. Die Beichtväter müssen des Wortes Gottes mächtig sein, denn ein Blinder kann den andern nicht führen. Sie sollen häufig wegen ihres Glau

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