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„Gestern um Mittag."

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Ingram nickte. „Dann sind die Gesandten jenseit der Saale in Sicherheit und der Sorbe hat Freiheit zu thun was ihm gelüstet." Er schritt wieder rasch vorwärts und sprach: „Ich erkenne die Sorben deutlich vor mir." Die Jungfrau drängte sich an ihn. Nicht hier," bedeutete er, ,,weit von uns auf dem Rennwege rasten sie. Den Ratiz sehe ich liegen und meinen Raben mit der Beinfefsel des Bösewichts, den Helden Miros erkenne ich und alle Gesellen der Halle. Am heiligen Walde lagern sie, nahe dem Gipfel, welcher den Opferstein des Donnerers trägt, denn dort ist eine gute Bergestelle für die Reisekost, die sie zur Rückfahrt brauchen, und sie haben die Kost unter den Steinen niedergelegt. Ihre Feuer sind niedrig, damit kein Schein sie verrathe, und über ihnen ragen die Eichen. Der Sorbe hat nur einen Theil seines Volkes mitgebracht, schwerlich mehr als hundert der flüchtigsten Rosse, denn den ganzen Schwarm wagt er nicht über die Berge zu führen, und er weiß, nur schnelle Reiterfahrt kaun ihm frommen. Er gedenkt zum Morgengrau auf dem heiligen Wege an unser Dorf zu dringen, denn in finsterer Nacht vermag er nicht mit reisigem Volk durch die fremde Wildniß zu fahren, und auch der Mond wird ihm nach Mitternacht fehlen. Das alles sehe ich deutlich, Mädchen, und Niemanden vermag ich zu rufen, und keiner wird meinen Worten glauben."

„Ich aber will für dich sprechen, damit wir Andere retten," versetzte Walburg.

„Sorgst du um die Priester?" frug Ingram hart. ,,Könntest du mich ehren, wenn ich's nicht thäte?" erwiederte Walburg, meine Brüder schlafen unter ihrem Dach.“

Sie hörten Hundegebell. Dort liegt der Herrenhof des Asulf," mahnte Walburg und wies auf die Dächer, welche wenige Bogenschüsse vom Wege im Mondlicht glänzten.

Wahrlich, all mein Trachten ist ins Ueble verwandelt," rief Ingram. „Ehedem sprangen meine Gedanken mit Rosses

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hufen, rund und hart war mein Wille, jetzt aber laufe ich niedrig auf Eberfüßen, denn zwiespältig theilt sich Liebe und Haß; Viele, die ich hasse, muß ich beachten wie Freunde, und die mir Leid zufügten, warne ich vor Gefahr. Jämmerlich dünkt mir solche Theilung. Wandelt der neue Gott unsere Hufe in Klauen, dann mögen die Krieger bald zu Weibern

werden."

Dennoch schritt er dem Hofe zu, unter wüthendem Hundegebell schlug er an das Thor und rief dreimal den Schlachtruf der Thüringe in den Hof. Die rauhe Stimme des Wächters frug von Innen: Wer schlägt so wild und schreit im Frieden der Nacht den Kampf aus?"

Ingram rief entgegen: „Die Sorben reiten in den Bergen. Wecke deinen Herrn, daß er sich eile, wenn er den Bischof retten will."

,,Sage zuvor, wer so rauhes Nachtlied singt?" Da antwortete die Jungfrau: „Die Walburg ist's, die in dem Hofe des Bischofs war," und schnell eilten sie davon, bevor der Wächter nach den Nachtgestalten aussah.

Dasselbe riefen sie in alle Höfe, die an ihrem Wege lagen, und als sie vor das Heimatdorf kamen, mahnte Ingram den schlafenden Wächter in der Thorhütte ebenso. Es war nach Mitternacht, als sie über das Dorf hinauf kamen; die letzten Strahlen des niedersteigenden Mondes fielen auf die neuen Gebäude des Meierhofes, der Hof Ingrams lag dunkel im Schatten der Bäume. Wo der Weg sich von der Dorfstraße trennte, hielt Ingram an: „Dort liegt der Hof meiner Väter und dort hausen deine Brüder und die Priester. Vielleicht nehmen sie dich wieder bei sich auf, obgleich du den Frieden verloren hast. Wähle, Walburg."

„Ich habe dich gewählt," entgegnete Walburg, „du aber gedenke der Knaben."

Ingram bewegte zufrieden das Haupt und wandte sich dem Meierhofe zu. Wo ist das Schlafhaus der Priester ?" Walburg

führte ihn vor die neue Halle.

Wahre dich," flüsterte sie, „die Reisigen des Grafen liegen im Hofe.“ Aber Ingram achtete nicht darauf. Er pochte an den Laden. „Ist der Jüngling hier, den sie Gottfried nennen, so möge er hören.“

Drinnen regte sich's. „Ist es deine Stimme, Ingram, die mich ruft? Ich höre, mein Reisegeselle.“

„Wolfsgenoß heiße ich," antwortete Ingram rauh, „und dein Reisegeselle will ich nicht sein, sondern dein Feind. Du aber hast deine Hände den Weiden geboten, damit ein Anderer frei werde, darum bringe ich dir von ihm, der im wilden Steine haust, eine Warnung. Durch den Wald schallt es, daß der Ratiz über die Berge rettet, um den Bischof zu fangen und euch auszutilgen. Siehe zu, ob du dein Haupt und andere, die dir lieb sind, zu retten vermagst, denn nahe ist euch das Verderben."

Die Thür öffnete sich, Winfried trat auf die Schwelle. Der Speer in Ingrams Hand zuckte, aber er wendete sein Gesicht ab als der Bischof sprach: „Die Warnung kündet, was Sorge macht, doch meldet sie zu wenig um Andere zu retten. Sahst du oder ein Anderer den Anzug der Sorben ?"

„Nur ihr Anschlag wurde verrathen,“ verseßte Ingram kurz. „Und wann erwartest du den Einbruch ?“

„Vielleicht heut zum Frühlicht, vielleicht erst in den nächsten Tagen."

„Heut ist der Tag des Herrn, im Frühlicht sammelt der Himmelsgott die Getreuen bei seinem Heiligthum, dort wird er die Flehenden gnädig beschirmen. Auch dem Friedlosen ist die Freistätte bereitet, suchst du Frieden, so tritt ein.“

„Deinen Frieden begehre ich nicht,“ rief Ingram über die Achsel, Wolf und Wölfin springen abwärts von deinem Pferch." Er entwich mit schnellen Schritten, gleich darauf sah Winfried zwei Schatten über den Weg gleiten und in der Richtung des Rabenhofes verschwinden.

Ingram öffnete eine schmale Pforte, welche von außen un

kennbar durch das Pfahlwerk seines Hofzauns führte, und half der Jungfrau über Graben und Zaun in den Rabenhof. „Unrühmlich ist solcher Eintritt der Braut in den Hof des Verlobten," murmelte er zornig,,,meine eigenen Rüden fallen mich an," aber im nächsten Augenblick umsprangen ihn die Hunde mit freudigem Gebell. Schweigt, ihr Wilden, allzu deutlich schallt euer Willkommen in das Thal." Er pochte an den Stall, in welchem die Kammer Wolframs war.

"

„Ich verstehe den Gruß der Hunde und den Schlag der Herrenhand," erscholl eine fröhliche Stimme und Wolfram trat heraus. Unter der Linde standen die Drei in eiliger Berathung. „Darum also lachte der schurkische Weißbart, als ich ihm das Tuch gab," rief der erstaunte Wolfram, „und darum fuhr er mit den Blicken so freundlich über unsere Dächer. Ist Alles wie du sagst, Herr, so drohen die Sorben heut oder in den nächsten Tagen. Noch sind sie nicht da; und wir vermögen auf die Vertheidigung des Hofes zu denken."

,,Das Dach des Gebannten ist preisgegeben," versetzte Ingram, „die Speere der Landgenossen werden es nicht schüßen, auch wenn sie vermöchten. Was aber immer dem Hofe geschehe, dennoch denke ich, den Pferdedieben ihre Freude zu verderben. Haben sie auch den Raben, das übrige edle Blut meines Stalles will ich ihnen nimmermehr hinterlassen. Die Zucht der Mähren, welche seit meinen Ahnen berühmt war, soll gerettet werden und ebenso die Sorbenbeute, die ich am Herde bewahre. Ich sattle hier was ich bedarf; mit der ledigen Koppel und der Kampfbeute jage du thalab zum Hirschwald und birg sie dort in der Schlucht, wo unser Versteck ist."

Wolfram wies auf Walburg. „Du sprichst gut. Doch die Jungfrau weiß recht wohl mit den Pferden Bescheid, leicht weise ich ihr den Weg nach der Tiefe, denn ungern weiche ich in diesen Stunden von dir.“

„Ich bleibe, Ingram," bat Walburg, wo ich dir nahe bin.“ „Dann muß ich den nächtlichen Ritt thun,“ schloß Wolfram

unzufrieden. „Doch kenne ich einen, der sich nicht in der Tiefe duckt. Auf dem Wege schlage ich an den Herrenhof des Albold und lade ihn zur Sorbenjagd."

Hastig regten sich die Hände, nach kurzer Zeit stob Wolfram mit den Rossen thalab. Bevor er schied, sagte er zu Walburg: „Dir binde ich unsern Falben an das Thor, wenn du ihn brauchst; er gebührt dir, denn er stammt aus der Zucht deines Vaters."

Ingram trat sein Roß am Zügel führend zu der Jungfrau und faßte sie an der Hand. „Komm aus dem Hofe in das Sternenlicht. Ich stehe hier, um die letzte Wache zu halten vor dem Hofe meiner Ahnen, und ich fürchte, keiner von den Göttern und keiner von allen Menschen sorgt um den Ausgestoßenen. Wenn hier Speere geworfen werden, so weiß ich nicht, ob mich zuerst eine Waffe meiner alten Kampfgenossen trifft, oder der Fremden. Preisgegeben bin ich dem Eisen und preisgegeben ist mein Hof den Bränden, freundlos und ohne Gesellen stehe ich auf der Männererde vor meinem letzten Kampf. Denn hier denke ich den Sorben zu erwarten. Du aber sage, wenn später noch Iemand nach mir frägt, daß ich nicht unmännlich auf die letzte Wunde geharrt habe. Nur um dich fühle ich heißen Schmerz, du hast um meinetwillen den Frieden verloren, verachtet bist du wie ich und allein. Und meine schwere Sorge ist, daß du nicht wieder in die Hände der Sorben fällst. Darum beachte meine Bitte, bleibe bei mir, solange die Nacht uns deckt, damit ich eine Menschenhand halte; und wenn das graue Licht auf die Wege fällt, so reite abwärts bis zu meinem alten Gesellen Bruno, er ist ein ehrlicher Mann und wenn du ihm meinen letzten Gruß bringst, so wird er um meinetwillen für dich sorgen. Bin ich erst dahingeschwunden, dann werden sie auch im Volke dich wieder ehren." Er hielt ihre Hand fest und die Trauernde fühlte den bebenden Druck.

,,Du gedenkst zu sterben, Ingram, wie ein Hoffnungsloser; ich aber will daß du leben sollst, und mein ganzes Glück hoffe

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