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die auf euch und euren Kindern liegt. Wer kann den Wirth loben, der die Großmuth des Gastes anruft."

So stritten die Waldleute gegen einander und zwiespältig blieb die Meinung.

Unterdeß sang Hildebrand im Hofe laut den Jägerspruch und blies auf dem großen Horn die Waidgesellen zusammen. Gerüstet mit Speer und Armbrust, die Bracken an der Leine, eilten die Thüringe aus dem Hofthor; mit dicken Speereisen, mit Hornbogen und Keule kamen die Vandalen, welche der Hunde entbehrten. Hildebrand schied den Jagdzug in zwei Haufen, Hofmannen und Gäste, die Männer aus der Landschaft theilte er beiden zu. Die Jäger sprachen leise den Waidsegen, dann begann Berthar zu dem Jagdmeister: „Schlecht wird es deinen Gästen ohne Hunde auf glattem Pfad gelingen, sorge wenigstens, Held, da du doch die Gänge des Wildes kennst, daß mein Haufe nicht vergeblich den Schnee drückt, denn auch der schnelle Fuß vermag nimmer Wild zu erreichen, wo keines vorhanden ist. Manchmal hast du uns in die Irre gesandt fern von den Fährten der Waldriesen; achte, wenn dir's gefällt, heut darauf, daß wir nicht vor den Gaugenossen gekränkt werden."

„Wer Glück und Geschick entbehrt, schilt den Treiber," verseßte Hildebrand, „du mahnst ohne Grund, ich habe billig getheilt." Das Horn rief, die Hunde zerrten an den Riemen, fröhlich brachen die Jäger auf und grüßten die Frauen, welche der Ausreise am Hofthor zusahen. Als die Vandalen bei Irmgard vorüberzogen, erhoben sie plötzlich hellen Jubelruf und neigten die Waffen und Knie vor ihr. Auch Ingo trat von der Seite in ihre Nähe.

„Du allein, Held, hörst nicht auf den Jagdgesang?" frug Irmgard.

„Noch Andere bleiben zurück," versette Ingo nach der Halle weisend.

„Zweifle nicht an ihrer Treue," flehte Irmgard. „Wenn Freytag, Werte. VIII.

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du bei deinen Helden bist, sorgen wir nicht sehr, daß wieder ein Feuer zwischen ihnen und unseren Männern aufbrennt." So mahnte ihn das Weib, welches er lieb hatte, selbst zu der Jagd, die Manchem kummervoll wurde.

Ingo rüstete sich schnell mit dem Jagdzeug und eilte den Genossen nach, er erreichte sie noch vor der Theilung und wurde von seinen Kriegern mit Zuruf empfangen, auch die Landgäste freuten sich seiner und als gute Gesellen betraten Alle den Wald. Hildebrand wies die Pfade, und von den Jünglingen des Dorfes geführt verschwand ein Haufe nach dem andern in den Thalwindungen und zwischen den Hochstämmen. Bald erschollen aus der Ferne die Schläge der Treiber an die Stämme, das Gebell der Hunde und zuweilen ein lustiger Hornruf. Diesmal hatten die Vandalen den bessern Erfolg, sie beschlichen eine Auerherde, darunter den mächtigen Stier, der bereits im Hofe verkündet war, und ihnen gelang es, die Herde von der Höhe in ein tiefes Thal zu treiben, wo die Schneewehen den großen Leibern der Thiere den Lauf hinderten. Dort warfen sich die Männer von oben gegen die riesigen Stiere, mit gellendem Jagdruf, mit Pfeilschuß und Speerwurf draugen die Gesellen vom Rand der Höhen thalab. Und sie fällten die Herde, nur ein Häuptling der Thiere, das Ungethüm, brach durch zu wegsamerer Stelle. Da warf Ingo das schwere Eisen gegen ihn, ein Blutstrom ergoß sich nach dem Wurf. „Er hat es!" rief Ingo und der Heilruf der Andern antwortete. Aber der Waldriese arbeitete sich empor bis zum Hochwald, in weiten Sprüngen folgte ihm speerlos Ingo, sein Messer schwingend. Wieder brach das Thier, den Speer schleppend, in ein tiefes Thal und während Ingo auf der Höhe vorwärts stürmte um ihm auf schneeweißem Grunde zuvorzukommen, hörte er unten Gebell der Hunde, Jagdruf und Hornklang, und als er sich in das Thal warf, fand er den Stier am Boden, den Speer Theodulfs im Leibe, der Mann aber stand auf dem Thier und blies den Siegesruf.

„Mein ist das Wild nach Waidrecht," rief Ingo und schwang sich auf den Leib des Gefällten, mein Speer gab ihm den Todeswurf." Ueber der Beute standen die Männer gegen einander und heißer Haß sprühte aus ihren Augen. „Mein ist die Waffe und mein der Stier," rief Theodulf. Da riß Ingo den Speer des Andern aus dem Leib des Stiers und warf ihn weitab, so daß er in den Aesten einer Fichte hängen blieb. Dem Thüring schlugen vor Wuth die Zähne zusammen, einen Augenblick machte er Miene sich im Faustkampf gegen Ingo zu stürzen, aber die stolze Haltung des Mannes verwirrte ihm den Gedanken, er sprang zurück und heßte die Meute der Hunde gegen Ingo. Heulend fielen die wüthenden Thiere den Helden an, vergebens schrie Hildebrand: „Wehe!" Ingo stieß mit seinem Messer das grimmigste nieder, aber auch die Vandalen sprangen herzu den König aus der Noth zu retten und trieben ihre Eisen den Hunden in den Leib. „Geendet ist die Jagd!" rief Berthar befehlend, „jetzt beginnt eine andere, der Bube darf die nächste Sonne nicht schauen, der die Hunde auf unsern König gehezt hat. Heut waren wir Hundeschläger, wie du uns nanntest, und der lezte Hund, den wir schlagen, bist du." Er hob die Keule zum Wurf, aber mit eisernem Griff umklammerte ihm Ingo den Arm: Keiner wage ihn zu berühren, der Mann gehört meinem Schwert. Du aber Hildebrand, lade die Richter zum Waidgericht, auf der Stelle vor blutiger Spur und erlegtem Wild entscheidet über mein Recht." Die beiden Haufen wählten gesondert jeder einen Mann, diese den dritten. Die Richter schauten die Wunden, folgten der Todesspur bis zu der Stelle, an welcher Ingo's Eisen den Stier getroffen, dann kehrten sie zurück, traten zusammen und sprachen das Urtheil: „Dem Helden Ingo gehört die Beute." Ein wildes Lächeln flog über das Antlig des Königs, er kehrte dem Stier den Rücken. „Ich rathe," begann Hildebrand mit trüber Miene, „daß die Haufen nicht in gleicher Zeit zum Hofe ziehen, gefällt's euch, ihr Helden, so nehmt den Vortritt."

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„Die leichtesten seid ihr," versette Berthar, „meine Gesellen werden Mühe haben, ihre Beute aus dem Walde zu schleifen. Dennoch meine ich, daß wir auf die Jagdehre nicht verzichten, denn von dieser Jagd wird im Lande wohl noch länger erzählt." Schweigend schritten die Bankgenossen des Herrn Answald dem Hofe zu, nur Theodulf sprach in seiner hochfahrenden Weise, um durch die Worte den Grimm zu bewältigen, der in ihm kochte; ohne Jagdruf betraten sie den Hof, Hildebrand eilte zum Fürsten. Es war finster, als die siegvolle Schaar mit ihrer Beute ankam. „Blast den Freudenruf," rief Berthar, wie so reicher Jagd gebührt." Der Halagesang ertönte, aber Niemand öffnete das Hofthor und Wolf mußte vorspringen und den Querbaum zurückschieben. Die Vandalen legten die Jagdbeute vor dem Hause des Fürsten nieder, schieden grüßend von den Genossen aus Thüringen und sammelten sich still in ihrer Herberge.

Der Hof lag finster und der Wintersturm heulte über den Dächern, aber in allen Häusern nnd in der Halle summte das Geräusch halblauter Rede.

6.

Der Abschied.

Zum Nothkampf auf der Aue, den die Sonne nicht schauen darf, schritt im Grau des nächsten Morgens Ingo mit seinen Schwertgesellen Berthar und Wolf. Unter ihren Füßen ächzte der Schnee, der Nachtwind fuhr um ihre Häupter und trieb Schneewolken von den Bergen in das Thal; die schwarze Wolkendecke barg alles Himmelslicht, nur die Geister des Todes herrschten auf der Erde, sie schrieen aus dem Winde, sie rasselten in den dürren Bäumen und rauschten im Eiswasser die Kunde, daß von zwei Eidgesellen eines Herdes der eine geschieden werden sollte vom Sonnenlicht, damit er hinabsteige in das kalte Nebelreich. Berthar wies schweigend in die Dämmerung, auf der andern Seite des Baches standen drei Männer, es war Theodulf mit Sintram und Agino, seinen Genossen. „Ihre Füße waren schneller," sprach Ingo unzufrieden, „rühme die, welche zuerst der Nebelaue den Rücken kehren." Vor ihnen lag die Stätte des Kampfes, ein sandiges Eiland mit dünner Schneedecke, auf beiden Seiten vom strudelnden Wasser umgeben. Die Schwerthelfer grüßten einander lautlos über den Bach, sie schritten zu den Weiden am Uferrand, schnitten starke Zweige und schälten mit dem Messer die Rinde. Dann sprangen Berthar und Sintram durch das Wasser, beide betraten zu gleicher Zeit den Grund der Aue und steckten den Kampfplag mit weißen Stäben ab. Darauf trat jeder von ihnen an eine Spitze des Eilandes, der eine stromauf, der andere stromab

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