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Wo eine Kapelle stand auf den Höhen oder ein Kirchlein unten am Strom, da drängten sich die Leute und läuteten die Glocken, wenn das Schiff kam und abfuhr. Jeden Abend legten die Reisenden an, wo fromme Christen wohnten. Herr Winfried stieg an das Land, begrüßte die Gemeinden und ruhte unter dem Dach derer, die ihm vertraut waren, während Ingram am Maste unter dem Kreuzbanner lag und die Schiffswache hielt. So fuhren die Reisenden den Rhein abwärts bis dahin, wo er zum See wird, fie legten vor Utrecht an und nahmen den Bischof von Friesland, welchen Winfried eingesetzt hatte, zu sich in das Schiff. Dann fuhren sie ostwärts bis zur Grenze der heidnischen Friesen. Dorthin hatte Herr Winfried im voraus das neubekehrte Volk geladen, damit er den Getauften die Hand auflege und sie im Glauben befestige, seine Boten waren durch das ganze Friesland gegangen und hatten seine Ankunft verkündet. An der Mündung des kleinen Flusses Borne, welcher die christlichen und heidnischen Friesen trennt, landeten die Fahrenden kurz vor dem bestimmten Tage in einer Bucht, wo die Fluth einen Wall von zugetriebenen Baumstämmen aufgehäuft hatte. Der Erzbischof trat aus dem Schiff, wählte die Lagerstelle und umschritt weihend den Raum; Ingram ließ die Zelte aufschlagen, den Graben schütten und das angeschwemmte Holz zum Walle schichten.

Als er bei dem Wall stand, die Richtung maß und selbst die Pfähle schlug, ging Herr Winfried bei ihm vorüber und sprach: Du mühst dich emsig, uns mit Holz und Erde zu umschanzen, hast du auch darum gesorgt, Einen über uns nach seinem Willen zu fragen? Denn er zieht die Schildburgen und zerwirft sie, ganz nach seinem Gefallen.“

Zürne nicht, Herr, daß ich den Hammer bis über das Abendgebet schwinge, denn Warnung kam mir von den Leuten am Ufer, vieles Raunen und wildes Gemurr verstört die Dörfer der Heiden und klein ist die Zahl der Schilde, welche dein Haupt schütt."

Winfried aber hörte gar nicht darauf, sondern fuhr fort, nach dem Himmel blickend: „Dichter standen die Bäume im Lande der Thüringe. Dort warst du der erste, welcher mir auf der Reise die Nachtpfähle hieb. Damals fiel der Eschensame herab auf den Boden und der Same heilbringender Lehre sank in dein Herz. Sieh, ein neuer Baum ist im Schuße Gottes erwachsen, nicht die unholden Schicksalsfrauen schweben darum, sondern hohe Engel, die geflügelten Boten Gottes, vielleicht, daß sie auch dir jezt oder bald einmal eine gnadenvolle Auffahrt bereiten."

Er segnete ihn und schritt in sein Zelt zurück, das inmitten der andern sich stattlich erhob. Ingram legte den Hammer weg, er rüstete sich und setzte sich mit Schild und Speer an das Lagerthor zur Nachtwache. Ueber die weite Ebene spähte sein Blick, gleich dem Herrn Winfried sah er nach der Nachtröthe, welche vom Norden her so hell schien, wie er sie noch niemals geschaut. Er dachte an sein Weib und die blühenden Kinder, die jetzt daheim in Frieden schliefen und die er so herzlich lieb gehabt, er überlegte das ganze glückliche Leben, das er mit seiner Hausfrau geführt, seine ruhmvollen Kriegsfahrten und das Lob seiner Streitgesellen, auch Wolfram und seine Rabenrosse kamen ihm in den Sinn, und er lachte und segnete in Gedanken alle Häupter der Seinen und betete für jedes; leicht war ihm das Herz und er sah immer wieder nach dem Himmelsrand, wo die Röthe langsam nach Osten zog, bis die Helle aufstieg und die kleinen Wolken rosig leuchteten wie ein Thor der aufgehenden Sonne. Da merkte er, wie das Thor geöffnet wurde, durch das er selbst hinaufsteigen sollte zu der Burg des Himmelsherrn als einer seiner Krieger, und er kniete nieder und sprach das Gebet, welches ihn Walburg gelehrt. Als er aufblickte, erkannte er fern im Dunst eine dunkle Masse, sie schob sich heran, Speereisen blinkten und weiße Schilde. Er schloß den Eingang, rief seinen Kriegsschrei und eilte zu dem Zelte des Bischofs und zu den Hütten der

Krieger. Aus dem Zelte tönte das Glöckchen, Winfried trat Hervor, das Wort des Herrn in der Hand, umdrängt von den Geistlichen. Draußen am Graben erhob sich mißtönendes Ge= Heul, die Heiden liefen gegen das Pfahlwerk und rissen an den Hölzern. Ingram sprang den Speer schwingend auf sie und trieb seine Schildgenossen zum Kampfe. Aber mächtig erscholl die Stimme Winfrieds: „Höret das Gebot des Herrn, vergeltet nicht Böses mit Bösem, sondern Böses mit Gutem. Thut ab Krieg und Kampf, denn der Tag ist gekommen, den wir lange ersehnten, heut lohnt der große Gott des Himmels seinen Getreuen. Bereitet ist uns der Hochsig in himmlischer Halle, die Schaaren der Heiligen geleiten uns vor den Thron des Himmelsherrn."

Da warf Ingram sein Schwert den einbrechenden Heiden entgegen; er trat mit ausgebreiteten Armen vor den Herrn Winfried, rief laut den Namen des Jünglings, der einst sein Reisegeselle gewesen war, und empfing die Todeswunde. Nach ihm der Erzbischof und darauf die übrigen, Geistliche und Laien. Nur wenige aus dem Gefolge retteten sich über das Wasser und berichteten von dem Ende der frommen Helden. Mit großem Gefolge fuhr der Häuptling des Christengottes zu der Halle seines himmlischen Königs.

Die Gebeine Winfrieds führten fromme Väter den Rhein hinauf, dem Thüring Ingram aber schütteten christliche Friesen. am Strande den Totenhügel und umschritten die Stelle mit Gebet. Nicht die Raben des Waldes flogen darüber, sondern weißbeschwingte Möven, und statt der Baumwipfel rauschten in seiner Nähe die Wogen des Meeres, wie der Sturmwind sie trieb, ein Jahrhundert nach dem andern.

Doch aus seinem Hofe unter den Buchen und Fichten des Waldes wuchs und breitete sich fröhlich sein Geschlecht.

Die Wogen und Wälder rauschten aus einem Jahrhundert in das andere dasselbe geheimnißvolle Lied, aber die Menschen

kamen und schwanden und unaufhörlich wandelten sich ihnen die Gedanken. Länger wurde die Kette der Ahnen, welche jeden Einzelnen an die Vergangenheit band, größer sein Erbe, das er von der alten Zeit erhielt, und stärkere Lichter und Schatten fielen aus den Thaten der Vorfahren in sein Leben. Aber wundervoll wuchs dem Enkel zugleich mit dem Zwange, den die alte Zeit auf ihn legte, auch die eigne Freiheit und schöpferische Kraft.

Druck von 3. B. Hirschfeld in Leipzig.

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