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da ich mit deinem Vater Irmfried im Land der Vandalen als Gast niedersaß. Auch wir waren, soweit ich gedenke, den Vandalen ungefüge und fremdländisch. Doch unsere Wirthe lachten freundlich darüber und verglichen den Zwist der Mannen, wo er ausbrach, immer haben sie uns gebeten länger zu weilen und mit reichem Gastgeschenk haben sie uns entlassen, als wir endlich heimritten. Darum meine ich, Vorsicht geziemt dem Wirth, bevor er fremde Gäste aufnimmt, und Nachsicht, solange sie unter seinem Schuße weilen." Und Rothari, den sie Bausback nannten, sprang auf und rief: „Bei jedem Volk der Männererde ist, soweit ich verstehe, ein Gesetz: zu seinem Herrn gehört das Gesinde. Wer den Herrn aufnimmt, kann seinem Gefolge den Frieden nicht weigern, wenn die Fremden nicht selbst sich durch Missethat friedlos machen. Wohl verstehe ich, daß die Zahl der Schwurgesellen deinem Hofe, o Fürst, zur Last wird, denn allzugroß ist die Zahl der Männer und Rosse für einen Hof. Du aber begehrtest, als sie kamen, die Ehre sie allein vor andern zu herbergen. Wären sie in den Höfen der Edlen und Bauern vertheilt je nach ihrer Geburt, dann hätten die Gäste Niemanden beschwert und hätten beim Abendfeuer am Herde Viele durch ihren Bericht aus fremden Ländern erfreut." Gekränkt antwortete der Fürst: „Ich habe den Rath nicht über das Lagern in meinem Hofe gefordert, sondern über das Gebot des Königs, welches uns hart bedrängt." Da sprach Bero, der Bauer ihm entgegen: „Noch Anderes bedrängt uns, Herr, mehr als die zwanzig und zwei Fremden. Der König sucht einen Vorwand um den Zehnten von unsern Herden für sich zu erhalten und die Garben von unsern Feldern, wir aber erkennen, daß Herde und Ackerland uns ohnedies zu klein werden für unsern Bedarf. Alle Dörfer sind mit rüstiger Jugend gefüllt, sie fordert Baugrund für neue Höfe, Ackerland, Wiese und Waldweide. Wer soll es hergeben, Alles ist aufgetheilt und versteint, die Hirten klagen, daß die Herden der Grundherren zu groß werden und der Eckern und Eicheln zu wenig, dem

Roden des Waldes widerstehen die Gemeinden und noch mehr die Häuptlinge. Darum meinen Biele, die Zeit sei gekommen, wo unser Volk wieder siedeln muß jenseit der Landesmark wie zur Zeit der Väter und der Ahnen. Und wir fragen in den Dörfern, wo ist leeres Land zum Besiedeln auf der Männererde? So herrscht Mißvergnügen im Volke und unsere Jungen werden dem zufallen, der ihnen freien Ackergrund bietet, selbst wenn es der König wäre. Das sage ich um zu warnen, denn gefährlich ist die Habgier der Herren, wenn sie die Waffen des Volkes für sich begehren. Dennoch rathe ich nicht, daß wir die Gäste dem König ausliefern. Will der König mit Gewalt sie entführen, so möge er es versuchen. Auch mir erregt der Gedanke Grimm, daß die Knaben des Königs mir die Rinder wegtreiben und die Scheuer anzünden möchten, aber von unserem Recht lasse ich mich nicht abdrücken, Jedermann wird es für unrecht halten, wenn wir die Gäste im Schneesturm austreiben. Und lieber will ich mit meinem Hofe untergehen als ihnen aus Furcht das Gelöbniß brechen."

Wieder sprang Rothari auf, schlug vergnügt in die Hand des Bauern und rief: „So spricht ein wackerer Nachbar, hört auf seine Worte."

Endlich begann auch Albwin mit gewinnender Miene: „Was der Freie gesagt, dem falle auch ich zu. Ich rathe, wir halten den Eid, der uns vielleicht lästig wird, wenn die Gäste daran mahnen und sich unsern Schuß begehren. Wollen sie aber freiwillig aufbrechen, so geben wir ihnen Förderung und Gastgeschenke, damit sie ungefährdet ziehen, wohin ihnen der Muth steht. Dem König aber liefern wir sie nicht in die Hand, außer mit ihrem freien Willen."

Da stimmte die Mehrzahl bereitwillig bei, auch der Fürst und Sintram. Aber Rothari rief zornig: „Ihr wollt handeln wie der Fuchs mit der Bäuerin, als er ihr sagte: ich gelte dir das Huhn, aber fordere nichts." Und Isanbart warnte: Wie mögt ihr die Pflicht auf die Seele des Gastes legen,

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die auf euch und euren Kindern liegt. Wer kann den Wirth loben, der die Großmuth des Gastes anruft.“

So stritten die Waldleute gegen einander und zwiespältig blieb die Meinung.

Unterdeß sang Hildebrand im Hofe laut den Jägerspruch und blies auf dem großen Horn die Waidgesellen zusammen. Gerüstet mit Speer und Armbrust, die Bracken an der Leine, eilten die Thüringe aus dem Hofthor; mit dicken Speereisen, mit Hornbogen und Keule kamen die Vandalen, welche der Hunde entbehrten. Hildebrand schied den Jagdzug in zwei Haufen, Hofmannen und Gäste, die Männer aus der Landschaft theilte er beiden zu. Die Jäger sprachen leise den Waidsegen, dann begann Berthar zu dem Jagdmeister: „Schlecht wird es deinen Gästen ohne Hunde auf glattem Pfad gelingen, sorge wenigstens, Held, da du doch die Gänge des Wildes kennst, daß mein Haufe nicht vergeblich den Schnee drückt, denn auch der schnelle Fuß vermag nimmer Wild zu erreichen, wo keines vorhanden ist. Manchmal hast du uns in die Irre gesandt fern von den Fährten der Waldriesen; achte, wenn dir's gefällt, heut darauf, daß wir nicht vor den Gaugenossen gekränkt werden.“

„Wer Glück und Geschick entbehrt, schilt den Treiber," versette Hildebrand, „du mahnst ohne Grund, ich habe billig getheilt." Das Horn rief, die Hunde zerrten an den Riemen, fröhlich brachen die Jäger auf und grüßten die Frauen, welche der Ausreise am Hofthor zusahen. Als die Vandalen bei Irmgard vorüberzogen, erhoben sie plötzlich hellen Jubelruf und neigten die Waffen und Knie vor ihr. Auch Ingo trat von der Seite in ihre Nähe.

„Du allein, Held, hörst nicht auf den Jagdgesang?" frug Irmgard.

„Noch Andere bleiben zurück," versetzte Ingo nach der Halle weisend.

„Zweifle nicht an ihrer Treue," flehte Irmgard. „Wenn Freytag, Werte. VIII.

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du bei deinen Helden bist, sorgen wir nicht sehr, daß wieder ein Feuer zwischen ihnen und unseren Männern aufbrennt.“ So mahnte ihn das Weib, welches er lieb hatte, selbst zu der Jagd, die Manchem kummervoll wurde.

Ingo rüstete sich schnell mit dem Jagdzeug und eilte den Genossen nach, er erreichte sie noch vor der Theilung und wurde von seinen Kriegern mit Zuruf empfangen, auch die Landgäste freuten sich seiner und als gute Gesellen betraten Alle den Wald. Hildebrand wies die Pfade, und von den Jünglingen des Dorfes geführt verschwand ein Haufe nach dem andern in den Thalwindungen und zwischen den Hochstämmen. Bald erschollen aus der Ferne die Schläge der Treiber an die Stämme, das Gebell der Hunde und zuweilen ein lustiger Hornruf. Diesmal hatten die Vandalen den bessern Erfolg, sie beschlichen eine Auerherde, darunter den mächtigen Stier, der bereits im Hofe verkündet war, und ihnen gelang es, die Herde von der Höhe in ein tiefes Thal zu treiben, wo die Schneewehen den großen Leibern der Thiere den Lauf hinderten. Dort warfen sich die Männer von oben gegen die riesigen Stiere, mit gellendem Jagdruf, mit Pfeilschuß und Speerwurf drangen die Gesellen vom Rand der Höhen thalab. Und sie fällten die Herde, nur ein Häuptling der Thiere, das Ungethüm, brach durch zu wegsamerer Stelle. Da warf Ingo das schwere Eisen gegen ihn, ein Blutstrom ergoß sich nach dem Wurf. „Er hat es!" rief Ingo und der Heilruf der Andern antwortete. Aber der Waldriese arbeitete sich empor bis zum Hochwald, in weiten Sprüngen folgte ihm speerlos Ingo, sein Messer schwingend. Wieder brach das Thier, den Speer schleppend, in ein tiefes Thal und während Ingo auf der Höhe vorwärts stürmte um ihm auf schneeweißem Grunde zuvorzukommen, hörte er unten Gebell der Hunde, Jagdruf und Hornklang, und als er sich in das Thal warf, fand er den Stier am Boden, den Speer Theodulfs im Leibe, der Mann aber stand auf dem Thier und blies den Siegesruf.

,,Mein ist das Wild nach Waidrecht," rief Ingo und schwang sich auf den Leib des Gefällten,,,mein Speer gab ihm den Todeswurf." Ueber der Beute standen die Männer gegen einander und heißer Haß sprühte aus ihren Augen. „Mein ist die Waffe und mein der Stier," rief Theodulf. Da riß Ingo den Speer des Andern aus dem Leib des Stiers und warf ihn weitab, so daß er in den Aesten einer Fichte hängen blieb. Dem Thüring schlugen vor Wuth die Zähne zusammen, einen Augenblick machte er Miene sich im Faustkampf gegen Ingo zu stürzen, aber die stolze Haltung des Mannes verwirrte ihm den Gedanken, er sprang zurück und heßte die Meute der Hunde gegen Ingo. Heulend fielen die wüthenden Thiere den Helden an, vergebens schrie Hildebrand: „Wehe!" Ingo stieß mit seinem Messer das grimmigste nieder, aber auch die Vandalen sprangen herzu den König aus der Noth zu retten und trieben ihre Eisen den Hunden in den Leib. „Geendet ist die Jagd!" rief Berthar befehlend, „jetzt beginnt eine andere, der Bube darf die nächste Sonne nicht schauen, der die Hunde auf unsern König gehezt hat. Heut waren wir Hundeschläger, wie du uns nanntest, und der lezte Hund, den wir schlagen, bist du." Er hob die Keule zum Wurf, aber mit eisernem Griff umklammerte ihm Ingo den Arm: „Keiner wage ihn zu berühren, der Mann gehört meinem Schwert. Du aber Hildebrand, lade die Richter zum Waidgericht, auf der Stelle vor blutiger Spur und erlegtem Wild entscheidet über mein Recht." Die beiden Haufen wählten gesondert jeder einen Mann, diese den dritten. Die Richter schauten die Wunden, folgten der Todesspur bis zu der Stelle, an welcher Ingo's Eisen den Stier getroffen, dann kehrten sie zurück, traten zusammen und sprachen das Urtheil: „Dem Helden Ingo gehört die Beute." Ein wildes Lächeln flog über das Antlig des Königs, er kehrte dem Stier den Rücken. „Ich rathe," begann Hildebrand mit trüber Miene, „daß die Haufen nicht in gleicher Zeit zum Hofe ziehen, gefällt's euch, ihr Helden, so nehmt den Vortritt."

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