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Mißvergnügten neue Waffen in die Hand gegeben. Die Klas gen über mancherley Mißbräuche wurden zur Sprache gebracht. Jede Gemeinde sollte ihre Beschwerden einreichen, und daraus eine gemeinsame Denkschrift verfertigt werden. Als inzwis schen, nach langem Zögern, diese Beschwerdeschrift den Gemeins den zum Behuf ihrer Instruktionen für eine deshalb abzuhals tende Landesversammlung übersandt ward, fanden sich Mehres re, die billig genug dachten und erklärten: es seyen die Ver schwerden zu unbedeutend, um den Fürsten damit zu bemühen, dem die Unruhen seiner katholischen Lande schon genug Sorge und Kummer machen (1791). Deßungeachtet ward eine Des puration an den Hof gesandt, die um Abhülfe der Beschwers den ansuchte. Weil aber diese großentheils die Verwaltung des Oberamtmannes zum Vorwurfe hatten, so antwortete der Fürst einstweilen lediglich er werde seinen Beamten darüber vernehmen und alsdann das Angemessene verfügen.

Auch die Abtei Bellelai stand damals in Besorgnissen. Ein gewisser Stegmann, der in Courtelari verhaftet ward, sollte das Haupt einer Verschwörung seyn, um das Kloster in Brand zu stecken und zu plündern. Man hat nie eigentlich ina ne geworden, in wie weit die Sache begründet war oder nicht.

Wenn nun zwar im Erguel die Nuhe wieder hergestellt war, so dauerten hingegen, wie bereits erzählt ward, die Ume triebe und Bewegungen in Pruntrut fort. Der österreichis schen Truppen, die er zu seinem Schuße berufen hatte, unges. achtet, hielt sich der Fürst in seiner Residenz nicht für sicher. Das Schloß war wiederholt mit Angriffen bedroht worden. Unter diesen Umständen gerieth er auf den Entschluß, den Magistrat von Biel um Hülfe anzusprechen. Die eignen Angehörigen des Fürsten wurden demnach zum Schuße gegen ihre Mitunters thanen aufgerufen. Glücklicherweise blieb es beym Aufrufe, und ihre Treue ward nicht weiter auf die Probe gesezt; denn das Mißvergnügen über die Gegenwart der österreichischen Truppen in Pruntrut war so groß und so allgemein, daß die Bieler Mis lizen sich nur mit großem Widerwillen ihnen angeschlossen hatten. Biel beklagte sich inzwischen über die irrige Auslegung, welche einigen Bestimmungen der Verträge gegeben ward, inss besondre über die von Seiten des Fürsten and seiner Beamten bey Anlaß des Militárreglements an Tage gelegten Anmaßungen, und über die Hindernisse, welche die Ausübung der ihm ›

zustehenden Rechte und Freyheiten im Erguel fand. Diese Beschwerden wurden erst schriftlich verhandelt, dann aber zu ihrer endlichen Beseitigung eine Conferenz zwischen Abgeordneten des Fürsten, der Stadt Biel und der Landschaft Erguel, zu Sonceboz im Januar 1792 abgehalten. Es kam daselbst ein Vertrag zu Stande, worin die Abgeordneten des Fürsten denen von Biel wenigstens große Beweise von Gefälligkeit ga: ben. Nicht nur war die Militär-Gerichtsbarkeit von Biel über das Erguel in ihrer ganzen Ausdehnung und den frühern Verträgen gemäß anerkannt, sondern es wurden der Stadt Biel auch alle von ihr angesprochene Rechte und Freyheiten, in Rück, sicht auf Aufenthalt, Gebühren, freyen Verkehr mit dem Erguel u. f. w. gänzlich zugestanden; und eben so wurden die Rechte der Stadt Biel in Hinsicht auf diplomatische Verhältnisse und ihre Befugnisse, Verträge mit andern Staaten abzus schließen, unter der einzigen Beschränkung, daß solche den bez stehenden Verhältnissen zwischen der Stadt und dem Fürßen nicht zuwiderlaufen dürfen, anerkannt.

Der Einfluß der révolutionären Grundsäße Frankreichs hats te im Ganzen die treue Anhänglichkeit der protestantischen Landschaften gegen den Fürsten noch nicht wankend gemacht; wohl waren einzelne Köpfe erhißt und mehrere Partikularen, auch einige Gemeinden, veranlasst worden, die Bezahlung bis dahin von ihnen entrichteter Gebühren zu verweigern. An den une ruhigen Bewegungen, welche im übrigen Bisthum stattfan: den, ward weiter kein Antheil genommen.

Die Probstey Münster, wegen ihres Bürgerrechtes mit Bern, die Abtey Bellelai um ihres gleichen Verhältnisses zu Solothurn, und das Erguel wegen seiner Militär-Verhältnisse mit Biel, wurden, so wie diese lettere Stadt, in die Neutralität der schweizerischen Eidgenossenschaft einbegriffen; und da die Schweiz, um diese Neutralitat geltend zu machen, ihre Grenzen beseßt harte, so stellten auch Biel und die Probstey auf den ihrigen Wachten aus. Zu Cors rendelin stand ein Piquet; Solothurn lieferte der Abtey Bel: lelai eine kleine Truppe, und die Milizen von Biel und Erguel besezten gemeinsam den Paß von Pierre-pertuis, le Cernis de Tramelan und la Ferrière. Diese Wacht-Posten wurden im Lauf des Jahrs verschiedentlich aufgestellt und zurückgezogen. Im Monat Auguft wurden sie, auf das Gerücht von einem zu bez

forgenden Ueberfall der französischen Truppen, die ins Bisthum eingerückt waren, verdoppelt. Die Abtey Bellelai lebte in steten Besorgnissen; sie hatte ihre studierenden Kostganger mit eis nigen Klostergeistlichen bereits nach Solothurn gesandt, und ihr Abt entfernte sich öfters. Man vernahm mit Zuverlässigkeit, daß die Franzosen in der Probstey vorrücken und den Engpaß Pierrespertuis beseßen würden. Der General Ferrières, welcher in Pruntrut das Kommando führte, erklärte, dazu vom Kriegsminister den Befehl erhalten zu haben. Bereits waren schon wirklich Fouriers eingetroffen, um in der Probstey Quars tiere zu bestellen, und französische Offiziers, unter denen sich der General Demars befand, hatten die Landschaft recognos cirt und waren bis Tavannes gekommen. Der Stand Bern und die Stadt Biel wurden davon sogleich berichtet. Bern lies augenblicklich einen Theil seines Regiments von Watten wyl zu Verstärkung des Postens bey Pierre-pertuis ausrücken; der Magistrat von Biel wollte den Durchmarsch dieser Truvpen anfänglich nicht gestatten; er berieth sich darüber bis Abends neun Uhr und gab dann endlich dem dringenden Verlangen des Bernschen Anführers und seiner Drohung, im Weigerungsfalle Gewalt zu brauchen, nach. Am 27sten August trafen vierhuns dert Mann vom Regiment Wattenwyl bey Pierre-pertuis ein, und Alles gewann ein kriegerisches Ansehen. Aber noch am gleichen Tage hatte sich das, der Probstey und der schweizerischen Neutralis tåt drohende, Gewitter auch wieder zertheilt. Vier Deputirte des Nationalconvents waren in Delsberg eingetroffen. Nachdem sie durch den General Ferrières die Schwierigkeiten vernommen hatten, welche sich der Beseßung von Pierre-pertuis entge genstellten, beriefen sie Abgeordnete des Fürsten sowol, als der Stadt Biel zu sich, die am 26sten Abends eintrafen und am fol genden Tage von den französischen Deputirten die nachstehende förmliche Erklärung erhielten:,,Die Vorsichtmaßnahmen, wel che der General Ferrières treffen wollte, hätten einzig die Besorgniß zum Grunde gehabt, es möchten die Schweizer sich einem Durchzuge, welchen die Feinde Frankreichs über ihr Gebiet zu machen gesinnt seyn könnten, nicht kräftig genug widerseßen; da sie nun aber durch die Versicherungen der Deputirten von Biel überzeugt worden, daß die befreundeten und alliirten Schweizer nicht nur keinerley feindselige Absichten gegen Frankreich hegen, sondern auch fest entschlossen seyen, keine Verlegung ihres Ge

bietes von Seite der Feinde zu gestatten und ihre Neutralität mit bewaffneter Hand zu vertheidigen, so hätten sie nunmehr den General Ferrières aufgefordert, den Schweizern durch die Stellung seiner Truppen keinen Anlaß zu Besorgnissen zu geben, und das Gebiet der löblichen Kantone, so wie ihrer zus gewandten und verbürgerten Orte, namentlich Pierce-pertuis und das Münsterthal, unberührt zu lassen.“ Die Deputirter gas ben zu gleicher Zeit wiederholte Versicherungen des Wunsches der französischen Nation, mit der Eidgenossenschaft und ihren Vers bündeten gutes Vernehmen zu unterhalten.

Diese Erklärung machte den Besorgnissen ein Ende, und bald hernach zogen die Bernischen Truppen von Pierre-pertuis ab, und einige Milizen von Biel und Erguel blieben allein noch zurück. Die schweizerische Tagsaßung ertheilte der Stadt Biel einen Verweis über ihre Weigerung, den Bernischen Truppen Durchs marsch zu gestatten, und schon zu Anfang Oktobers wurden die Engpässe von Reuchenette wieder mit zwey bis dreyhundert Mann Berner Truppen beseßt. Obgleich die Einwohner der Propstey einstweilen nichts zu befürchten hatten, sandten sie jedoch im No: vember Deputirte nach Bern mit dem Ansuchen, es möchte dies fer eidgenössische Stand einen Kommissår an sie abordnen, unter dessen Schuß sie ihre Neutralität für gesicherter hielten. Ihr Begehren ward abgeschlagen, weil der Stand Bern eben das mals mit dem General Ferrières für den gleichen Zweck in Unterhandlung stand.

Die Gegenwart des Fürsten in Biel, wo er mit einem Theil des Hofs seinen Aufenthalt genommen hatte, erregte inzwischen Mißtrauen bey den Franzosen, vorzüglich aber wol bey der res volutionären Partey seiner Angehörigen. Die Schweizer besorgs ten, sein fortdauernder Aufenthalt könnte die Sicherheit und Unabhängigkeit der ihm übrig gebliebenen und in der schweizeris schen Neutralität einbegriffenen Landschaften gefährden; sie ries then ihm deswegen, sich zu entfernen. Er verließ Biel am zten December 1792 und begab sich nach Konstanz, dem Zufluchtort so vieler vornehmen Flüchtlinge, einzig von zweyen seiner Hofrathe und zwey Bedienten begleitet.

Für die Verwaltung des ihm übrig gebliebenen Landes hatte · der Fürst vor seiner Abreise zwey Rathskollegien, das eine für die Probstey, das andre für das Erguel ernannt; Biel und Neustadt hatten ihre eigne Verwaltung und der Dießens

berg ward durch den Landvogt von Nidau und dem Maire von Biel gemeinsam administrirt. Aber die plößliche Abreise des Fürz sten veranlasste neue Unruhen und eine Revolution, die vorzüglich im Erguel ausbrach.

Kaum war jene Nachricht ins St. Jmmerthal gelangt, als eine Volksgesellschaft sich zu Villaret bildete und das Sigs nal zum Aufstande gab. DerOberamtmann verließ Courtelari, wo er sich nicht mehr sicher glaubte. Eine schnell verbreitete Druckschrift erinnerte die Bewohner des Erguels an ihre alte Verfassung und vormaligen Rechte; stellte eine Vergleichung zwis schen diesen und ihrer dermaligen Lage an; beschuldigte den Fürs sten der Tyranney und treuloser Pflichtverleßung; stellte ihn als feigen Flüchtling dar, welcher sein Volk verlässt, und rief dieses bey seinen heiligsten Pflichten auf, die sich darbietende einzige und unwiederbringliche Gelegenheit zu Wiedererlangung seiner Rechte zu benußen, und dafür durch Abgeordnete eine Natios nalversammlung zu organisiren. Die aufrührerische Schrift ward von Mitgliedern der Volksgesellschaft persönlich im Lande vere theilt, durch mündlichen Commentar unterstüßt, und die Einbez rufung der National-Versammlung auf den 17ten December fests gesezt. Die Deputirten fanden überall guten Empfang. Die Bewohner des Erguels, obgleich sie in der That gar nicht, wie man glauben machen wollte, über Druck und Tyranney zu klagen hats ten, waren über die schnelle Abreise des Fürsten betroffen; sie hatten keine Zeit zur Ueberlegung gehabt und waren deshalb für jeden Eindruck, den man ihnen bepbringen wollte, empfänglich. Der revolutionaire Schwindel hatte nebenbey auch Einzelne aus/ ihnen ergriffen. Die Nationalversammlung eröffnete an dem das für angeraumten Tage ihre Sitzungen in Courtelari, und alle Gemeinden hatten Stellvertreter dahin gesandt. Es war ein lás cherliches aber bemitleidenswerthes Schauspiel, das kleine, uns bekannte, auf wenige Quadratmeilen beschränkte Volk, alle feia ne ältere Verbindungen auflösen und den Souverain spielen zu sehen. Ohne eigne Kraft und ohne fremden Schuß, was foll es beginnen? Und welche Thorheit war es, seine Ruhe und seis nen Frieden preiszugeben, um unvermeidlich vom Strudel der. nicht zu berechnenden Ereignisse verschlungen zu werden? Aber eine so einfache und wahrhafte Ansicht galt damals im Erguel für Låsterung.

Die Stadt Biel, über die in ihrer Nachbarschaft ausgebroch

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