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oberen Deutschland hatte zuleßt Durch sein geschicktes Ausharren

Der Feldzug der beiden Heere im zu dem Vortheile des Kaisers geendet. in der genommenen Position hatte er den Feind ermüdet und dann zum Rückzug gezwungen. Wenn da auch Spuren einer allgemeineren europäischen Opposition gegen ihn wiedererwachten, und wenn auch die Hülfsquellen, aus denen er zum Kriege die Kraft geschöpft, ihm zu versiegen drohten, so war er einstweilen doch noch in günstiger Lage. Nachdem die politische Combination des Kaisers, ich meine den Rückenangriff des neuen Kurfürsten von Sachsen auf die Protestanten, den Rückzug des protestantischen Heeres herbeigeführt hatte, war das ganze obere Deutschland dem Kaiser freigegeben, und es war ihm dadurch möglich gemacht, sich hier eine breite Basis für alle weiteren Operationen zu schaffen.

Karl hat nicht versäumt, diese Umstände zu benutzen. Sogleich nach dem Abzuge der Protestanten besetzte er die nächstgelegenen kleineren Städte und wußte auch mit den größeren sofort sich den Weg zu Verhandlungen zu bahnen. Kam es ihm wesentlich doch darauf an, hier seinen Gegnern allen Rückhalt zu nehmen.

Es ist wohl besonders Granvella's Verdienst zuzuschreiben, daß man von diesen Städten wirklich eine nach der andern unterwarf. Wie ·Granvella einst im Rathe des Kaisers stets eine solche Politik der Verhandlungen befürwortet, und wie er auch dem Kaiser jene deutschen Fürsten zu Bundesgenossen gewonnen und vor allem die Fäden gesponnen hatte, die den Herzog Moritz in des Kaisers Arme gefesselt; so bemühte er sich jetzt in Oberdeutschland durch Separatverträge mit den Städten die allgemeinen Zwecke der kaiserlichen Politik zu fördern. Die erste der Städte, die er in dieser Weise zur Unterwerfung gebracht, war Ulm. Der Stadtrath übergab sich hier in die Hand des Kaisers,

er versprach Gehorsam in allen Reichsangelegenheiten, er übernahm eine starke Contribution (von 100,000 Gulden) zu zahlen und ließ in der Religionsfrage sich durch eine ähnliche allgemeine Versicherung beruhigen, wie sie auch Herzog Moritz und die Brandenburger Fürsten erhalten hatten1).

Und ganz nach dem Muster dieser Ulmer Capitulation wußte man alle anderen einzurichten. Die Städte unterwarfen sich stets der Obrigkeit des Kaisers und versprachen insbesondere, den Anordnungen des Reichsgerichts Folge zu leisten; sie zahlten stets eine größere oder kleinere Geldsumme in des Kaisers militärische Kasse und erhielten dafür jene allgemeine Zusage, „bei ihrer habenden Religion gelassen zu werden,“ eine Zusage, die in ihrer allgemeinen Fassung auch nicht die geringste Gewähr hatte gehalten zu werden. Das geschah im Dezember 1546 und im Januar des folgenden Jahres.

Ein bedeutenderer Schritt noch war es, daß auch der Herzog von Würtemberg in ähnlicher Weise zur demüthigen Unterwerfung gezwungen wurde. Der Herzog mußte sich zur Ueberlieferung der wichtigeren Festungen an kaiserliche Truppen verstehen und in weniger als einem Monate 300,000 Gulden baar auszahlen. Um diesen Preis ward ihm sein Herzogthum gelassen. Hier hätte es den eigentlichen Wünschen des Kaisers mehr entsprochen, den Herzog seines Landes zu entseßen und Würtemberg in habsburgische Hand zurückzubringen. Aber die Nothwendigkeit zwang den Kaiser zu diesem Vertrage. War er doch in die Lage versetzt, ohne Eintreibung von Geldsummen in Süddeutschland seine Truppen nicht mehr bezahlen zu können2). Die finanziellen Weiterungen, in die er um jene Zeit mit dem Papste gerathen war, zeigen hier ihre Bedeutung für den Gang der deutschen Ereignisse: weil ihm die Geldmittel durch den Papst versagt wurden, war er zu Verträgen mit den Protestanten genöthigt, und weil er nicht in unbedingter Weise die Protestanten niederwarf, sondern ihnen wenn auch noch so kleine Concessionen gewährte, reizte er den Papst zu weiterer Verneinung der Subsidien.

In allen jenen Verhandlungen mit den oberdeutschen Ständen hatte der Kaiser ohne Zuziehung eines päpstlichen Nuntius gehandelt. Er war durchaus nicht gewillt, sich eine Einmischung der päpstlichen Politik

1) Vgl. die detaillirte Darstellung aus den Akten des Ulmer Archives bei Ranke D. G. IV. p. 354-361.

2) Karl gibt selbst diese Motivirung in einem Schreiben an Ferdinand vom 9. Januar 1547 bei Lanz II. p. 524 ff.

in seine deutschen Maßregeln gefallen zu lassen3) und hatte jede Erörterung mit dem päpstlichen Vertreter darüber kurz und scharf abge. wiesen.

Wenn Karl überhaupt sein deutsches Unternehmen in der Weise eingeleitet hatte, daß er in allen öffentlichen Erklärungen nicht die religiöse Spaltung, sondern die reichsrechtliche Frage des Gehorsames der Stände gegen den Kaiser zum Ausgangspunkte genommen, so war es weiterhin nur eine Consequenz dieses Verhaltens, daß er auch in allen Abmachungen in Süddeutschland die religiöse Frage nicht berührte, sondern daß er sich nur die Unterwerfung unter die Anordnungen des Reichstages und unter die Gebote des Kammergerichts ausmachte. Als er in jenen ersten Tagen des Jahres 1547 sich so durch Einzelverträge die süddeutschen Stände unterworfen, ward im kaiserlichen Rathe wirklich noch einmal die Frage aufgeworfen und debattirt: ob man jetzt die Maske solle fallen lassen und sofort zu der Entscheidung der allgemeineren Fragen auf einem zu berufenden Reichstage kommen, oder ob es besser sei, in der bisherigen Weise fortfahrend, auf Ordnung des Reichsgerichtes, auf Vereinigung einer größeren Streitmacht, auf Unterwerfung der noch nicht bezwungenen Gegner zu arbeiten1). Nach kurzer Frist entschied sich Karl für den letzteren Weg. Die Unterwerfung der beiden Häupter des gegnerischen Bundes und die Vereinigung Süddeutschlands zu einem Geld und Truppen liefernden kaiserlichen Bunde faßte Karl als die nächsten Aufgaben seiner Politik ins Auge und verschob die allgemeine Anordnung über die Herstellung der alten Religion in allen abgefallenen Gebieten auf den nächsten Reichstag, der erst nach der Vernichtung aller Gegner zusammentreten sollte3). Und dies Verfahren konnte gewiß um so mehr auf Erfolg rechnen, wenn der Kaiser nach seines Bruders Vorschlag jezt mit allem Ernste und allem Nachdrucke seiner Macht auf eine ernsthaft gemeinte Reformation der Kirche bestehen wollte®).

Wir übersehen hier die Lage des Kaisers und begreifen die Gründe, die ihn zu allen Vorstellungen an dem Conzile bewogen, einstweilen das trennende Dogma der Rechtfertigung noch nicht zu publiciren. Sein Sinn war zunächst auf die Unterwerfung aller entgegenstehenden Deutschen gerichtet, so sich die Bahn eröffnend, Deutschland unter das

3) Der Papst erhob Klage darüber. Vgl. die Depesche vom 11. Febr. 1547 im Anhang V. 11.

4) Vgl. in dem angeführten Schreiben bei Lanz p. 526.

5) Karl an Ferdinand vom 2. Februar bei Lanz II. p. 529 ff.

6) Ferdinand an Karl vom 9. Februar bei Bucholz IX. p. 407 ff. Maurenbrecher, Karl V.

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katholische Conzil zu beugen. Und da mußte der Aufschub derjenigen Beschlüsse, welche jedem Protestanten diese Unterwerfung unmöglich machten, dem Kaiser doch als eine bedeutende Förderung seiner Politik erscheinen.

Freilich, daran ist kein Zweifel gestattet, mit dem Inhalte jenes Dekretes hegte der spanische Katholicismus dieses Karl die vollständigste Uebereinstimmung'). Und nur jene Rücksicht auf die von ihm zu erzielende Unterwerfung der Protestanten wollte die Verkündigung des Beschlusses einstweilen beanstanden. Aber wie mußte es ihn kränken, daß er diese seine Anschauung nicht bei dem Papste durchsetzen konnte! Wie mußte es ihn verlegen, daß der Papst, unbekümmert um des Kaisers Vorstellungen, zur selben Zeit diese Veröffentlichung des Justifikationsdogma's vornehmen und zur selben Zeit das Hülfsheer aus Deutschland zurückmarschiren ließ. Beide Maßregeln waren geradezu gegen des Kaisers Willen und Interessen gerichtet).

Die Capitulation zum Protestantenkriege, die man nur auf sechs Monate geschlossen, lief im Dezember 1546 ab. Aber der Legat in Deutschland, Kardinal Farnese, der in allen diesen Fragen sich bisher gut kaiserlich bewiesen, hatte dem Kaiser Hoffnung auf eine Ausdehnung des Vertrages, auf eine Verlängerung und Erneuerung des päpstlichen Hülfsheeres gemacht, und auch in der früher berührten Streitfrage über die Höhe der vom Papste bewilligten spanischen Steuern zu Gunsten der kaiserlichen Anschauung seinen Einfluß verwendet. Es ward in Rom auch mit der definitiven Antwort des Papstes auf des Kaisers Anträge gewartet, bis Farnese persönlich zugegen sein könne. Die kaiserlichen Gesandten, Juan de Vega und der außerordentliche Bevollmächtigte Juan de Mendoza, verhandelten dann im Dezember und Januar mit dem Papste, mit allen einflußreichen Freunden des Papstes, mit den ihnen bezeichneten Cardinälen. Von der Anschauung freilich konnte man die römischen Politiker nicht abbringen, daß die Summe von 300,000 Dukaten den eingegangenen Verpflichtungen entspreche, und daß jede weitere Auflage ein neues Gnadengeschenk des Papstes bedeuten würde. Man stritt lange hin und her. Endlich compromittirte man auf 400,000 Dukaten. Und die kaiserlichen Ge

7) Trotz seiner Proteste gegen die Publication sagt Karl es ausdrücklich an den Kardinal Pacheco am 12. Februar 1547: el articulo de la justification paresce muy catholico y sancto. (Sim. Leg. 644. fol. 55.)

8) Du Mortier, der französische Gesandte in Rom, vom 29. Januar 1547 bei Ribier I. p. 602 u. 603.

sandten nahmen auf ihre Verantwortung hin diesen Vorschlag ano). Eine Weiterbewilligung des Hülfsheeres aber hatte durchaus keine Aussicht auf Genehmigung. Auch Farnese vermochte dafür nichts auszurichten: aus Rücksicht auf des französischen Königs militärische Rüstungen, aus Rücksicht auf die Erhaltung des europäischen Friedens lehnte der Papst jede fernere Unterstützung des Kaisers ab. Und wie heftig auch Vega darauf bestehen mochte, daß der allgemeine Frieden am besten durch die rasche Vernichtung der Protestanten gesichert werde, wie häufig er seine eifrigen Zureden wiederholen mochte, der Papst blieb fest auf seiner Weigerung 10). Nochmals erneuerte der Kaiser seinen Antrag: wenn die bisherigen Erfolge für die heilige Sache der Religion die gewünschten Früchte tragen sollten, dann sei die dringendste Nothwendigkeit gegeben, ihm die zugesagten Subsidien nicht zu schmälern, ja ihm neue und größere zu gewähren. So bestätigte er nicht nur den von seinem Gesandten angenommenen Vergleich auf 400,000 Ducaten damals nicht, sondern ließ auch durch Francisco de Toledo rücksichtslos seinen Plan der halben Secularisation des spanischen Kirchengutes in Rom vortragen11). In die schwebenden Verhandlungen über die früher zugesagten Bewilligungen griff da im Anfange des Februar auch Toledo's weitergehende Forderung ein12). Es liegt auf der Hand, daß nach der Ablehnung, wie sie J. de Mendoza ertheilt war, der Papst wenig Grund hatte, zu Toledo's Anträgen sich günstiger zu

9) Für diese Verhandlungen in Rom beziehe ich mich auf die Depeschen Vega's und I. de Mendoza's, die in Simancas vollständig vorzufinden sind. (Leg. 873 u. 874.) Am 20. Dezember z. B. schreibt Juan de Mendoza: en los 500 mil ducados, que por aver sido aquellos con condicion y entendello siempre assi su sd. y tenello entendido el consistorio que lo que podria sufrirse era sin dar V. M. recompensa que se concederia la bulla de 400 sobre las fabricas y monasterios, assi por el respecto dicho como por aver el papa concedido otras gracias y tener en ellas gravado lo ecclesiastico despaña.

10) J. de Mendoza vom 1. Januar: el papa esta resoluto de no prorogar sin tentar la paz primero y ver por quien quedava y que sino se haze la guerra esta en la mano, porque Francia hara liga con lutheranos, y quanto a si que no querria faltar de procurar la paz ni menos dar celos a franceses con nueva capitulacion und Depeschen Vega's vom 1. 13. und 30. Januar.

11) Karl an Vega vom 17. Januar im Anhang V. 9 u. 10.

12) J. de Mendoza ist am 30. Januar von Rom abgereist, am 5. Febr. hatte Toledo seine erste Audienz bei dem Papste. Für das Folgende sind Vega's Depe= schen vom Februar und März meine Quelle.

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