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zog sich über die linke Wange, eine Hälfte des Gesichts war ungleich der andern. „Das ist die Walburg nicht, deren Wange du einmal gestreichelt hast." Er sah das Angesicht vor sich, welches ihn damals erschreckt hatte, wo er das Schwert gegen den Bischof hob. Sie blickte spähend nach ihm, und als sie sein Staunen sah, verhüllte sie die Wange wieder und wandte sich ab um ihre Thränen zu verbergen.

Ingram rückte sich näher und rührte leise an die andere Wange. „Laß mich diese küssen,“ sagte er treuherzig. „Ich bin erschrocken, denn wild steht die Narbe in deinem Gesicht, aber ich weiß, daß du sie erhalten hast als ich ein Thor war; und die Männer und Frauen werden dich darum nicht weniger ehren."

„Du sprichst ehrbar, Ingram, aber ich fürchte, mein Anblick wird dir dereinst mühselig, wenn du mich mit Andern vergleichst. Ich bin stolz und wenn ich dein Weib werde, so will ich dich allein haben für Leben und Tod, denn das ist mein Recht. Auch ich will dir sagen, wie mir ums Herz ist. Als ich noch aussah wie andere Mädchen, hatte ich dich mir als Ehewirth gehofft, und wenn du nicht mein Gemahl wirst, so wird es schwerlich ein anderer Mann auf Erden, auch wenn mich einer begehren wollte. Vor kurzem aber hörte ich eine Stimme, die wie aus meinem Innern zu mir sprach, daß ich mich einem andern Herrn verlobe, dem Himmelsgott, der selbst die Wundenmale trug. Den halben Schleier haben sie über mich gelegt; ob ich dereinst mein Haupt ganz verhülle oder nicht, darum sorgte ich in bitterer Angststunde.“

Ingram sprang auf. „Viel Böses wünsche ich den Priestern, denn sie haben deine Gedanken von mir abgewandt.“

„Das haben sie nicht gethan," versezte Walburg eifrig, „du kennst sie nicht, die du schmähst. Seße dich wieder und höre ruhig, denn zwischen uns soll Vertrauen sein. Stündest du im Glück vor mir, so würde ich vielleicht mein Herz verbergen und wenn du noch bei meinen nächsten Verwandten um mich werben wolltest, so wäre dir die Freite langwierig

wegen der Narbe, denn ich würde deiner Beständigkeit nur schwer trauen. Jetzt aber sehe ich, daß dir ein Freund noth thut und daß dein Leben in großer Gefahr ist, da ist die Angst um dich in mir übermächtig geworden und ich bin zu dir gekommen, damit du unter den Raubthieren nicht verwilderst und wenn ich's hindern kann, im Walde nicht vergehest. Denn ich weiß, und du weißt es auch, daß ich in der Noth zu dir gehöre." Sie nahm den Schleier ab: „Sehen sollst du mich fortan wie ich bin, ich verstecke mein Gesicht nicht vor dir.“

Wieder warf sich Ingram an ihrer Seite nieder und umfing sie. Sorge nicht um meine Rettung und nicht um meine Seligkeit, an beiden liegt mir wenig, wenn du mir nicht sagst, was ich hören will, daß du zu mir kommst, weil du mich lieb hast." Ich will mich dir angeloben," sprach Walburg leise, wenn du mir dasselbe thust."

Jauchzend zog er sie in die Höhe. „Komm, wo die milde Sonne scheint, daß wir die heiligen Worte sprechen." Aber als er ihr in die Augen sah, die in Liebe und Zärtlichkeit an seinem Angesicht hingen, verwandelte sich seine Geberde, die herbe Sorge fiel ihm auf das Herz und er wandte sich ab. „Wahrlich,“ rief er, „ich bin werth unter Wölfen zu hausen, daß ich die Tochter des toten Gastfreunds dem Grauen der Wildniß preisgeben will. Vergessen habe ich, wer ich bin. Jezt sehe ich um mich graues Holz und wildes Kraut und ich höre über mir den Schrei der Adler. Uebel habe ich mein eigenes Leben berathen, aber ein niedriger Mann bin ich nicht. und die Treue eines Weibes mag ich nicht mißbrauchen, damit auch sie verderbe. Geh, Walburg, es war nur wie ein lustiger Traum." Er lehnte sich an einen Baum und stöhnte, Walburg hielt seinen Arm fest.

„Ich stehe doch unversehrt an deiner Seite und ich vertraue auf den mächtigen Schuß deffen, den wir Vater nennen und dazu auch auf Speer und Schwert meines Helden, an dem ich mich festhalte.“

Freytag, Werke. VIII.

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,,Ich war ein Krieger, jetzt bin ich ein ruchloser Schatten. Es ist hart, Walburg, Feuer und Rauch zu meiden, noch härter, jedem Wanderer scheu aus dem Bereich seiner Augen zu weichen oder eines Kampfes gewärtig zu sein ohne Feindschaft und Grimm, nur weil der Andere nach dem Friedlosen wie nach einem tollen Hunde schlägt. Aber härter als Leibesnoth und Mord im Waldesdunkel ist es, feige das Haupt zu bergen und unrühmlich dahinzuleben wie das Ungeziefer unter den Bäumen, unerträglich ist solches Lungern und die einzige Hilfe wird ein schnelles Ende im Schwertkampf. Geh, Walburg, und willst du mir deine Liebe erweisen, so sage einem, der einst mein Mann war, daß er mir ein gezäumtes Roß herführe, damit ich mir die letzte Nache suche." Er warf sich auf den Boden und barg das Gesicht in dem Moos.

Walburg fühlte heiße Angst um den Liegenden, aber sie zwang sich zu muthiger Rede; neben ihm sißend strich sie ihm die wirren Locken zurecht. Thust du doch, als ob du Niemand im Lande hättest, der noch um dein Wohl sorgte. Schon Mancher, der den Frieden verloren hatte, gewann ihn zurück, wenn der Zorn geschwunden war. Es that Vielen leid, daß der Spruch gegen dich fiel. Herr Winfried selbst hat bei dem Grafen für dich gebeten."

„Sage mir das nicht zum Troste," fuhr Ingram zornig auf, „ganz widerwärtig ist mir solche Bitte und verhaßt jede Gutthat des Priesters. Vom ersten Tage, wo ich ihn sah, hat er mich richten und schicken wollen wie einen Knecht, dich und mich wollte er hinterlistig für sich benützen. Als ich das Urtheil über mich vernahm, da dachte ich besser von ihm als je zuvor, wenn ich ihn auch haßte, denn ich meinte, er hat doch den Mannessinn, sich an seinem Feinde zu rächen. Sein Mitleid aber ist mir das Unerträglichste von Allem, denn ganz will ich ihm verleidet sein.“

Walburg seufzte. Wie darfst du ihn schelten, er übt doch nur was ihm der Glaube gebietet, Gutes zu thun seinen Feinden."

„Vielleicht kommst auch du zu mir, Christenmädchen, um Gutes zu thun nach deinem Glauben, und im Innern verachtest du mich."

Walburg schlug ihn leise auf das Haupt. „Dein Kopf ist hart und deine Gedanken sind ungerecht." Und sie küßte ihn wieder auf die Stirn. Nicht allein der Bischof ist dir wohlgesinnt, auch der neue Frankengraf hat dich gegen den Bruno bedauert, dein Schwert hat er hoch gerühmt und wie ungern er dich missen würde bei der nächsten Schwertreise gegen die Slaven. Denn vernimm, du Held der Thüringe, sie sagen, daß noch diesen Herbst nach der Ernte ein Volksheer gegen die Wenden geboten wird."

Ingram fuhr auf. „Ha, das ist gute Kunde, Walburg, wenn sie auch mich Unseligen ausgeschlossen haben.“

Höre noch Anderes," fuhr Walburg fort, „der große Frankenfürst liegt, wie sie sagen, selbst gegen die Sachsen im Felde und überall rüsten die Helden zu neuem Streit."

„Du machst mich toll; meinst du, ich werde überleben von den Schwertgenossen getrennt zu sein, wenn sie sich Ehre erwerben ?"

„Ich denke darauf, daß du in ihren Reihen kämpfen sollst, und auch darum bin ich hier."

Ingram sah erstaunt zu ihr auf, aber ein Hoffnungsstrahl fiel in seine Seele und er frug: Wie kannst du mir dazu Helfen?"

„Noch weiß ich es nicht," antwortete Walburg muthig, „aber ich hoffe Gutes für dich. Ich gehe zu dem Grafen, und wenn er nichts vermag, zum Frankenfürsten selbst in die Fremde, und ich flehe zu unsern Landsleuten. Von Hof zu Hof will ich wandern und bitten, vielleicht, daß sie mir günstig sind, weil sie dein Schwert jetzt gebrauchen."

„Du treues Mädchen!" rief Ingram hingerissen.

„Und doch willst du mir verwehren dir zu helfen, du thörichter Mann," mahnte Walburg leise, denn du weigerst dich,

mein Gelübde anzunehmen. Wie kann die Jungfrau vor den Fremden für dich sprechen, wenn sie dir nicht verlobt ist.“

Ingram hob die Hand und rief: „Wenn ich leben soll und wenn ich jemals noch mit leichtem Muth über die lichte Flur wandle, dann will ich versuchen, ob ich deiner Gesinnung zu danken vermag."

„Ießt sprichst du, wie ich's gern höre,“ sagte Walburg froh, ,,und wie mit meinem künftigen Hauswirth will ich Alles mit dir bereden, damit wir ein besseres Glück für uns finden. Du behältst mich bei dir hier im Walde oder wo es sonst sei, solange ich dir tröstlich bin; und wenn es dir gut dünkt, sendest du mich in das Land, damit ich als deine künftige Hausfrau um deine Sachen sorge. Die Leute werden mir's glauben, wenn ich es ihnen sage, daß ich als deine Braut komme. Für den Rabenhof wird es gut sein, wenn eine Frau nach Ordnung sieht. Deine Dienerinnen haben sich verlaufen, und sie dürfen nicht wiederkommen, denn ich denke allein Herrin im Hause zu bleiben." Ingram nickte zustimmend. „Auch das Vieh braucht Pflege, wie ich merke, und ich werde dir eine Magd werben; das bespreche ich mit Bruno, der ein bescheidener Mann ist. Seinen Rath höre ich auch, wie wir dir den Frieden wiederschaffen. Nicht ohne schwere Buße kannst du ihn gewinnen, wenn es dir glückt; die Buße wirst du leisten, wenn sie dich auch einen Theil deines Landes kostet, entweder an deinem Hofe oder an dem Erbacker deiner lieben Mutter im Thale." Ingram seufzte. „Es war ein schwerer Spruch, den sie gegen dich ausriefen, daß du Friede haben sollst, wo dich Niemand sieht und hört. Aber das harte Wort vermögen sie mild zu deuten. Auch die Christen werden nicht nach dir spähen und nicht horchen, bis du wieder sichtbar und ruchbar wirst im Volke, wenn du gleich in dem Rabenhofe weilst, oder im öden Hofe meines lieben Vaters, in den ich gern zurückkehrte. Dies sind meine Gedanken und jetzt sage mir die deinen.“

„Mein Gedanke ist," rief Ingram, „daß ich ein gutes Weib

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