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aber vorläufig hielt er es noch mit der mächtigern Partei. Er vollstreckte", so heisst es von ihm, „, die Heuchelei mit Zuthat der Papisten mit singende und klingende und um den Hof zu gehende" 1).

Das waren die Männer, durch die der Rat hoffte, die Bürgerschaft von der lutherischen Lehre fern zu halten. Getelens Predigten zogen das Volk an; aber es ist schwer sein Ansehen wieder zu gewinnen, wenn man es einmal verloren hat. Jene Schrift Undermarks wird ihren Weg auch gewiss nach Lüneburg gefunden haben und wird auf die Bürger nicht ohne Einfluss gewesen sein.

Schon im Januar 1529 kamen Misshandlungen katholischer Priester vor2), und im März hören wir bereits von einer geheimen Verabredung unter den Bürgern, dass man durch lutherische Loysen" den Gottesdienst in der Lambertikapelle stören wolle; und sogar der Pfarrer dort scheint das nicht ungern gesehen zu haben3).

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Als dann aber Herzog Ernst sein Wort wahr machte: er wolle den Lüneburgern ein Feuer um ihre Stadt anstecken, das ein ehrbar Rat binnen Lüneburg nicht wohl löschen, noch dämpfen könne1), als er im Juli 1529 in dem nahen Bardowik und Lüne Prediger des Evangeliums eingesetzt hatte, da wanderten die Bürger hinaus und holten sich von dort, was sie daheim nicht fanden. Alle Drohungen des Rates nützten nichts; es half nichts, dass er die Thore schliessen liess man kletterte über die Mauern oder liess sich über die Ilmenau übersetzen. Den Nonnen in Lüne war das natürlich ebenso wenig angenehm als dem Rate. Sie versuchten durch angezündete Filzlappen den Prediger und die Gemeinde aus der Kirche zu vertreiben es wurde auf dem

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Kirchhofe weiter gepredigt).

Von Isenhagen aus hatte, wie wir bereits erwähnten, der Herzog am 15. Juli an den Rat geschrieben, ihm Mitteilung von seinem Vorgehen gegen die Klöster gemacht und dasselbe mit Hinweisung auf jenen Landtagsbeschluss gerechtfertigt. Zugleich hatte Ernst aber auch das Artikelbuch und die Instruction für die Prediger dem Rate übersandt und gefordert, dass auch in Lüneburg auf Grund dieser Ordnungen das Evangelium lauter und rein gepredigt werden solle.

1) Bertram, Evangelisches Lüneburg p. 40. 2) Coller an den Rat, am Tage Emerentii 1529 (L. A.).

3) Coller an den Rat, am Dienstag nach

Laetare 1529; er fordert den Rat zum Ein-
schreiten und Strafen auf.

4) Bertram, Evang. Lüneb. p. 38.
5) Bericht bei Bertram a. a. O. p.

38 f.

Die Antwort auf dies Schreiben blieb der Rat vorläufig schuldig, allein dieselbe Forderung tauchte jetzt auch von Seiten der Bürger auf. Als man mit ihnen am 23. Juli 1529 wegen einer Geldforderung des Herzogs beriet, liessen sie durch ihren Worthalter Cord Jördens, statt auf diese Frage einzugehen, den Antrag stellen: Weil im ganzen Fürstentume rein gelehrt würde, möge der Rat dafür sorgen, dass die Möncherei und der päpstliche Narrenrock auch in Lüneburg abgeschafft würde1).

Dazu hatte nun freilich der Rat durchaus keine Neigung; allein wurde die Forderung direkt zurückgewiesen, so liessen sich die Folgen dieses Schrittes nicht übersehen, dann schien die Verbindung der Bürgerpartei mit dem Herzoge, die man mehr fürchtete als alle Reformation, unvermeidlich. Man griff daher zu einem sehr verwerflichen Mittel, um wenigstens diese zu verhindern. Während man die Sache des Evangeliums hinausschob, fing man an den Herzog bei der Bürgerschaft zu verläumden; man sprengte aus, er sammele Reiter und Fussvolk, um die Stadt feindlich zu überfallen. Die Geldforderungen des Herzogs, die schon seit lange mit völligem Rechte erhobenen Ansprüche, dass Lüneburg zur Bezahlung der Schulden des Fürstentums beitragen sollte, nannte man Eingriffe in die Privilegien der Stadt.

Herzog Ernst erhielt bald Kunde von den Gerüchten, die man gegen ihn in Umlauf gesetzt hatte. Er richtete ein Schreiben an den Rat und liess zugleich eine Erklärung öffentlich anschlagen, in der die Verläumdungen seiner Gegner zurückgewiesen wurden. Er verwies die Bürger auf das übersandte Artikelbuch und die Instruction für die Prediger und forderte zur Annahme dieser Ordnungen auf: denn man werde nichts darin finden, was nicht in Gottes Wort ergründet und bewiesen sei).

In der Mitte des Jahres brach über die Stadt und das Land jene schwere Seuche, die Schweissucht, herein, von der die Chroniken so viel zu berichten wissen. Das lähmte beide Parteien. Auch dem Herzoge gegenüber finden wir

den Rat jetzt in Worten wenigstens sehr nachgiebig. Ihr Schreiben

fliesst über von Entschuldigungen; sie beteuern, dass sie jenen Verdacht weder gehabt noch vorbereitet hätten. Sie danken für die übersandten Schriften, ver

1) Hämmenstädt z. Jahre 1529.

2) Zwei Schreiben des Herzogs an Lüneburg, das zweite zur Veröffentlichung bestimmt,

d. d. Freitag nach Pantaleonis (30. Juli) 1529. (Copie im H. St. A.).

sprechen für tüchtige und gelehrte Prädicanten sorgen zu wollen; denn „sie möchten nicht gern als solche befunden werden, durch die die reine Predigt des Evangeliums verhindert würde, auch hätten sie befohlen, dass ihre Prediger ohne Scheu das reine Evangelium predigen sollten, daran wäre auch nach ihrem Verstande noch kein Mangel erfunden worden" 1). Das waren schöne Worte, ausgepresst durch

eine schwere Zeit; Worte, wie sie der Rat so gern und leicht gab, wenn er in seiner engherzigen und kleinlichen Weise dadurch einen augenblicklichen Vorteil oder einen Aufschub erlangen konnte. Zur That kam es nicht.

Aber wenn auch durch die Seuche, die beide Parteien als eine Strafe Gottes für ihre Gegner ansahen, die Bewegung eine kurze Zeit ruhte oder weniger intensiv war, das Verlangen der Bürger nach Reformation und der Hass gegen den Rat kehrte mit neuer Heftigkeit wieder, und im Anfange des Jahres 1530 liess sich die Bewegung nicht mehr dämpfen.

Am Sonntag nach Mariae Reinigung (6. Februar) kam es zuerst in der Nicolaikirche dazu, dass man den lange gehegten Plan ausführte und nach der Predigt deutsche Gesänge: „Es wolle Gott uns gnädig sein“ und „Gott der Vater wohn' uns bei" anstimmte 2).

Das Drängen der Bürger auf Besserung der religiösen Zustände hatte den Rat bewogen, den Franziskanern den Befehl zu erteilen, des Predigtamtes zu warten. Die Mönche, die in der Klosterkirche predigten, wurden auch gehört, aber von einer Zuhörerschaft, die bereits sehr gut das Wahre von dem Falschen zu unterscheiden verstand. Nicht lange vor Fastnacht predigte hier auch so ein „grauer Gast", der Guardian des Klosters, und begann mit den Worten: Was in den Mund gehet, sündiget nicht; was aber daraus gehet, das sündiget, sagen die Martiner. Wie, hat denn Adam nicht Gottes Gebote gebrochen dadurch, dass er den Apfel ass wider Gottes Gebot? dazu auch der

1) Der Rat an den Herzog, Montag nach Decollat. Johannis (30. Aug.) 1529. (H. St. A.) 2) Die vorhandenen Berichte stimmen in betreff dieses Datums nicht überein. Schomaker giebt die Sache überhaupt nicht genauer an. Hämmenstädt hat: Sonntag vor Lichtmessen (30. Januar), der Bericht bei Bertram giebt die Nachricht erst für den Sonntag Judica (6. März); das ist völlig falsch, denn bereits am 27. Februar hatte Bugenhagen Kunde von diesen Vorgängen. Sei

nem Briefe (vom 27. Februar 1530) an L. Cordatus (bei Rehtmeier, Braunschweig. Kirchengeschichte, III, Beilagen p. 14) ist das von uns angegebene Datum entnommen. Bertram setzt diese Vorgänge irrig bereits in das Jahr 1529; er legt auf die Gesänge besonderes Gewicht: weil Gott so ein leichtes Mittel gegeben habe, sich ohne Tumult von der frechen Schreier Herrschaft zu erlösen.

Mann, der nach Bethel ging und nicht essen und trinken sollte, ehe er wieder in sein Haus käme und ward von den Bären zerrissen und umgebracht; was sagt ihr Martiner dazu? Da erhob sich ein gewaltiger Lärm, und die Gemeinde fing an zu singen: „Ach Gott vom Himmel sieh darein", und obwohl der Mönch rief: Schweigt still, ich will euch vom Glauben predigen!", hörte man nicht eher mit Singen auf, als bis er die Kanzel verlassen hatte.

Noch stürmischer ging es am folgenden Sonntage her. Ein anderer Mönch betrat die Kanzel, allein er vermochte seine Zuhörer nicht lange zu fesseln, auch ihn unterbrach der Gesang deutscher Psalmen. Eine alte „Krückendrägersche" hatte inzwischen die Kirchthür verriegelt. Man glaubte, man solle überfallen werden, die Kirchstühle wurden zur Verteidigung abgerissen, in der Kirche begann man eine Schlägerei, aus Lüne eilten die jungen Leute herbei, um ihren Genossen zu helfen. Aber der Rat wurde des Tumultes noch einmal Herr1).

Schon wagte man es offen die katholische Religion zu verspotten. Schneidergesellen mit weissen Gewändern bekleidet zogen auf Fastnacht in feierlichem Zuge durch die Stadt, sie trugen Kreuze und Glocken und als Reliquien Pferdeknochen vom Schindanger. Als sie am Hause des Bürgermeisters Lütge von Dassel in der Bäckerstrasse vorbeikamen, zog der alte Herr seine Mütze, denn er meinte, es wären u. 1. Frauen Pfaffen mit dem Ablass. Bei der Apotheke traf der Bürgermeister Hartwich Stötteroge die Prozession, schon wollte er ehrfürchtig niederknieen, als seine Diener ihm sagten, dass es ein Fastnachtscherz sei. Das ging cinem ehrbaren Rat denn doch über den Spass. Die losen Gesellen wurden bei Leibesstrafe aus der Stadt verwiesen; aber die Bürger liessen dem Rate drohend sagen: wolle man die Knechte verjagen, die niemandem etwas zu leide gethan, sondern nur der Pfaffen gottlose Pracht mit dem abgöttischen Heiligtum verspottet und damit den Hals nicht verbrochen hätten, so möge man sie selbst nur auch aus der Stadt treiben. Der Rat war schon so eingeschüchtert, dass er nachgab und die Rückkehr der Gesellen gestattete, wenn sie sich nur drei oder vier Tage ruhig im nahen Lüne

1) Bericht bei Bertram a. a. O. p. 41 ff. 2) Aus Hämmenstädt; am ausführlichsten ist der Bericht bei Bertram über diese Vorgänge, dem wir auch im Wesentlichen gefolgt sind.

Ein Gedicht über diesen Fastnachtsaufzug findet sich bei Gebhardi Bd. IX. Dort ist auch noch ein anderes Lied aus derselben Zeit. Etliche Verse davon gedruckt bei Uhlhorn p. 360. Anm. 6.

aufgehalten hätten. Es war den Patriciern eben nicht mehr möglich, der Sache

Einhalt zu thun.

Henniges hatte sich inzwischen immer noch schwankend verhalten. Vor den Fasten hatte er versprochen, er wolle den Rat günstig zu stimmen suchen und dann am ersten Sonntag in den Fasten mit der Sache füglicher fortfahren“. Allein der Tag kam, Henniges erwähnte nichts von seinem Versprechen; die Messe sollte wieder gefeiert werden. Da stimmte das Volk abermals seine Lieder an, die Priester wichen aus der Kirche, und erst als sich die Menge verlaufen hatte, kam der „Missling" wieder hervor und „missete sein gottlos Thun zum Ende aus" 1). Doch scheint es nach Schomakers Chronik schon jetzt in der Nicolaikirche zur Predigt des Evangeliums und Feier des Abendmahls unter beiderlei Gestalt gekommen zu sein, aber vorerst auch nur hier 2).

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Bald genügte das den Bürgern nicht mehr, und die Zusammenrottungen derselben nahmen für den Rat einen höchst gefährlichen Charakter an. Die Bürger organisierten sich; ein Ausschuss von hundert Personen wurde gewählt mit einem Wortführer, Hans Polde, und zwölf Bürgern an der Spitze, und dieser betrieb jetzt die Sache mit System. Hatten sie auf ihre früheren Bitten keine Antwort vom Rate bekommen, so drängten sie jetzt nur um so härter, dass man ihnen evangelische Prediger geben möge. Und nicht das allein, sie forderten auch Sachen, die nichts mit der Religion zu thun hatten: Salzfuhr und einen Anteil an den Kalandsund Mönchsgütern). Der Rat glaubte aufgestachelt durch die Pfaffen zur Gewalt schreiten zu müssen. Er wollte unter den Hunderten (dem Ausschuss) ein Greifen thun und den Vornehmsten, die das Spiel am weitsten trieben, den Bart scheren". Sieben Büttel waren bereits dazu verordnet, auch die Nacht, in welcher der Plan zur Ausführung kommen sollte, war bestimmt. Allein die Sache wurde verraten; von unbekannter Hand empfing Hans Polde kurz vorher die Warnung, des Nachts niemanden in sein Haus zu lassen. Schnell versammelte er die Bürger, und man fand die Warnung begründet, denn die Glockenstränge waren aufgezogen, um Sturmläuten zu verhindern1).

1) Bericht bei Bertram a. a. O.

2) ,,Also hefft ein Radt nagegeven, dat tho St. Nicolaus allene evangelico more de Missen geholden und communicieret worden. Actum Invocavit." Schomaker ad annum 1530.

3) Schomaker a. a. 1530. Woher Uhlhorn a. a. O. p. 185 die Nachricht hat, dass die Bürger nochmals dem Rate den Eid des Gehorsams leisten sollten, ist mir nicht bekannt.

4) Nach Hämmenstädt, der unsere einzige

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