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welche geschrieben stehen, sind heilig, und hier ist die Verkündigung, welche für dich gegeben ist. Er wies mir die Stelle und deutete sie: Es war einmal ein Mann, so armselig, krank und verachtet, daß Niemand mit ihm verkehren wollte, und gerade den trugen die Boten der Ueberirdischen in die Himmelsburg und setzten ihn auf den Ehrenplat; den reichen und vornehmen Mann aber, der in Purpur wandelte, stießen sie hinab in das finstere Nachtreich. Und der Bischof sprach: „Merke wohl, im Christenhimmel ist den Armen, Verfolgten und Ausgestoßenen gutes Gemach bereitet, ob sie auch heimatlose Leute und Bärenführer sind, wenn sie ihre Sünden bereuen. Schwerer wird dem Reichen der Weg in den Himmelssaal als dem Armen. Darum wenn es dir übel gedeiht bei deinen Bären, denke auf ein besseres Leben und komm zu mir, damit dir dort oben das Glück bereitet werde, das dir hier verkündet ist. Gleich darauf ritt er davon, ich aber saß am Herde und merkte, daß er mir nicht übel gerathen hatte. Denn auch ich begehre nach diesem Leben ein besseres Glück als ich hier im Wintersturm bei meinen langlodigen Genossen hatte. Und mir fiel ein, wie ich dereinst im Frankenreich mehr als einen Siedler gesehen habe, der einsam bei seinem Kreuze um die Gunst des Himmelsherrn bittet. Wenn der Christengott auch dem schickfalslosen Waldmann einen Ehrensik zutheilt, so möchte ich ihm wohl dienen wie er's begehrt. Und diese Höhle, in der ich jetzt gezaust liege, könnte einmal meine Wohnung sein.“

Ingram lachte laut. „Du, Bubbo, willst unter den Christen beten ?"

,,Vielleicht thue ich's," versetzte der Waldmann trotig. „Ist die Christenlehre so mild gegen die Armen und Unfreien, dann mögen Alle, die den Nacken hoch tragen, sich fortan wahren, denn alles arme Volk muß dem Bischof zufallen, und der Armen sind mehr als der Reichen."

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Du aber weißt ein Schwert zu führen," rief Ingram.

„Ich habe getötet mit jeder Waffe, Menschen und Thiere,

wie mich die Noth_trieb," entgegnete der Riese finster, „was habe ich davon gehabt? Daß mich die Leute scheu anblicken, daß ich im Schnee und Wintersturm allein hause und daß kein Gott und kein Mann Sorge um mich trägt. Wer seit dreißig Sommern und Wintern in der Waldwüste mit den Raubthieren heult, der kümmert sich nicht mehr um die Menschengötter der Heiden. Graubärte hörte ich schwagen und fahrende Sänger hörte ich viel singen von der Götterhalle, zu der die Helden aufsteigen, aber daß dort Iemand den Bärenfänger freundlich begrüße, habe ich niemals gehört. Du bist kaum einen grünen Sommer Wolfsgenosse und hast gelernt am Opferstein zu flehen und Gutes zu hoffen. Ich aber habe zuweilen neben der Felskluft gelauert, aus welcher der Uhu fliegt, wenn er sein Wu-hu schreit, damit die Männer im Thal ihre Köpfe bergen und das sausende Gottesheer erwarten, und ich habe dem Schreier den Kopf zerschlagen und die Fänge abgeschnitten, ohne daß sein Gott mich hinderte. Und ich sage euch, ich fürchte die Götter nur selten und ihrem guten Willen vertraue ich gar nicht. Erbarmungslos sind die Gewaltigen des Waldes und immer feindlich dem Menschen, nur Leiden und Ungemach theilen die zu, welche im Sturme fahren und um die Baumgipfel schweben; was ich Gutes genossen habe, erwarb ich mir mühevoll selbst.“

Ein Dröhnen unterbrach seine Rede, so gewaltig, daß der Felsen bebte, Ingram und Walburg fuhren empor, Bubbo lauschte, dann lachte er: „Ein Baum stürzte, der Wurm und der Moder haben ihm das Holz zerfressen. Meint ihr, das ist eine Mahnung der Menschengötter? Es stürzen ihrer viele, wo sie Niemand hört." Und er fuhr fort: „Ich scheue den Bären, wenn ich ohne Waffen bin, ich scheue die giftige Schlange, ich fürchte die tückischen Elbe, wenn sie in meine Glieder fahren und mich kraftlos machen, und ich fürchte zuweilen den Biß der Kälte und den Strahl aus den Wolken. Im Uebrigen weiß ich, daß die Ueberirdischen nur gegeneinander wüthen in grimmigem Kampfe.

Darum denke ich, daß in den goldenen Buchstaben des Bischofs ein Geheimniß liegt, welches mir wohl helfen kann aus dieser Waldöde. Und in Kurzem werde ich es sicher erkennen."

„Gehe zu ihm, Bubbo,“ rief Walburg, „damit du seine Lehre noch einmal hörst."

„Gerade das will ich nicht thun,“ entgegnete Bubbo schlau, „es könnte mir jetzt auch übel bekommen. Eine bessere Prüfung weiß ich. Wenn der Christengott stark genug ist, seinen Häuptling selbst vor der Gefahr zu schüßen, so mag dereinst wohl auch mir Gutes geschehen. Darum hänge ich mein Schicksal an das Schicksal des Bischofs. Gerade in dieser Stunde ziehen, wie ich meine, seine Feinde gegen ihn. Würgen sie ihn, dann ist der Christengott auch nicht stärker als die andern, und ich jage meine Braunen, bis mich wieder einmal einer umarmt wie heut. Wird aber mein Gastfreund seiner Feinde mächtig, dann werde ich ein Mann seines Gottes."

Der Jungfrau preßte die Angst das Herz zusammen, sie mühte sich ruhig zu sagen: „Wunderlich ist deine Hoffnung, wie soll dem Herrn Winfried nahe Gefahr drohen, das Land ist im Frieden und die Reiter des Grafen umgeben ihn."

Bubbo lächelte finster. Da ihr Wolfskinder seid wie ich, so mögt ihr's hören: Vielleicht kommt der Ratiz über ihn." Ingram fuhr auf. „Woher willst du das wissen?"

„Die Blätter im Walde haben mir's erzählt, und die Krähen haben mir's zugetragen,“ erwiederte Bubbo. „Ich war bei Ratiz, kurz nach deinem Ausbruch; wie ein toller Kater fuhr er zwischen den verbrannten Hütten umher. Und zuerst fand ich so üblen Empfang, daß ich um den Rückweg sorgte. Schnell aber änderte er die Miene und bot mir Frankengeld, wenn ich einem Reiter in meiner Hütte heimlichen Unterschlupf geben wollte und selbst nach der Werra gehen, um dort eine Botschaft seiner Gesandten zu empfangen, sobald diese vom Frankenherrn zurückkehrten. Denn nur langsam vermögen sie im Geleit durch das Land der Thüringe zu ziehen und werden überall verweilt. Ich that nach Freytag, Werke. VIII.

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seinem Willen, nahm den Läufer mit mir in den Hof und ritt westwärts zur Werra, auf die Gesandten zu harren. Diese gaben mir mit trüben Mienen ein Zeichen für den Läufer und drängten mich heim zu reiten. Als ich das Zeichen dem Läufer gab, sprang dieser zur Stelle aufs Pferd und fuhr wie vom Winde getrieben nach der Richtung des Sorbenbachs zu.“

„Von deinem Hofe zum Dorf des Sorben vermag kein Reiter in gerader Richtung zu sprengen, denn pfadlos ist die Gegend nach Osten," rief Ingram.

,,Ueber den Rennweg ritt er, du Narr. Ist der hohe Pfad auf den Bergen auch den Thüringen heilig und euren Rossen verboten, warum sollte er es den Sorben sein? Den Fremden graut vor andern Göttern und sie fragen wenig nach den euren, wenn sie auf Raub sinnen. Darum sage ich, der Ratiz will in die Thäler der Thüringe einbrechen, bevor sie das Volksheer gegen ihn führen. Fängt er den Bischof, so zwingt er die Franken zu Vielem. Vielleicht weiß er auch einen Hof, an dem er gern sein gebranntes Lager rächen würde. Denn damit drohte der Bote in meiner Hütte.“

Ingram that schweigend seine Waffen um. „Wann ritt der Sorbenläufer zum Lager des Natiz?"

Heut ist der vierte Tag," versetzte Bubbo in schläfrigem Behagen. Was greifst du nach dem Speer, du Thor? Dich haben sie hinausgeworfen und wenn du heimkehrst, mag dich Jeder erschlagen.“

Ingram antwortete nicht, sondern gab Walburg einen Wink ihm zu folgen. „Treuloser Wicht," rief Bubbo sich mühsam erhebend, willst du deinen Genossen in der Noth verlassen?" Walburg setzte die Flasche und den Speisevorrath an das Lager.

Hier magst du dauern bis wir wiederkehren," rief sie, „und wenn du Gutes für deine Zukunft hoffst. so versuche zum Christengott zu beten, daß er dir die Loose verzeihe, die du über den Bischof geworfen hast.“

8.

Unter der Glocke.

Als die Friedløsen aus dem Felsspalt in die freie Luft traten, war die Sonne gesunken und dämmeriges Mondlicht lag über dem Laube. Eilig brach Ingram durch das dichte Gebüsch und die Jungfrau hatte Mühe ihm zu folgen. Endlich erreichten sie den Rand des Gehölzes, das offene Land lag vor ihnen und über ihren Häuptern breitete sich der Nachthimmel. Walburg merkte, daß ihr Gefährte das Haupt hoch trug und daß seine Rede gebietend klang, wie dem Krieger ge= ziemte. Das Holz entlang läuft ostwärts der Weg nach dem Rabenhofe, dorthin gehen wir, denn in der Heimat finde ich meine Feinde und die Rache."

„Vertraue mir, was du sinnst."

„Die Schmach der Weiden will ich tilgen, das Blut des Ratiz begehre ich,“ versetzte er finster. „Anders, als du meintest, Walburg, soll mein Geschick sich erfüllen. Du wolltest mir in treuem Herzen friedliche Heimkehr bereiten, aber die Unsichtbaren widerstreben. Was der wunde Mann in der Höhle sprach, wird ein Fremder als verwirrte Rede deuten oder doch nur als unsichern Argwohn, ich aber weiß, daß jedes Wort Wahrheit ist; ich kenne den Sorben, ich sah sein Lager brennen, ich denke, daß er einen Racheschwur gegen mich gethan hat, wie ich gegen ihn. Ich weiß," rief er mit wilder Geberde, „daß die Sorben jetzt die Brände tragen, um die Dächer meines Hofes zu sengen. Wann ritt der Weißbart aus dem Meierhofe heimwärts?"

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