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leidig einen Topf geschenkt, als werthvolle Gabe, damit sie den Kindern die Wurzeln und Pilze koche, und kleine Sorbenjungen waren mitgelaufen, den Gesang zu hören, und hatten versucht das Kyrie nachzuschreien. Von dem Feuerschein in ihrem Rücken wußten die Fahrenden nichts und als ein Sorbenmann sie darnach frug, hatten sie das ehrlich gesagt und der Mann hatte ihnen geglaubt und sich über das feurige Zeichen am Himmel sehr gewundert. Erst am letzten Mittag, da sie zum Schwarzwasser gelangten, hatte Walburg, während der Mönch bei ihr vorüberging, den Schleier gehoben und mit Anstrengung zu ihm gesagt: „Raste nicht wo Ingrams Mann geboten, ziehe nicht den Pfad, den er dir gewählt, vergeblich wäre es durch hastige Fahrt die Kinder vor dem Verfolger zu retten. Laß mich absteigen, ich vermag wohl zu gehen, und jage die Rosse ohne uns nordwärts, denn sie ziehen uns die Wölfe und die Sorben nach. Lieber vertraue unser Leben dem Bannwald und den Klippen der Schwarza. Dort birg die Kinder." Den Rath billigte Gertrud, obwohl ihr vor Ungeheuern graute, denn auch sie hatte ihre Gedanken über den Feuerschein und über das Jagdglück des Wolfram. Und als sie über das Schwarzwasser gedrungen waren, rief Gertrud einige Weiber und die Knaben und führte sie mit den Rossen auf weichem Grunde eine Wegstrecke denselben Pfad entlang, welchen Wolfram ihr vorgesungen hatte, bis dahin, wo der Boden hart wurde und die Tritte undeutlich, dann trieb sie die ledigen Rosse mit starken Schlägen nordwärts und lehrte die Kinder die Schritte hinter sich zu setzen und rückwärts zu stapfen bis an die Stelle des Baches, von der sie gekommen waren.

„Es ist eine Kinderlist," sagte sie, „vielleicht hilft sie doch Kluge täuschen." Darauf zogen sie im schwarzen Thal entlang, das Wasser zur Linken, bis ihnen ein Bach, der aus der Richtung ihrer Heimat in die Schwarza rann, den Weg Hemmte. An dieser Wasserrinne zogen sie thalauf, endlich erstiegen sie langsam und mit müden Beinen eine Berglaite und

gingen auf dem Rücken noch eine Strecke dahin, während der Himmel sich röthete. Da fanden sie ein altes Verhau, das früher einmal Jäger oder flüchtige Thalleute zusammengeworfen hatten, sie drängten sich hinein, suchten den Quell und zündeten im Abendlicht unter den Bäumen ihre Feuer an. Die Frauen bereiteten für Walburg ein Lager von Haidekraut und rüsteten wilde Nachtkost. Die Kinder aber lagerten sich im Kreise um Gottfried, und dieser erzählte ihnen die Geschichte von einem Königsohn aus Morgenland, der Joseph hieß und den seine Brüder in eine tiefe Grube warfen, die ganze Geschichte bis dahin, wo Joseph seinen alten Vater wiederfand und küßte. Die Kinder saßen um ihn, die kleinsten drückten sich an seine Arme und hingen sich an seinen Hals, die blauen Kinderaugen blickten ihn so gespannt und so fröhlich an, daß er sich vorkam wie ein Seliger unter den Engeln. Und als er geendet hatte und Alles um ihn her schwieg, rief ein kleiner Heidenknabe, den sie Bezzo nannten, indem er an ihm hinaufkletterte und seinen Hals umfing: „Ich bin Joseph, und ich will essen." Alle lachten und sahen auf Gertrud, welche mit einem Holzstabe im Topfe rührte. Da hockten die Kinder um das Feuer und die Frauen theilten ihnen auf Tellerlein vom Rinde die Bissen zu, worauf die Frauen auch der eigenen Mahlzeit gedachten. Gottfried aber sang den Kindern das Nachtgebet vor, und ein grauer Waldvogel knarrte zu dem Amen der Gemeinde seinen rauhen Triller, gerade wie einst in der Zelle unter den Brüdern der alte Hunibert, welcher harthörig war. Dann legte Gottfried die Kinder zur Nachtruhe; aneinander geschmiegt, die Köpfe ins Moos gedrückt, schliefen sie ein.

Neben ihm saß eine junge Heidenfrau, verworren hing ihr das Haar um das bleiche Gesicht und ihre Augen starrten ausdruckslos umher. Sie war die zwei Tage schweigend unter den andern hingewankt und mit scheuer Theilnahme hatten die Frauen ihr gedient, wie unglücklich sie auch selbst waren.

Jetzt öffnete sie zum ersten Mal die Lippen: „Gut sorgst du um die Lebenden, Fremdling; aber wenig nütt deine Mühe dem toten Kinde, das zerschlagen am Wege liegt, klein waren seine Beinchen und es weinte da es lief. Jezt wischt wohl sein Schatten in der Nacht längs dem wilden Wege und sucht die Mutter, oder es sigt tief unten im Brunnen, wo die weiße Frau die armen Kinderseelen hütet, kalt ist das Wasser, stumm kauert das Kind und die Mutter sehnt sich und verhaßt ist ihr das Leben."

Gottfried kniete zu ihr in das Moos, auch ihm rannen die Thränen vom Angesicht. „Die weiße Frau kenne ich, welche dein totes Kind behütet, und den Weg weiß ich, der zu ihr führt; denn uns ist Etwas verkündet von den Kleinen, und es steht in den heiligen Büchern geschrieben: Der Kleinen ist das Himmelreich. Nicht im kalten Brunnen kauert dein Liebling, die Jungfrau Maria ist's, wie ich meine, welche hoch oben im Himmel über den Kindern waltet. In Wonne leben sie und schwingen ihre Flügel und hohe Engel heißen sie unter den Menschen. Selig jauchzen sie dem Frommen entgegen, der aus der Erde aufsteigt in den Himmelssaal. Harre, Frau, und vertraue, auch dir wird dein Engel entgegenfliegen in deiner lezten Stunde und wird dich hinaufführen in den Saal der ewigen Freude."

Das Weib weinte laut, dann legte sie die Hände über die seinen und flehte angstvoll an ihm niedersinkend: „Bete deinen Sang, damit ich es wiederfinde."

Gottfried sprach ihr die fromme Bitte vor und sie wiederholte stöhnend die Worte.

Zuleht trat er zu Walburg, sah zu ob ihr die Wunde genegt war und segnete sie. Die Kranke versuchte sich aufzuraffen und drückte ihm dankbar die Hand. Der Mönch zog seine Hand zurück, aber die Hand bebte. „Nicht mir erweise treue Gesinnung, Jungfrau," sprach er, denn wenn ich für dich sorge, so geschieht es nicht um dir gefällig zu werden,

sondern weil ich nach dem Befehl des großen Himmelsgottes handle. An ihn denke, ich bin nur wie der Windhauch, der dir seine Stimme zuträgt, daß sie in dein Ohr tönt. Von Vater und Mutter bin ich gewichen und von meiner Schwester Herzen habe ich mich gerissen, keinem Menschen zu Liebe darf ich handeln, nur ihm diene ich, und was er mir gebietet, das thue ich, sei es mir schwer oder leicht." So stärkte er seufzend sich selbst.

Walburg sank auf ihr Lager zurück und Gottfried schritt mit gesenktem Haupt zum Eingang des Geheges. Die Nacht stieg herauf, die Frauen lehnten die Köpfe an die Baumstämme und Gottfried saß lange allein mit seinen Gedanken, bis auch ihm der Schlummer die Augen schloß. Und im Schlaf machte er das Kreuz, wenn das Gebell der Waldthiere aus der Tiefe scholl und der Schrei des Uhus.

Wolfram schaute müde nach dem Morgenhimmel, als auf der Höhe Zweige brachen und Ingram herabsprang. Mit verstörtem Antlig rief der Held: „Nur ein Zeichen sah ich, die Feuer der Sorben, mit zwanzig Pferden liegen sie an der Saale. Zwei Jägerhaufen neiden einander das Wild; neu beginnt die Suche, auf die Rosse und hinein in den Wald.“

5.

Die Versammlung am Walde.

Wie ein wilder Eber schnaubend in sein Lager fährt, wenn er mit Mühe das Gebiß der Hunde rermieden hat, so sprang Ingram in den Rabenhof. Er schüttelte Wunihild, die Sklavin, von sich ab, als sie ihm die Arme entgegenstreckte, auch seinen Knechten, die ihm frohen Gruß zuriefen, gab er kurze Antwort; mit brennenden Augen, sehnsüchtig nach Schlaf, warf er sich auf sein Lager, aber jammervolle Gedanken rissen ihn hin und her. Ohne Schwert und Roß, als ein entwichener Knecht kehrte er in den Hof seiner Väter zurück, Alles sah er noch einmal vor sich: die höhnende Miene des Sorben, das brennende Dorf, ein Weib, das sich zornig von ihm abwandte, und den fremden Knaben, vor dem sie kniete. Er ballte die Faust und schleuderte das Fell seines Lagers von sich. „Sind sie im Dorfe?" rief er dem eintretenden Wolfram entgegen.

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,,Unten wachten nur noch Wenige, und keiner wußte von ihnen zu sagen, auch um die Hütte des Priesters war es leer und still," versezte sein Mann, „sind sie geflogen, wer weiß, wo sie anhalten, und sind sie in einen Berg entrückt, wer weiß, wann sie zurückkehren." Ingram eilte zur Thür. „Wohin, Herr?" rief der Mann ihn kräftig festhaltend. „Nach solcher Hetjagd und vier schlaflosen Nächten ist dir der Sinn verstört, ich leide nicht, daß du noch einmal zu Rosse steigst. Wir haben gethan was in Manneskraft stand und noch mehr. Auf unserer Spur haben wir die Sorben fortgelockt; wandeln die Verschwundenen mit ihren Füßen auf der Erde, so haben wir Freytag, Werke VIII.

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