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grüße dich friedlich, ein Landfremder bin ich, unkundig der Losung."

Mißtrauisch rief der Wächter ihm entgegen: „Du kommst nicht wie ein Häuptling mit Roß und Gesinde, du trägst nicht den Heerschild eines Kriegers, auch scheinst du nicht ein wandernder Krämer mit Pack und Karren." Und der Fremde rief zurück: „Weit komme ich her über Berg und Thal, mein Roß verlor ich im Wirbel des Stromes, ich suche das Gastrecht in deinen Höfen.“

„Bist du ein wildfremder Mann, so mußt du harren, bis meine Genossen dir das Land öffnen. Unterdeß gib mir Frieden und nimm ihn von mir."

Die Männer hatten einander mit scharfen Augen beobachtet, jezt lehnten sie ihre Speere an die Grenzbäume, traten in den freien Raum und boten die Hände. Beim Handschlag prüfte einer des andern Antlig und Geberde. Der Wächter blickte mit ehrlicher Bewunderung auf den mächtigen Arm des Fremden, der wenige Jahre älter war als er selbst, auf die feste Haltung und die stolze Miene.

„Nicht mühelos wäre der Schwertkampf mit dir auf grünem Rasen," sagte er treuherzig, „ich bin fast der längste Mann unserer Methbank und doch muß ich zu dir hinaufsehen. Sei gegrüßt unter meinem Baum und ruhe, indeß ich deine Ankunft verkünde."

Während der Fremde sorglos der Einladung folgte, hob der Wächter sein Horn an den Mund und blies einen lauten Ruf in die Thäler seines Volkes. Die wilden Klänge tönten im Wiederhall von den Bergen. Der Wächter schaute nach den Hütten der fernen Lichtung und nickte zufrieden mit dem Kopf, denn um die Häuser wurde eine Bewegung sichtbar; nach kurzer Zeit eilte ein Reiter der Höhe zu. „Nichts über einen starken Hall aus Auerhorn," sprach er lächelnd und glitt neben dem Fremden in das Haidekraut, während sein schneller Blick den Aushau des Waldes entlang und in das fremde Thal

vor ihm flog. „Sprich, Wandrer, ist vielleicht ein Verfolger auf deiner Fährte, oder hast du sonst Krieger im Walde gesehen ?"

„Nichts schallt im Walde, als was hineingehört,“ versette der Fremde, „,,kein Spürer der Katten achtete auf meinen Pfad seit sechs Nächten und Tagen."

„Die Söhne der Katten kommen blind zur Welt, wie junge Hunde,“ rief der Wächter verächtlich. „Dennoch meine ich, daß du dich gut auf Waldversteck verstehst, wenn du ihre Wachen vermieden hast."

„Vor mir war Licht, hinter mir Finsterniß," antwortete stolz der Fremde. Der Wächter sah mit Antheil auf den Mann, in dem gebräunten Antliß war jezt deutlich die Erschöpfung zu sehen, der Leib lag schwer gegen den Baumstamm. Eine Weile überlegte der Wächter: Hattest du die Rache der Katten zu fürchten, so hast du wohl auch tagelang Feuer und Rauch entbehrt und üble Reisekost gefunden, denn der Wald bietet jezt nicht einmal Beeren und wilde Frucht. Sieh, ich gehöre zur Bank des Häuptlings, nicht weiß ich, ob er dir sein Brot und Salz reichen wird; aber hungernden Mann im Walde mag ich nicht schauen. Nimm und iß aus meinem Ranzen." Der Wächter griff hinter den Baum, holte eine Tasche von Dachsfell hervor und bot darin Schwarzbrot und Fleisch. Der Fremde sah ihn dankbar an, aber er schwieg. Da hielt ihm der Wächter ein kleines Horn entgegen, öffnete den Holzdeckel und mahnte freundlich: „Nimm auch das Salz, unter dem Baum ist mein Heimwesen, hier bin ich der Wirth.“ Der Fremde faßte darnach: „Gesegnet sei dir die Gottesgabe, wir sind Freunde.“ Er aß kräftig, der Jüngling sah ihm zufrieden zu.

,,Wenn die milde Sonne ihre Strahlen durch das Baumlaub sendet, dann ist dein Wächteramt froher Dienst," begann der Fremde endlich das Gespräch, wenn aber der Wald tobt in der Sturmnacht, dann bedarf der Waldhüter Muth."

„Der Grenzrain hier ist den guten Göttern des Volkes geweiht," versezte der Wächter, „von beiden Seiten rinnen die heiligen Quellen hinab in die Thäler, wir Waldleute aber sind vertraut mit dem Nachtgesang der Bäume."

„Du bist jung an Jahren," fuhr der Fremde fort, „dein Herr schenkt dir großes Vertrauen, daß er dem Einsamen die Sorge um die Landesmark überläßt."

„Es stehen der Männer mehr an dem Grenzzaun," erklärte der Wächter. „Wir besorgen wenig von einem Einbruch der feindlichen Haufen durch den Bergwald, denn schwer wird es dem Fuß des Fremden über Fels und Waldbach in die Gehege zu dringen. Aber das Gerücht kündet, daß vor kurzer Zeit ein heißer Krieg an der Römergrenze entbrannt ist zwischen den Alemannen und dem Cäsar, den sie Julianus nennen, und vor zehn Tagen fuhr bei uns zur Nachtzeit das wilde Heer des Gottes durch die Luft — er sah scheu in die Höhe seitdem wahren wir die Landesmark."

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Der Fremde wandte das Haupt und blickte jezt zum ersten Mal hinüber nach dem Heimatland seines Gefährten. In vielen Reihen zogen sich die langgeschwungenen Berghöhen hinter einander, querdurch führte ein tiefes Thal, da wo es sich zu der Lichtung erweiterte, glänzte im Sonnenlicht der Schaum des Waldbachs.

Und jezt laß mich wissen, Gutgesell, wessen Zeichen du trägst und wohin deine Weisung mich führt."

„In allen Thälern, welche dein Auge sieht, und weiter bis in die Ebene hinab, waltet als Häuptling Herr Answald, der Sohn Irmfrieds, welchem auch ich diene.“

„In der Fremde vernahm ich, daß ein großer König über das Volk der Thüringe herrscht, sie nannten ihn König Bisino," verseßte der Wandrer.

„Du hast das Richtige gehört," bestätigte der Jüngling. „Aber dies Waldland hier ist frei unter seinem eigenen Herrengeschlecht seit alter Zeit und der große König des Landes ist

zufrieden, daß wir ihm die Grenze hüten und jedes Jahr Rosse an seinen Hof senden. Wenig sorgen wir Waldleute um den König, und unser Herr Answald geht nur selten zu Hofe nach der Königsburg."

„Und zählt König Bisino eure Rinderherden nicht, die ich dort bei den Hütten sehe?" frug der Fremde wieder.

Hm, es war einmal Waffenlärm in den Dörfern, weil der König seine Eber unter unsern Eichen mästen wollte, auch kam dem König das Gelüst den wilden Ochs in unsern Wäldern zu jagen, aber man hat nichts mehr davon gehört.“

Der Fremde sah ernsthaft in das Thal hinab: „Und wo ist der Hof deines Herrn?"

Der Wächter wies die Thallücke entlang. Er liegt am Ausgang der Berge, für einen schnellen Wanderer drei Stunden thalab, uns aber trägt ein Roß von der Weide in kürzerer Zeit dorthin. Hörst du den Hufschlag? Das Horn hat meinen Gesellen verkündet, daß ein Fremder zu geleiten ist; der mich ablöst, kommt."

Den Bergweg trabte ein Reiter herauf, ein stattlicher Jüngling, dem Wächter ähnlich an Antlitz und Geberde, er schwang sich vom Pferde und sprach leise mit seinem Gefährten. Der Wächter übergab ihm das Horn, warf die Ledertasche über die Schulter und bot das Pferd dem Fremden. Ich folge deinem Schritt," sagte dieser ablehnend; er grüßte mit Hand und Haupt den neuen Wächter, der ihn neugierig betrachtete, und wandte sich mit seinem Führer dem Thale zu.

Steilab führte der schmale Pfad zu dem gewundenen Lauf des Gießbaches, zwischen Baumriesen, deren lange Moosbärte grausilbern im Sonnenlicht glänzten, über Wurzeln, die wie riesige Schlangen auf dem Weg lagen und sich in hohem Bogen. wanden, wo das Geröll, welches ehedem unter ihnen lag, vom Wasser fortgespült war. Am Rand des Baches hemmte Treibholz und gehäufte Menge trockener Binsen, dort hatte im Frühjahr die Wucht des Wassers geworfene Stämme an die

Seite gefegt, daß sie wild durcheinander lagen mit entlaubten Aeften; aber das Messer der Waldleute hatte einen schmalen Weg durch das Gewirr der Reiser gehauen. Mit beflügeltem Schritt eilten die Männer thalab, sie sprangen in weitem Schwunge von Stein zu Stein, von Baum zu Baum, vorauf der junge Wächter; oft schwang er sich hoch durch die Luft, wie ein Federball im Wurfe thalab gesendet lustig hüpft; und wo ein breites Rinnsal den Gang hinderte, wiederholte er den Sprung nach rückwärts, um seinem Gefährten Muth zu machen.

Dem Roß hatte er den Zügel über den Hals geworfen, folgsam wie ein Hund sprang es dem Manne nach; auch dem Hengst war der unebene Weg zum Spiele. Zufrieden maß der Wächter mit den Augen einen starken Schwung, den der Fremde über den Gießbach gethan hatte, und betrachtete darauf die Fußtritte auf dem weichen Grund. „Du schreitest mächtig für einen müden Mann," sagte er, mich dünkt du hast wohl schon früher weite Sprünge auf blutiger Haide gewagt. An deiner Spur sehe ich, daß du von unserem Volke bist, denn die Spize des Fußes strebt auswärts und stark drückt der Ballen. Vordem hielt ich dich nach deiner Rede für einen fremdländischen Mann. Hast du einmal Römertritte geschaut?“

„Sie schreiten mit kleinem Fuß und kurzem Schritt auf ganzer Sohle wie müde Leute."

„So sagen auch unsere Männer, die im Westen waren. Ich habe bisher nur waffenlose Händler des schwarzhaarigen Volkes gesehen," fügte er entschuldigend hinzu.

„Mögen die Schicksalsfrauen den Römerfuß von eurem Grunde fern halten," antwortete der Fremde.

„Du sprichst wie unsere Alten; wir Jungen aber denken, kommen sie nicht zu uns, so kommen wir wohl zu ihnen, denn wundervoll soll ihr Land sein, alle Häuser von buntem Stein, das ganze Jahr mildes Sonnenlicht und im Winter grüne Erde; der süße Wein gemeiner als Dünnbier, von Silber die Sessel und Bänke, die Mädchen tanzen im Goldschmuck und

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