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Weiber des Dorfes standen in ihrem Festschmuck, gesondert die Männer, und im Umkreis klang immer lauter der Zuruf und das Lob der Sieger.

Unter den Schauenden stand Ingo und achtete schweigend auf die behende Kraft. Da trat zu ihm Isanbart, ein alter Häuptling des Gaues, betrachtete ihn prüfend und begann feierlich, so daß die Rede der Andern verstummte: „Auch in deinem Volke, Fremdling, woher du auch stammst, übt sich wohl der junge Krieger in Sprung und Waffen. An deinem Auge und Arm sehe ich, daß du des Spiels nicht ganz unkundig bist; vielleicht gefällt dir's, unsern jungen Männern zu zeigen, was in deiner Heimat Brauch ist, wenn du auch nicht die Kunst eines Häuptlings verstehst. Bist du aus dem Ostlande, wie ich vernehme, so vermagst du wenigstens die Holzkeule zu schwingen, auch dieser Wurf erweist die Kraft des Mannes, obgleich meine Landgenossen ihn wenig üben. In der Halle sah ich über dem Siz des Wirthes ein solches Holz.“

Ingo antwortete dem ehrbaren Greise: „Wenn mir's der Fürst gestattet und die Häupter des Volkes, so will ich versuchen, was ich ehedem gelernt."

Der Fürst winkte, einer aus dem Gefolge sprang nach dem Hofe und trug eine Waffe aus Eichenholz herzu, vom Griffe nach rückwärts gekrümmt, vorn mit scharfer Schneide. Die Keule ging von Hand zu Hand, lachend wogen die Männer das leichte Werkzeug. „Eine Waffe dieser ähnlich trägt unser Sauhirt, um Wölfe zu schlagen," rief Theodulf verächtlich, aber Isanbart der Greis entgegnete strafend: „Du sprichst thöricht, ich sah von solchem Holz, nicht so schwer als dies, einen Schädel brechen wie einen Thonkrug." Und er legte die Keule dem Wirth in die Hand.

„Wer jemals in den Ostmarken über eine Walstatt geritten ist," sprach der Fürst, der kennt die Wunden, welche dieser Knorren schlägt. Doch von alten Kriegern habe ich gehört, daß ein Geheimniß in dem Holze liegt und daß man

schwer des Wurfes mächtig wird, denn tückisch soll es dem Unvorsichtigen das eigene Haupt treffen. Nicht unwerth ist dieses Holz der Hand eines Edlen, denn es war vor Zeiten eines Königs Waffe und mein Vater brachte sie aus der Fremde heim."

„Dann soll sie ihre Kunst dem Sohn erweisen,“ rief Ingo freudig und faßte darnach. Mit kurzem Armschwung warf er die Keule, sie flog in krausem Bogen durch die Luft, doch als Alle meinten, daß sie zu Boden schlagen würde, fuhr sie wie durch eine Schnur gezogen wieder nach dem Manne zurück; er packte sie in der Luft am Griff und warf sie wieder hierhin und dahin, immer schneller, und immer kehrte sie gehorsam vom Schwunge in seine Hand. So mühelos und lustig schien das Spiel mit dem Eichenkloben, daß die Zuschauer näher traten und lautes Gelächter durch den Kreis ging.

„Das ist ein Gaukelspiel des fahrenden Mannes," rief Theodulf verachtend.

„Es ist eines Mannes Handwehr,“ versetzte der Fremde entgegen, schwerlich ist dein Schädel fester als diese Eisenkappe." Er sprach zu Wolf und dieser legte in Weite eines Speerwurfs einen alten Eisenhelm auf einen Pfahl. Der Fremde maß das Ziel, wog die Waffe in schwingender Hand, warf sie im Bogen nach dem Helm und sprang in gewaltigem Sage nach. Laut krachte das berstende Metall und doch fuhr die Keule wieder zurück und wieder packte sie Ingo mit starker Hand und hielt sie hoch. Ein Ruf des Erstaunens scholl in dem Ringe, ein Haufe sammelte sich neugierig um den zerschlagenen Helm.

„Wohlan,“ begann Theodulf herablaffend, „hast du uns deine Gewohnheit gezeigt, so versuch' es auch mit unserm Brauch. Führt den Springern die Rosse heran.“

Zuerst wurden zwei Rosse neben einander gestellt, Kopf an Kopf und Schweif an Schweif. Die Springer traten zurück und schwangen sich mit kurzem Anlauf hinüber; fast allen

glückte der Sprung, aber bei drei Roffen gelang er nur einer kleinen Zahl und über vier sprang Theodulf allein und als er hinter den Rossen zum Haufen der Andern zurücktrat, sah er herausfordernd den Fremden an und winkte mit der Hand zur Folge. Der Fremde neigte das Haupt ein wenig und that denselben Sprung so sicher, daß das Feld vom Beifall wiederhallte. Da rief Theodulf das fünfte Roß heran zum schweren Sprung, nur selten vollbrachte ihn einer der Behendesten. Aber der Thüring war gereizt und entschlossen, das Aeußerste zu thun. Er selbst ordnete die Pferde anders, daß der Schimmel als fünfter stand, dann sah er um sich, empfing den Zuruf seiner Freunde und wagte den mächtigen Sprung. Und er kam hinüber, nur daß er beim Niedertauchen mit seinem Rücken den Schimmel streifte. Aber während er vortrat und sich über das Jauchzen des Volkes freute, tönte noch lauterer Zuruf hinter ihm und umgewandt sah er den Fremden, der diesmal schnell und mühelos in seinem Rücken den Sprung vollbrachte. Der Thüring erblich vor Zorn, er ging schweigend an seinen Plaß und mühte sich vergebens, den Neid herabzudrücken, der ihm aus den Augen brach. Die Alten aber traten zu dem Fremden und rühmten seine Kunst und der alte Häuptling begann: „Ich erkenne, Fremder, wenn mich nicht deine Geberde täuscht, du bist nicht unkundig des Schwunges auch über sechs Rosse, den sie Königssprung nennen, und der nicht in jedem Menschenalter einem Helden gelingt. Ich sah ihn einmal, da ich jung war, mein Volk niemals." Und er rief laut: „Führt das sechste Roß heran!" Da erhob sich in Kreise Gemurmel und die Entfernten drängten näher herzu, während die Jünglinge eilten, das Roß zu stellen. Neben Ingo aber trat die Fürstin, sie war bekümmert um die Niederlage ihres Verwandten und sprach leise zu dem Gaste: „Erwäge, Held, leicht trifft der Pfeil des Jägers den Auerhahn, wenn er die Flügel breitend seine Stimme erhebt.“ Aber Ingo sah auf Irmgard, welche in froher Erwartung hinter

der Mutter stand und ihn freundlich anlachte, und er antwortete mit heißen Wangen: Zürne mir nicht, Herrin, ich bin gefordert, nicht habe ich mich in den Kampf gedrängt; ungern entsagt der Mann der angebotenen Ehre." Er trat rückwärts zum Sprunge, hob sich gewaltig in die Luft und vollbrachte den Schwung, daß alles Volk jauchzte, und da er zurückkehrte, achtete er nicht auf die unwillige Miene der Fürstin, er freute sich, daß ihm die Kunst gelungen war und daß Irmgards Angesicht rosig erglänzte. Lange wogten die Zuschauer durch einander, sprachen über die Kühnheit des Fremdlings und rühmten ihn, bis dem Wettkampf der Männer andere Ziele gesezt wurden. Ingo stand fortan still neben den Häuptlingen und Niemand forderte ihn zu neuem Streit.

Schon neigte sich die Sonne von ihrer Höhe, da nahte der Sprecher dem Fürsten und lud die Gesellschaft zum Mahle. In fröhlicher Erwartung folgten die Männer dem Rufe, sie wandten sich im Zuge nach dem Hofe zurück und schritten die Stufen der Halle hinauf. Der Sprecher und der Truchseß traten ihnen vor und ordneten an den Tafeln der Halle Jeden nach Rang und Gebühr. Dies war eine sorgliche Arbeit, denn Jeder begehrte den Platz, der ihm geziemte: entweder am Tisch des Häuptlings, oder nahe bei ihm, lieber auf der rechten Seite als auf der linken. Es war eine lange Reihe von Tischen, die Size daran für die Vornehmsten mit einer Armstüße und für die Ansehnlichen immer noch mit hoher Lehne, für die Jüngeren ein schöner Schemel. Schwer war's, Allen mit dem Ehrensitz Genüge zu thun, aber der Sprecher verstand sein Amt und wußte Manchem seinen Plaß zu loben wegen der Nachbarn und der Nähe der Frauen und wegen gutem Ueberblick über den Saal. Zunächst der Thür lagerten die Bankgenossen des Hausherrn in langer Reihe, dort hatte den Ehrenplay Theodulf und ihm gegenüber saß ganz unten der Fremde. Da Alle erwartend saßen, trat der Schenk mit den Dienern ein und trug in schönen Holzbechern den Be

grüßungstrank; der Wirth erhob sich, trank den Gästen gutes Heil zu, und Alle standen auf und leerten die Becher. Darauf kam der Truchseß mit seinem Stabe und hinter ihm eine lange Reihe Diener, welche die erste Tracht auf die Tische setten; da ergriff Ieder sein Messer, das er an der Seite trug und begann rüstig das Mahl.

Im Anfang war es schweigsam um die Bänke, denn Allen störte die Rede der eigene Hunger und sie rühmten nur mit leisem Dank die reichliche Fürsorge der Herrin. Doch die Aeltesten in der Nähe des Fürsten tauschten ernsthafte Worte, sie dachten an vergangene Thaten der Helden und lobten die Tugenden ihrer Rosse. Die Andern aber horchten essend gern auf ihr Gespräch.

Und ein Edler an der Seite des Fürsten begann laut: „Das liebste fürwahr im Sommer ist mir ein solches Hochfest, wo die Landgenossen einander auf grüner Wiese im Heergewand grüßen, die grauen Häupter erinnern sich alter Kriegsreisen, die schlachtenfrohe Jugend erweist im Spiele, daß ihre Kraft dereinst die Ehren der Väter mehren wird. Die Sonne scheint warm und das Antlig des Wirths lacht den Gästen entgegen; auch das Herdenvieh springt umher und die Aehren der Gerste bräunen sich im Südwind; fröhlich wird des Mannes Herz in solcher Zeit und ungern gedenkt er der Sorgen. Dennoch ziemt dem Manne, auch beim Mahle das Schwert nicht weiter von sich zu legen, als der Arm reicht, denn wechselvoll ist alles Leben in den Thälern der Menschen, bald wohl verdeckt schwarzgrauer Wolkenschild den Himmel, ein weißes Schneetuch den Grund; kein Glück der Menschenerde dauert und der nächste Tag mag neues Schicksal bringen. So geht auch jetzt durch das Volk eine Kunde aus dem Römerland, Manche sorgen darum und ihre Gedanken fragen unsern Wirth, ob er Botschaft erhielt, die uns zu wissen frommt."

Diese Rede sprach die Meinung Aller aus und von allen Tafeln klang Beistimmung, dann wurde es sehr still; der Fürst

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