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folge haben; daß sie auf den zwey Hauptstraßen des Kantons von der italienischen Gränze vorrücken; daß ihr Anführer, Genes ral Fontanelli, anstatt auf das Schreiben des kleinen Raths schriftlich zu antworten, erklärte, diese Antwort am folgenden Tage persönlich nach Bellenz bringen zu wollen.

Auf diese Anzeige zögerte ich nicht, an Se. Maj. den frans zösischen Kaiser, König von Italien, die dringlichsten und nachs drücklichsten Vorstellungen über diese empfindliche Verlehung der Allianz und der Bundesakte, über diese auffallende Verfügung der Uebermacht, wodurch in dem nåmlichen Augenblicke, wo die Kantone, aus Achtung und Ergebenheit gegen Se. Maj. den größten Aufopferungen fich unterzogen hatten, Trauer und Bes stürzung unter dieselben verbreitet werden, ergehen zu lassen.

Der außerordentliche Courier, welcher diese Vorstellung nach Paris überbringt, hat Befehl, auf die Antwort zu warten. Nach dieser Antwort wird mein ferneres Benehmen bestimmt, und der Landammann der Schweiz in den Stand geseßt werden, zu urtheilen, ob eine außerordentliche Tagsaßung zusammen be; rufen werden soll.

Indessen lade ich sämmtliche Kantone dringend ein, unter dem Volk Ruhe und Ordnung zu handhaben und das tief erschüts terte öffentliche Zutrauen, so viel als möglich, aufrecht zu erhalten. Noch hoffe ich, daß Se. Majestät auf unsere Bitten Rücksicht nehmen, und daß die Stimme der Wahrheit und des Rechts bey Höchstderselben über jene böswillige Eingebungen fie gen werde, welche unserm Vaterlande diese unverdiente, kränkens de Strenge zugezogen hat. Lasst uns nicht vergessen, wie der Kaiser uns seit sieben Jahren mit Freundschaft zugethan gewes sen, noch die Zusicherungen von Schuß und Wohlwollen, welche die Eidgenossenschaft von Sr. Majestát noch ganz neuerlich ers halten hat.

Indem ich unser gemeines Vaterland in Gottes Almacht getreulich empfehle, habe ich die Ehre, Ew. Tit. meiner ausge: zeichneten Hochachtung zu versichern.

Der Landammann der Schweiz,

von Watten wy l.

Der Kanzler der Eidgenossensch.
Mousson,

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3.

Zweites Kreisschreiben des Landammanns von Wattenmylan die eidgenössischen Stände. Bern, den 6. Nov. 1810.

Hochgeachte Herren!

Die im Kanton Tessin vorgefallenen Ereignisse sind von solcher Beschaffenheit, daß ich mit der Fortießung der durch mein Kreisschreiben vom Aten d, angefangenen Mittheilung keinen Aus genblick anstehen will.j

Am gleichen Tag, und zwar wenige Stunden, nachdem Se. Excellens der französische Minister diejenige Denkschrift, empfan gen hatte, die durch Eilboten dem Kaiser vorzulegen bestimmt war, und in welcher der Landammann, gestüßt auf die Vermitt Jung-Acte und auf das mit Frankreich geschlossene Bündniß, bey Sr. Majestát um die Zurücknahme der, für die Verfassung, die Unabhängigkeit der Schweiz und die Rechte ihres Gebiets so - kränkende, militärische Verfügungen ansieht, ward mir durch die französische Gesandtschaft ein Schreiben des mit der Leitung der auswärtigen Angelegenheiten in Mailand beauftragten Hrn. Se: nator Testi zugestellt, wovon eine Copie hier beyliegt. Was ich bey Einsicht dieses wirklich befremdenden Aktenstücks empfand, welche Bemerkungen sich bey mir aufdrangen, wird jeder von Jhnen, meine Herren, leicht beurtheilen können; das Datum vom 31sten Oct., also vom gleichen Tag, als die Truppen in Lauis einrückten; die Behauptung, diese gewaltsame Maßregel, fep au Behinderung des Schleichhandels englischer Waaren noth: wendig geworden, während dem bekanntlich ein solcher Schleichhandel durch den Kanton Tessin seit mehr denn 3 Jahren unmögs lich geworden ist; die Vergleichung der Lage der Schweiz mit jez ner des Herzogthums Meklenburg und anderer nordischen Seestaaten; die Anzeige, daß die militärische Beseßung der Alpen: passe im Kanton Tessin, bis zum Frieden mit England fortbestehen werde; endlich die als ganz befriedigend hingeworfene Bez merkung daß diese bewaffnete Occupation keine Gefährdung der Unabhängigkeit (Neutralitát) der Schweiz, ihrer Geseze und verfassungmäßigen Behörden nach sich ziehen solle - dieses al les gab reichlichen Stoff zu ernstlichen Betrachtungen.

Ich beantwortete also gleid diese Vote, sowol in Hinsicht auf Form als auf den Inhalt, durch eine zweyte Denfschrist, die

gleich der frühern vom nämlichen Tag, unmittelbar zur Versendung an den Kaiser bestimmt, und worin am Schluß die Bemerkung beygefügt war, daß, wenn sich Ihro K. K. Majestät durch meine Bitten und Vorstellungen nicht bewegen lassen würs den, die italienischen Truppen aus der Schweiz zurück zu ziehen, es alsdann für den Landammann der Schweiz unbedingte heiz İkge Pflicht seyn müssté, eine außerordentliche Tagsaßung alsogleich zusammen zu berufen, damit die Kantone sich verfassungmäßig über die Lage des Vaterlandes berathen können. Auch diese Note, nebst der ehevorigen, ist durch Eilboten den 4ten Nov. abgegangen.

Kommen, wie ich nicht zweifle, oberwähnte Vorstellungen den höhen Stånden nächstens vor Augen, so erwarte ich getrost von Hochdenselben das Zeugniß, daß die Rechte des Kantons Tessin und das Ansehen des gemeinsamen Vaterlands, in diesen · bedenklichen Umstånden von dem Landammann nach dem vollen Maß seiner amtlichen Obliégenheiten und Verhältnisse vertheidigt worden sind. Aus den leßten Berichten der Kantonsregiès rung, die am 4ten d. um xỏ Uhr Abends anhero gelangt sind, folgt hier das Wichtigste, zur Kenntniß Ew. Hochwohlgeb., în "gedrängter Kürje.

Den isten Nov. Abends traf der Anführer des italienischen Armeekorps, Division-General Fontanelli, in Bellenz ein, und erschien alsogleich bey dem versammelten kleinen Rath; das Einrücken seiner Truppen rechtfertigte er blos in allgemeinen Ausdrücken dadurch, daß dieses in Folge der Befehle seiner Regie: rung geschehen sey, weigerte sich aber ferner, theils auf das frühere Schreiben des kleinen Naths, welches ihm bereits in Lauis zugestellt worden, eine Antwort, theils über das Eigentliche seiner Aufträge, und die Natur seiner Sendung bestimmte Aufschlüsse zu geben.

In dieser peinlichen Ungewißheit that der kleine Rath einen Schritt, worin sich die Würde und Weisheit dieser vaterländi: schen Behörde unverkennbar aussprechen. Er stellte nämlich eine Urkunde zu Handen des Generals aus, durch welche der kleine Rath, gestüßt auf die bestimmten Vorschriften der Verfassung, welche unter der Garantie von Frankreich und Italien von den ersten Mächten in Europa anerkannt worden ist — und in Rückficht auf seine doppelten Pflichten, als Regierung eines frepen Staats und als Mitglied der schweizerischen Eidgenossenschaft,

erklärt: daß die militärische Besehung seines Gebiets ohne sein Zuthun geschehen sey; daß er in dieselbe nie einwilligen werde; daß aber, weil er sich nicht in dem Fall befinde, Gewalk mit Gewalt zu vertreiben, dem weitern Aufenthalt der Truppen zwar von ihm kein Hinderniß in den Weg gelegt werden folle, daß er sich aber den freyen und unbeschränkten Gebrauch seiner verfassungmäßigen Gewalt auf das Feyerlichste vorbehalte. I empfand den füßesten Trost, der mir unter solchen Umständen zu Theil werden konnte, als dieses wirklich merkwürdige Aktens stück in meine Hände kam, welches mit einer so warmen Vater: landsliebe, zugleich aber mit so viel Máßigung abgefäfft ist, daß die ganze Schweiz sich durch ein solches Benehmen geehrt halten darf.

Der General Fontanelli erließ an den kleinen Nath zwey Zuschriften, die eine, um die Publikation einer von ihm über den Sequester der englischen und Kolonialwaaren erlassenen Vers fügung zu begehren, worin unter Anderm auch ein gänzliches Verbot vorkommt: baumwollene oder wollene Fabrikate feder Art in dem Kanton Tessin einzuführen, die in andern Ländern als Frankreich oder dem Königreich Italien erzeugt worden sind; die andre Zuschrift war eine Anordnung in Hinsicht der Anfnähme der Truppen, der Lieferungen an Holz und Licht "us w. Auf die erstere antwortete der kleine Rath durch das Anerbieten, feine eignen Beschlüsse vom 19ten Oft., welche die Confiscation der englischen Waaren, so wie die Vorzeigung und Belegung der Kold? nialprodukte mit den tarifmäßigen Abgaben, bereits eingeleitet hatten, und somit den Wünschen der Generale gänzlich entspraz chen, zu erneuern, zugleich aber durch die Einwendung, daß in dem 5ten Artikel der Bundesakte, für den freyen gesetzlichen Umlauf der Lebensmittel, und der schweizerischen Handelswaaren eine förmliche Gewährleistung liege. Im Allgemeinen verdient der kleine Rath deswegen vorzügliches Lob, weil er, bey getreuer Behauptung seiner Grundsäße, mit gleicher Sorgfalt bemüht war, jeden Anschein von Bitterkeit, jeden unnöthigen Widers fpruch gegen die durch Anwesenheit der Truppen erforderlich ges wordenen Maßregeln zu vermeiden.

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Indeffen trug es sich bald zu, daß diese obere Regierur behörde, duch in der Ausübung ihrer verfassungmäßigen Rechte, die Wirkung der militärischen Gewalt empfinden musste. Um seine Verantwortlichkeit zu decken, wollte nämlich der kleine

Kath den großen Rath außerordentlich zusammenberufen, und eine Proklamation erlassen, um seine Angehörigen in Kenntniß der wahren Lage der Sachen zu sehen, und sämmtliche Gemeins den zur Wachiamkeit und sorgfältiger Handhabe der öffentlichen Ruhe aufzufordern. Beydem widerseßte fich der General, mit der Erklärung, daß solche Maßgregein in den dermaligen Umstáns den nicht dienlich (non convenienli) seven, und daß auf den Fall, wo die Mitglieder der Regierung diese nicht einstellen wollten, er sie dafür persönlich verantwortlich machen werde.

: Ein solches Benehmen, wodurch die Regierung in ihrem verfassungmasigen Gange, in der Erfüllung ihrer Pflichten, gleichsam gehemmt wurde; ein Benehmen, das sogar den eigs nen Erklärungen des mailändischen Ministeriums widerspricht, musste natürlich neue Vorstellungen des Landammanns bey der französischen Regierung zur Folge haben.

Ich bielt es ferner für zweckmäßig, meinen Flügeladjutan, ten, den Oberst von Hauser, in den Kanton Tessin zu senden, sowol an die Regierung, auf daß er derselben bey jedem Anlaß, wo die Gegenwart einer bey dem Bundes-Präsidium angestellten Person von Rußen seyn dürfte, sich dienstwillig erzeige, als an den General Fontanelli, theils um dessen Aufträge und Verfús gungen näher zu kennen, theils um über sein Benehmen, welches die schweizerischen Verfassungen und Geseķe verleßt, ge: rechte Kloge zu führen, und demselben zu bedenken zu geben, wie sehr er, sich selbst bey seinem eignen Souverain verantwortlich machen würde, durch einen Mangel an Achtung gegen eine Kan tonregierung deren Eristenz, gleich den übrigen, auf der Mes diation Afte beruht.

...Diese Nachrichten war der Landammann Ihnen m. HH. schuldig, und so oft in der Folge Umstände und Thatsachen Jörer; vorzüglichen Aufmerksamkeit würdig, zu meiner Kenntniß gelans gen, wird deren Mittheilung eben so pünktlich und schleunig ers folgen. Denn da ich selbst mit meinen Gedanken die bedenklichen Zeichen der gegenwärtigen Zeit unablässig verfolge, so fühle ich auch, daß aus den gleichen Gründen diese für die löblichen Stáns de unendlich wichtig sind, und daß mir sehr viel daran liegt, ader Kantone Beyfall, Hülfe und Rathschläge, wo es sich von unsern wichtigsten yolitischen Interessen handelt, zählen zu können.

Die Gegenwart einer außerordentlichen Taysaßung, welche die weisesten und aufgeklärtesten Regierungglieder aus jedem

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