Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

genauer Noth noch entwischt und hierher geeilt wären, mich zu warnen, weil ich aller Wahrscheinlikeit nach noch an demselben Tage würde angegriffen werden. Ich zog hierauf meine Pikete ein, schickte meine Kranke aus dem Hospital auf die Brücke, ließ diese zum Ueberfluß von der Stadtseite noch geschwind mit Pallisaden versehen, und erwartete getrost, was es geben würde, da ich in meiner kleinen Festung ziemlich sicher war. Des Nachmittags kam der General Bagneris mit 150 Mann von Talavera de la Reyna, welchen Posten er verlassen hatte, um im Falle der Uebermacht sich mit mir zu vereinigen, und wenigstens diesen Posten zu behaupten. Ich versicherte ihn aber, daß ich dazu keiner fremden Hülfe bedürfe, hinlänglich stark sey und lebendig meinen Posten nicht verlassen würde. Er marschirte deswegen des andern Tages nach Orobeza, ließ mir aber den General-Intendanten von Estremadura und mehrere spanische Offiziere, welche sich hier am sichersten glaubten, auf dem Halse. “Da diese nicht, wie wir, mitten unter den Soldaten auf der Brücke schlafen konnten, so musste ich wieder eine Wache in die Stadt geben und Pikete aussehen, und war überhaupt hierdurch fehr belästigt. In der Nacht vom 14ten May hörten wir feuern und waren deshalb auf unserer Huth, doch blieben wir ungestört, bis endlich am 17ten die Nachricht einlief, daß Ge neral Goudinot mit 1800 Mann Infanterie und 500 Mann Kavallerie in Arenas durch Avilla angekommen sey und dadurch unserer Erwartung, von dieser Seite angegriffen, zu werden, ein Ende machte. Zu gleicher Zeit erhielt ich ein Schreiben vom Marschall Viktor, daß er den Guadiana verlassen habe, um ein Korps von Portugiesen und Englåndern, das sich bey Alcantara gezeigt habe, anzugreifen, und daß er die Brücke über den Guadiana nur durch Detaschements beseht habe. Gestern hat man nun nach der Seite von Alcantara ein starkes Kanonenfeuer gehört, und ich bin das her sehr begierig, etwas Näheres zu erfahren. Ich hatte ver:

sprochen, den blessirten Lieutenant R. von Talavera hierher abholen zu lassen, konnte aber mein Versprechen nicht erfül len, da er seiner Gesundheit halber auf der Brücke nicht blei ben konnte, und der Aufenthalt in der Stadt zu unsicher war, ich habe ihm vielmehr bey Gelegenheit, daß der Hauptmann H. von unserm Regiment hier durch kam, um nach Deutsch land zu gehen, den Rath gegeben, mit diesem zu reisen.

Gegenwärtig ist hier wieder Alles ruhig. Selbst der Intendant hat mich heute wieder verlassen und ist nach Talavera zurückgekehrt, für die Tageszeit bin ich wieder in die Stadt gezogen und habe auch mein Hospital hier wieder eingerichtet. Meine Kommandanten-Stelle hat mir bisher gar nichts eingetragen, denn ob ich gleich berechtigt gewesen wåre, mir jeden Tag von der Stadt eine Karoline zahlen zu lafsen, so konnte ich es doch nicht über das Herz bringen, von den armen geplünderten Menschen dieses anzunehmen, ja ich forderte nicht einmal alle Lebensmittel, sondern kaufte mir für mein eignes Geld Wein, Zucker und andere solche Sa chen; wie ich denn überhaupt betheuern kann, daß ich noch für keinen Heller an Werth hier in Spanien genommen habe, so sehr auch diese Art sich zu bereichern bey andern Korvs eingerissen ist. Mag man auch noch so viele Entschuldigungen dafür anführen, so halte ich es immer für äußerst unrecht, und werde mich dessen nie schuldig machen. Dagegen aber habe ich jest einen andern Erwerbszweig gefunden, der mir Alles erseßt, und den ich mit dem besten Gewiffen in Ausúbung gebracht habe. Die berühmten spanischen Schafe, (Merinos) welche die überaus feine Wolle haben, und nir gends in der Welt so angetroffen werden, wie hier, halten sich während der sechs kältern Monate in den Ebenen von Estremadura auf; werden dann aber, weil sie die Hihe des Sommers nicht aushalten können, im Anfange desselben nach den Gebirgen von Segovia, Burgos, Biscaya zc. zurückge: trieben. Dieser Durchtrieb fing mit dem Monat May an,

und weil von jeder Herde eine Abgabe von vier Gulden als Brückenzoll an den Vikarius dieser Stadt gegeben werden muß, dieser aber geflüchtet und ich gegenwärtig Herr der Brüs cke war, und statt des Vikarius die Pässe ausfertigen musste, so habe ich es für recht und billig gehalten, dieses Geld in meine Kasse zu streichen. Leider geht in diesem Jahre der Hauptburchtrieb über Toledo und Talavera, nnd ich nehme als so höchstens nur den vierten Theil vom gewöhnlichen Ertrage ein. Doch beläuft sich dieser schon auf 1200 Gulden und wird wohl noch einige hundert Gulden weiter einbringen, wo von ich einen Theil meinem Lieutenant abgebe. Arbeiten thue ich hier für mich nicht viel, höchstens zeichne ich etwas, oder mache Verse. Wenn nicht die ewige Unterbrechung mit Ertheilung der Påsse wäre, deren ich oft 80 in einem Tage schreiben muß, so könnte ich mehr für mich thun.

Arzobispo, den 6ten Junius 1809. Die Nachricht, daß der Hauptmann v. H. mit der Augmentation für die Badenschen Truppen angekommen ist, und nach deren Ablieferung wieder nach Deutschland zurückkehrt, bewegt mich, hier mein Tagebuch zu schließen und es ihm mitzugeben. Ich bin noch immer in meiner alten Lage, allein jezt von allen Seiten gesichert, und habe vorerst gar nichts zu befürchten. Die ganze deutsche Division ist, nachdem Viktor die Portugiesen bey Alcantara verjagt, die Brücke besezt und wieder seine alte Stellung an dem Guadiana eingenommen hat, zurückgegangen, um den Distrikt zwischen Madrid und Almaraz zu besehen, wozu sie schon anfänglich vom Kaiser selbst bestimmt war. Unser Regiment, welches jekt nur ein Ba= taillon formirt, steht in Naval moral, die Badenschen, Hef= sischen und Primatischen Truppen, nebst dem Generalstab des General Leval in Orobeza, und detaschiren von da Kommandos nach Calzada, Talavera de la Reyna, Ceballo, Caza rubia und Naval carnero. Ein Bataillon, welches von allen

Voltigeur-Kompagnien dieses Korps zusammen gesezt ist, steht unter dem Kommando des Majors v. G. bey Almaraz, und macht von da aus. Patrouillen nach der Gegend des Tijedars. Mir zur Linken auf der andern Seite des Tajo steht General Sebastiani mit dem vierten Armeekorps in la Mancha bey Ciu: dad real, und dehnt sein Korps bis in die Gegend von Gua dalupe aus, da er dort nicht weiter vordringen kann, weil die Spanier alle Uebergänge über die Sierra Morena zerstört haben und wahrscheinlich zu dem Korps des Marschalls Vik tor stoßen wird. König Joseph selbst ist in Toledo, um mit seinen bey sich habenden 5000 Mann da, wo es Noth thut, gleich zu Hülfe eilen zu können. Marschall Soult steht, wie man sagt, noch in seiner alten Stellung zu Coim bra und Marschall Mortier mit der Reserve - Armee bey Valladolid. In Ansehung der Zukunft sind die Meinungen im Hauptquarfter des Generals Leval getheilt. Einige glauben, daß Viktor und Sebastiani, der Hiße wegen, ihre Stellungen an den Ufern des Guadiana den Sommer hindurch zu behaupten suchen, und erst im Herbst wieder vorz dringen würden; Andere sagen, daß Sebastiani wegen der zerstörten Pässe in der Sierra Morena vom Herzog von Infantado nichts mehr zu befürchten håtte, sich jetzt mit Vik: tor vereinigen und gemeinschaftlich den General Cuesta ans greifen würden.

Den Hauptmann v. H. habe ich noch nicht gesehen, ver lange aber sehr ihn zu sprechen, um zu erfahren, wie es in meinem Vaterlande aussieht, und ob er keine Briefe an mich hat. Morgen werde ich deswegen zum ersten Mal meine Brücke verlassen und nach Orobeza gehen, wo er sich anfhält, und werde dann zugleich dieses Tagebuch ihm überliefern. Mein Aufenthalt hier in Arzobispo wird jezt immer angenehmer. Alle Einwohner der Stadt haben sich wieder einz gefunden, und unter ihnen habe ich manche recht artige Per fonen kennen gelernt. Mit der spanischen Sprache weiß ich

[ocr errors]

mir gut zu helfen, und wo es daran fehlt, kommt mir die Laz teinische zu Hülfe. Ueberhaupt sehe ich die Wahrheit des Sprüchworts: wem Gott ein Amt gibt, dem verleiht er auch den Verstand dazu, immer mehr ein. Einen Beweis, wie

sehr ich bey den hiesigen Einwohner gelitten bin, habe ich neulich bey folgendem Vorfall zu meinem Vergnügen erlebt. Es hatte sich allhier die Nachricht verbreitet, daß ich abge: Idst, und ein anderer Kommandant an meine Stelle kommen würde, und gleich wollte die Bürgerschaft eine Deputation an den Marschall Viktor absenden mit der Bitte, mich hier zu lassen. Alle versichern mich, daß wenn ich die Stadt verliesse, sie auch nicht länger in der Stadt bleiben, sondern wieder ihren alten Aufenthalt in den Gebirgen aufsuchen würden. Dagegen ist jeht hier wieder Alles ziemlich im alten Gleis. Feldbau, Gewerbe und Handel werden wieder betrieben, selbst die ansehnlichen Porzellanfabriken sind wieder im Gange, und bleibe ich noch einige Zeit hier, so wollte ich wohl dafür sichen, daß man der Stadt ihr erlittenes Elend wenig mehr ansehen sollte. Ich gehe oft ganz allein stundenweit ohne alle Waffen, komme ich in ein anderes Dorf meines Bezirks, so weiß man mir nicht Ehre genug anzu thun, und außere ich nur einen Wunsch, so bin ich dessen Erfüllung gleich versichert. Was mir am werthesten von Allem bleibt, ist meine jest so unerschütterliche Gesundheit. Ungeachtet des ungesunden Aufenthalts auf der Brücke, wo ich doch nun schon so lang alle Nächte und oft ganze Tage zugebracht habe, werde ich dick und fett, effe für drey Mann und habe nicht einmal mehr Zahnweh, obgleich der größte Theil meines Detaschements schon krank war. Die günstige Wit= terung, welche in diesem Jahre herrscht, indem es so kühl tst, als es bey Menschengedenken allhier nicht gewesen seyn foll, trägt auch wohl viel dazu bey. Gott gebe nur bald Frieden in Deutschland und in Spanien, damit ich das Tagebuch der Rückkehr aus Spanien recht bald möge anfangen

« ZurückWeiter »