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mein Rock schlecht, so webe und nähe ich mir selbst einen, oder empfange einen andern, den ein Bruder genäht hat; denn es ist nicht Brauch, daß ein Bruder Frauenarbeit trage." Er sprach dies eifriger als noth war und fuhr dabei dem kleinen Bezzo über den Kopf, der sich an den Füßen Walburgs anklammerte und da sie ihn nicht beachtete, ungeduldig an ihrer Hüfte hinaufkletterte. „Sie drücken wieder," rief Bezzo. „Er meint seine Schuhe," erklärte Walburg ihn auf den Arm nehmend, er hat Heidenbeinchen, welche die Gebote des Bischofs nicht leiden wollen, und einen wilden Heidenkopf, und der Unhold weiß, daß er ein Liebling ist, weil er auf der Reise dir lieb wurde. Sei artig, Bezzo, und bitte den frommen Bruder, daß er ein Kreuz über dir schlägt gegen deine unbändigen Gedanken.“

Damit war Bezzo einverstanden, er strebte von dem Halse der Jungfrau heftig an den des Mönches und bat: „Ich will ein Kreuz auf den Kopf, denn da gibt uns Base Walburg Honigseim." Walburg entschuldigte sich: „Man muß den Kleinen das Kreuz lieb machen." Gottfried aber löste den Knaben erröthend von Hals und Arm der Jungfrau, sette ihn zur Erde und sprach ihm freundlich zu.

„Wir Frauen sehen dich jetzt selten in unserer Nähe," fuhr Walburg treuherzig fort, „und doch hängen die Herzen alle an dir; während der Sorbenfahrt sorgtest du eifriger um uns.“

Der Mönch ist ein ungeschickter Rathgeber bei Frauenarbeit," antwortete Gottfried, „aber dir darf ich es sagen, im nächsten Frühjahr kommt Kunitrud, meine Schwester, aus Angelland hierher, sie wird mit euch hausen. Sie hat sich dem Herrn gelobt, geht geschleiert und soll die Herrin einer Frauengemeinde werden, sie ist weiser als ich."

„Versteht eine Geschleierte auch Latein?" frug Walburg erstaunt.

„Die ich nannte, spricht es wohl besser als ich, der ehrwürdige Vater rühmt ihre Kunst in den Versen; manches heilige Buch hat sie gelesen."

„Wie werden wir vor solcher Frau bestehen?" rief Walburg erschrocken.

„Sie ist jung wie du, und, wenn ich nicht irre, so ist sie dir ähnlich in Antlig und Geberde," versette Gottfried be= fangen, ich hoffe, sie wird dir eine gute Gesellin werden."

„Sie ist jung und hat sich dem Herrn gelobt?" fuhr Walburg nachdenklich fort, „so Großes hat die Jungfrau auf sich genommen? Denn ich weiß wohl, ist sie geschleiert, so darf sie im Mai nicht mehr mit den Mädchen auf die Wiese gehen, fie darf keinen Mann mehr freundlich grüßen und gar nicht an ein Ehegemahl denken und an Kinder im Hause. Das ist hohe und schwere Pflicht für ein junges Herz. Verzeih, ehrwürdiger Bruder," unterbrach sie sich, als sie in das geröthete Gesicht des Mönches sah, „ich vergaß, daß sie deine Schwester ist, auch du haft dein junges Leben dem Herrn geheiligt und wir andern sehen's mit Staunen." Gottfried neigte das Haupt, grüßte sie schweigend und ging schnell nach der Schule. Walburg aber trat an das Wasserbecken des Laufbrunnens, hob den Schleier und betrachtete die rothe Narbe ihrer Wange; mit einem Seufzer ließ sie den Schleier herunter. Dem Mädchen steht die Narbe übel im Gesicht," sagte sie bedauernd zu sich selbst, „und schwerlich wird noch Jemand meine Wange rühmen. Ob die Schwester aus Angelland auch eine Maser im Antlig trägt, daß sie der Erdenfreude entsagt hat?"

Sie fühlte einen Schlag auf der Schulter und wandte sich rasch um, Gertrud sah sie lachend an und drückte ihr einen Franz von Eschenlaub und rothen Beeren auf das Haupt, wie die Mädchen im Herbst beim Tanze trugen. „Besseres Glück für die Zukunft,“ rief sie. „Recht wohl steht dir der Kranz, wenn man auch nur deinen halben Mund lachen sieht."

„Die frommen Väter verstehen Alles," entgegnete Walburg, sie wissen sogar ein Mädchengesicht wieder ganz zu machen."

„Gute Männer sind die Langröcke," rief Gertrud. „Aber

meinst du, daß einer von ihnen stark genug ist, eine wackere Magd im Reigen über seine Hüfte zu schwingen?“

„Rede nicht so wild," bat Walburg und hing den Kranz an den Brunnen.

Gertrud schlug ihre festen Arme übereinander und sah ihre Gefährtin spottend an. „Ich denke, du bist insgeheim ebenso gesinnt; denn Alles hier ist sehr säuberlich, aber jauchzen habe ich noch Niemanden gehört als etwa kleine Knaben, und auch die werden gemahnt den Kopf zu neigen. In meinem Leben ging mir's niemals so gut als unter dem Kreuze und ganz gern lernte ich das Kyrie und Amen rufen. Aber Mädchen, die ganze Herrlichkeit möchte ich in mancher Stunde dahin geben, wenn ich nur einmal mit einem frischen Knaben in der Sommermitte über das Nachtfeuer springen könnte.“

„Schweige von dem Heidenbrauch, daß dich nicht die Kinder hören," mahnte Walburg.

„Bist du so ergeben, daß du keine Gedanken mehr hast, die über den Christenhof hinausgehen?" frug Gertrud. Doch als sie den traurigen Blick der andern sah, that ihr die Frage leid und sie fuhr fort: Wie kommt's, daß du nie zu mir von dem Manne sprichst, der deinetwegen an den Herd deines Vaters kam?"

Ich scheue mich Andere nach ihm zu fragen," versette Walburg leise, „da ich nicht weiß, wie er gegen mich gesinnt ist. Die Frauen sagten mir, er reitet weit von hier im Heere der Franken. Immer stand sein Sinn nach einem großen Kriegszuge, und als er das letzte Mal am Main war, wollte er deshalb Kundschaft einziehen. Was siehst du mich so an, Gertrud?" rief sie heftig, „du weißt von ihm, was du mir nicht sagen willst; sei barmherzig und rede.“

Hörtest du nicht, was Viele wissen?" antwortete Gertrud, ,,das Grafengericht hat über ihn gesessen. Wenn sie ein Urtheil gegen ihn gefunden haben, so mögen dir's Andere künden, nicht ich."

„Wo ist Wolfram?" rief Walburg. „Täglich habe ich nach ihm ausgesehen, aber verlassen liegt der Rabenhof.“

Es geht dort still her," erwiederte Gertrud, „die Knechte und Mägde haben sich verzogen."

„Wer füttert sein Vieh?" frug Walburg schnell.

„Vielleicht, daß Wolfram noch dort verstohlen haust. Ist es dir Ernst, den Mann des Verschwundenen zu sehen," fuhr sie leiser fort, so will ich dir dazu helfen."

„Schaffe ihn her," bat Walburg angstvoll.

„In den Hof wagt er sich schwerlich, weil die Reisigen des Grafen um das Thor lauern. Da du jezt in das Freie gehen darfst, so komm mit vor das Thor, doch verrathe mich nicht, wenn ich dir helfe; denn was verstehen die Priester davon, wenn zwei einander lieb haben, sie werden klug thun sich gar nicht darum zu kümmern,“ und sie schwenkte ihren großen Sahnlöffel ohne Ehrfurcht gegen die Schule, in welcher Gottfried lehrte.

Als die Mädchen vor das Thor traten, sahen sie einen Haufen Volkes, wie er sich jedesmal sammelte, wenn der Bischof von einer Reise zurück erwartet wurde. Neben den Reisigen standen Arme und Kranke, welche sich Almosen und Heilung begehrten, Christen aus der Umgegend, die Segen oder guten Rath ersehnten. Seitwärts aber hielten Krieger in fremder Slaventracht; mit Abscheu erkannte Walburg die Mützen und den Pferdeschmuck der Sorben, unter ihnen den Weißbart aus dem Gefolge des Ratiz, stattlich angethan in langem Tuchrock mit glänzendem Schwertgürtel. Der Alte nahte den Frauen mit tiefen Verbeugungen und begann die Pelzmüze in der Hand drehend: „Ganz gut gelang, wie ich merke, den Frauen die Fahrt über den Sorbenbach." Walburg bezwang ihren Widerwillen, als sie antwortete: „Auch eure Reise zum großen Frankenherrn glückte in Frieden, soweit ich sehe.“

,,Das Geleit deines Herrn des Bischofs war kräftig, wir sind wohlbehalten bis hierher zurückgekehrt. Aber mir ist

damals Vieles verbrannt, als ihr von uns wichet, und dem. Alten thut eine Hilfe noth."

„Wir sahen auf der Fahrt die Röthe, wenn wir uns rückwärts wandten."

Stroh brennt so leicht als Schindeln," versezte der Alte freundlich und blickte über die Holzdächer des Hofes. „Aber meine Landsleute bauen schnell, kommst du das nächste Mal zu uns, so findest du neue Strohdächer."

„Nimmermehr begehre ich euer Dorf zu schauen," rief Walburg in ehrlichem Abscheu.

„Möge dir Alles werden wie du es begehrst," entgegnete der Weißbart demüthig, „mir wäre auch willkommen, wenn die Jungfrau dem Väterchen zu seinem Recht verhelfen wollte. Held Ingram, welcher unsern Banden entfloh, hatte, da er noch frei war, aus guter Meinung mir ein Stück rothes Tuch gelobt, damit ich ihm bewillige, dich zu sprechen. Ich habe es bewilligt; nach dem Tuche sehne ich mich noch. Dem Mann ist es seither auch hier übel gelungen, ich aber möchte nicht, daß sein Gelöbniß gegen mich unerfüllt bliebe. Vermag die Jungfrau mir zu meinem Rechte zu helfen, so wäre mir's

lieb."

„Ist Ingram um meinetwillen dir etwas schuldig, so will ich sorgen, wenn er es nicht kann, daß du deine Gebühr erhältst," sagte Walburg und entwich dem beredten Danke des Sorben.

Die Mädchen gingen bis zu dem Vorsprung des Waldes, der sich nahe an die Wegscheide erstreckte, dort gebot Gertrud ihrer Gefährtin niederzusißen, sie selbst breitete ein weißes Tuch am Saum des Gehölzes und wandelte als wenn sie Kräuter suchte am Holz entlang, bis sie langsam zu ihrer Gefährtin zurückkehrte. „Ist er im Hofe, so kommt er; harre, ob er das Zeichen sieht."

Nicht lange saßen die Mädchen, vor den Blicken aus ihrem Hofe gedeckt, da schritt Wolfram aus dem Rabenhof in das

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