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haben werde, wenn das Schicksal mir verstattet im Lichte zu leben, und eine Hausfrau, die verständiger für das Rechte sorgt als ihr Wirth."

„So rühme ich dich, Ingram,“ fuhr Walburg siegreich fort. Wie wir aus der Noth kommen, weiß der liebe Gott allein, aber ihm vertraue ich und ihm danke ich, daß ich dich im Walde gefunden und dein Herz erkannt habe, wie du gesinnt bist." Sie neigte das Haupt und sprach das Vaterunser, Ingram saß still an ihrer Seite und hörte auf die Bitten, die sie raunte. Als sie darauf neben ihm saß mit gefalteten Händen und lächelndem Munde, rührte er leise an ihren Arm und bat: „Komm, Walburg, daß ich dich aus dem Schatten in die Sonne führe." Das Mädchen wandte sich zu ihm: ,,Steht mir die Narbe sehr häßlich?"

,,Ich merke sie nicht mehr," versette Ingram ehrlich.

Walburg seufzte. Vielleicht wirst du sie gewohnt. Du aber, mein Held, harre noch ein wenig. Wie du jetzt bist, darf dich die Sonne nicht sehen, denn sie scheint ungern durch Löcher im Gewande auf die bloße Haut und auch das wilde Haar steht einem Bräutigam schlecht. Zieh erst die Jacke aus, daß ich dir sie nähe, und suche unterdeß den Quell, damit du dir daran das Haupt schmückest wie sich's gebührt." Sie öffnete ihren Korb und holte emsig Faden und Nadel hervor. „Allerlei habe ich mitgebracht, was kein Mensch unter den Bäumen findet und was doch Jeder braucht, wenn er Andern. gefallen will. Hier ist dein Bräutigamshemd, ob du es meinetwegen tragen willst, ich habe es unter Schmerzen genäht als ich krank saß. Denn du lebst jetzt nicht mehr für dich allein, auch für mich hast du zu sorgen und vor Allem hast du darauf zu denken, daß du mir immer gefällst." Sie trieb ihn fort und besserte eifrig die Risse in dem braunen Wollkleide.

Als er wieder aus der Tiefe auf sie zusprang, riß sie den letten Faden ab und half ihm die Jacke anziehen und vom Moose säubern: „So gefällst du mir, denn ganz verwandelt

stehst du unter den Bäumen. Und jetzt, Ingram, bin ich bereit dir zu folgen, wohin es auch sei." Sie packte ihr kleines Geräth zusammen, und als er den Korb heben wollte, wehrte fie es. „Das geziemt dem Krieger nicht, nur mich selbst darfst du tragen, wenn mich die Kraft verläßt. Gib mir deine Hand, damit ich mich darauf stüße."

So schritten sie schweigend neben einander über den Moosgrund bis zu einem Felshaupt, das sich zwischen den Bäumen. erhob. Der Stamm, welcher einst darauf gestanden hatte, war gefallen und auf der Stätte blühten im Sonnenlicht wallende Gräser, Haidenröschen und blaue Glockenblumen. Da drückte sie seinen Arm und mühte sich ihre Bewegung unter einem Lächeln zu verbergen: „Halt an, Ingram, und vernimm noch das Lezte. Deine Braut will ich werden zu dieser Stunde, aber dein Ehegemahl wird die Tochter deines Gastfreundes erst im Ringe der Verwandten, wenn mein Oheim die Frage der Vermählung thut. Denn der Sitte gedenken wir, auch wenn wir allein sind. Bis dahin liegt zwischen uns ein blankes Messer, das du mir einst geschenkt." Sie zuckte in ihr Gewand und hob die Klinge heraus, die sie in der Halle des Ratiz gegen sich gebraucht hatte. „Denke an das Messer, Ingram, wenn du meine Wange nicht siehst.“

„Leidig ist das Messer," rief Ingram unwillig.

,,Ein guter Warner ist es," erwiederte Walburg und faßte bittend seine Hand. „Mahnen soll es dich, damit du dein Lebelang deine Hausfrau ehren kannst.“

Ingram seufzte, aber gleich darauf sprach er mit gehobenem Haupt: „Du denkst, wie meinem Weibe gebührt.“

Beide traten in das Licht und sprachen vor der Himmelsjonne ihre Namen und die Worte, durch welche sich jedes dem andern verlobte für das Leben und den Tod. Als Ingram das Weib nach der Sitte durch ein Zeichen binden wollte und zurück sah um ein Reis zu brechen, das er ihr um den Arm winde, da sagte sie leise: „In deiner Tasche barg ich das feste

Band, welches mich an dich bindet." Er faßte den harten Gurtriemen des Messers, das er ihr in der Todesnoth gereicht hatte. Und als er sie nach dem Verlöbniß umschlang, da fühlte sie, wie sein starker Leib in der Aufregung bebte, und sie sah, daß die Sonne ein bleiches und trauriges Antlig beschien. Lange hielt sie ihn fest und ihre Lippen bewegten sich. Aber gleich darauf begann sie heiter: „Jezt lagere, Held, damit ich dir das Brautmahl bereite, denn das ist eine Ehre der Braut und sie läßt sich's nicht nehmen. Fehlt's heut an anderen Gästen, so laden wir die kleinen Waldvögel, wenn diese hier auf der Höhe bereit sind uns Freundliches zu singen." Sie zwang ihm die Kost ein, welche sie mitgebracht hatte, und legte ihm die guten Bissen vor, wie einem Kranken. Dabei erzählte sie ihm gleichmüthig ihre Sorbenfahrt, und von dem Fleiß auf dem Meierhofe, auch von dem Kranz der wilden Gertrud, bis er sie wieder muthig anlachte.

Die Sonne stieg aus der Mittaghöhe hinab und Ingram sah nach dem Himmel. „Ich erkenne, mein Herr denkt an den Aufbruch," sagte Walburg. „Führe deine Waldbraut, wohin es dir gefällt. Sicher hast du als rühmlicher Jäger eine Baumhütte, die ich dir stattlich machen will."

,,Das Lager des Wildthiers, nach dem du frägst, ist unter den Steinen," antwortete Ingram ernsthaft, „zufällig habe ich es aufgefunden und außer mir kennt es wohl nur Einer, der lebt. Es ist weit von hier und ungern führe ich dich hinein; doch ist es gut, wenn du die Zuflucht kennst.“

„Komm," rief Walburg,,,mich ängstigt, daß deine Augen so unruhig umherfahren wenn ich zu dir rede."

Wieder gingen sie unter dem Schattendach auf ungebahntem Wege dahin, aus dem Laubwald in Nadelholz, über Berg und Thal, durch Erdspalten und rinnende Bäche. Einmal hielt Ingram still, warf sich zu Boden und riß Walburg nach. „In der Nähe läuft ein Saumpfad über die Berge," raunte er. Gleich darauf hörte Walburg Männerstimmen und sah in einiger

Entfernung zwei Bewaffnete vorüberreiten. Als Stimmen und Hufschlag verhallten und Ingram sich erhob, war er bleich wie ein Sterbender und kalter Schweiß lag auf seiner Stirn. ,,Es waren Reisige des Grafen," sagte er heiser. Sie strich ihm mit ihrem Tuch über die Stirn. „Halte nur aus, auch der Tag wird kommen, wo diese sich grüßend vor dir neigen,“ aber sie fühlte tief im Herzen die bittere Scham des Friedlosen. Stumm gingen sie weiter. Oft hielt Ingram an, lauschte und sah ängstlich um sich, endlich drangen sie abwärts durch dichtes Laubholz, zwischen dem nur einzelne Hochstämme ragten. Als Walburg mühsam an den Fuß eines steilen Abhangs niedergetaucht war, wo das Gebüsch dicht umschloß, hielt Ingram an: „Hier ist die Stelle; fürchte dich nicht, Walburg, und vertraue mir." Sie nickte ihm zu, er bog die Zweige auseinander und wälzte eine Steinplatte zur Seite, vor ihm gähnte eine schwarze Oeffnung. „Enge ist der Pfad, der in die Tiefen der Erde führt, hier ist fortan deine Wohnung, Wolfsbraut." Walburg trat schaudernd zurück und machte das Kreuzeszeichen. „Bist du es erst gewöhnt, dann lachst du wie ich," tröstete Ingram, aber er selbst lachte nicht. „Ich gehe voran und halte dich an der Hand, bücke dein Haupt, daß der Fels dich nicht verlege.“ Er drang hinein und zog sie nach. In schwarze Nacht ging es eine Strecke abwärts, sie tastete mit Fuß und Hand.

„Fürchterlich ist der Weg in die Totenhölle,“ seufzte sie; er aber zog sie weiter. „Jezt steh' fest, damit ich dir leuchte." Er ließ ihre Hand los; sie stand auf unebenem Boden, an ihren Seiten war der Fels gewichen und mit Entseßen griff sie um sich in leere Finsterniß. Da erglomm ein Funke, das Licht ging auf und erfaßte einen Haufen Reisig; bei der rothen Flamme sah sie rings um sich eine gewölbte Höhle, die scharfen Zacken des Gesteins blitzten wie Silber und rothes Gold. Vor ihr neigte sich der Boden schräge hinab bis zu einer schwarzen Wasserfläche, welche den hinteren Grund der Höhle bedeckte.

Der Rauch wirbelte aufwärts um den strahlenden Fels, bis er in graulicher Dämmerung schwand, wo durch einen Spalt in der Höhe ein bleicher Schimmer Tageslicht hineinfiel. Zwischen dem blinkenden Stein, dem schwarzen Wasser und der lodernden Flamme sank Walburg auf die Knie und schloß mit gefalteten Händen die Augen. „Fürchte dich nicht, Walburg,“ ermuthigte Ingram, „ist der Stein auch kalt und das Wasser auch tief, dennoch ist der Felsbau ein guter Schuß."

„Hier ist die Behausung der Heidengötter," murmelte Walburg bebend, „in solcher Höhle schlummern sie im Wintersturm, wie die Leute sagen. Jetzt mögen sie hier weilen, um sich vor dem Christengott zu bergen, und frevelhaft war es für dich und mich in ihre Nacht zu dringen."

Ingram sah unruhig um sich, aber er schüttelte das Haupt. „Hausen sie hier, ich habe sie noch nicht gefunden, obgleich ich gezagt habe ganz wie du, da ich zuerst hier eindrang. Und wieder zu anderer Stunde habe ich hier gelegen am flammenden Feuer und in schwarzer Finsterniß und ich habe sie mit wildem Muthe gerufen, daß sie mir helfen, alle heiligen Götternamen. Aber Walburg," flüsterte er, „keiner hat mich gehört. Der hohen Menschenherrin Frija meinte ich gehöre die Steinhalle, denn die Weisen sagen, daß sie gnadenvoll in den Bergen waltet und sterbliche Männer zuweilen bei sich aufnimmt. Und da ich verzweifelte und ausgestoßen war, so wähnte ich, daß sie mir die Gunst ihrer Höhle gewährt habe, und obwohl sich mir das Haar sträubte, so nannte ich sie doch, ich flehte und schrie und gelobte mich ihrem Dienst, aber sie kam nicht. Die Flamme loderte wie jest, nur in dem Wasser wirbelte es und ich erkannte eine große Wafferschlange, welche umherfuhr. Ich schaute in ihr die Göttin, warf mich zu Boden und hörte die Schlange rauschen, gerade wie jest," er wies auf das Wasser, Walburg stieß einen gellenden Schrei aus, denn eine große Schlange wand sich in der Fluth und ihr Kopf hob sich über die Wellenringe an der Oberfläche.

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