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oder verderben," rief der Mann und die Flüchtlinge sausten wie Sturmwind dahin, hinter ihnen die Verfolger. Ein Pfeil fuhr auf Ingrams Sattel, ein anderer streifte sein wehendes Haar. Hier ist der Holzring der Grenze," mahnte Wolfram, sie trieben die Pferde zum Sprunge und flogen hinüber, noch wenige Roßsprünge und über ihnen breiteten sich die Aeste eines Fichtenwaldes. Auf schmalem Wege ritten die Reiter bergauf, die Pferde stolperten und stöhnten. „Bricht ein Pferdefuß, so sollen Sorbenmädchen weinen,“ rief Wolfram. Aber die Rufe der Verfolger wurden schwächer und verhallten. „Die Nachtjagd im finstern Wald dünkt ihnen gefährlich. Gemach Godes, Pferdeleib und Menschenbein sind nicht von Eisen, die Aeste zausen das Haar und die Stämme brechen die knie."

Sie schlugen sich durch das Dickicht die Höhe hinauf und ritten durch niedriges Buschholz über einen langen Bergrücken. Der Weg hatte sich gewandt, zu ihrer rechten Seite flammte das Feuer, immer höher und röther, und dunkle Rauchwolken wirbelten durch die Masse. Mitten in der feurigen Lohe hob sich der Hügel des Ratiz, die beleuchtete Halle und die Strohdächer. Plötzlich blinkte ein heller Schein auf dem First der Halle, ein weißes Licht flackerte über das Dach, gleich darauf standen auch die Dächer des Hügels in hellen Flammen und die Röthe breitete sich über den halben Nachthimmel. „Dort sengt das Räubernest," rief Ingrams Mann in wilder Freude, „nicht umsonst hast du, Herr, beim Eintritt mit den Feuerzungen gedroht." Ingram lachte, aber er blickte scheu auf die Flamme und kalt fuhr es ihm über den Leib. Seit seiner Kinderzeit war ihm ein Hausbrand greulich und oft hatten ihn seine Gesellen darum gehöhnt, jest mühte er sich wegzusehen, aber immer zog es ihm die Augen nach der Lohe; er fühlte deutlich wie Einem zu Muthe war, der hoffnungslos mit beklommenem Athem darin saß, er dachte an die Worte des Jünglings, der ihn bat, nichts Böses zu wünschen, und plötzlich erinnerte er sich des Wächters, den er unter dem

Strohdach gefesselt hatte, und er wandte unwillkürlich sein Pferd nach dem fernen Sorbendorfe zurück. Aber Wolfram riß das Thier beim Zügel vorwärts, trieb es durch einen Schlag und rief lachend: „Der Gaul merkt, daß sein Stall brennt." Manches Sorbenweib muß heut stöhnen im heißen Ofen," rief der Führer ebenso zurück.

,,Das ist schwache Vergeltung für den Mordbrand, den sie in unsern Dörfern geübt," versetzte Wolfram, „ich denke, der Ratiz wird die Lust verlieren, morgen Frankendörfer zu brennen, die Kerzen leuchten ihm heimwärts." Ingram schwieg.

Noch eine Stunde ritten die Reiter, der rothe Schein wich hinab an den Horizont, das bleiche Licht des neuen Tages stieg herauf, mit leichterem Herzen sah Ingram die Brandröthe im Frühlicht dahinschwinden. Der Morgennebel setzte sich in Haar und Gewand der Reiter und die Rosse zogen ihre Spur in den graulichen Thau, der auf dem Rasen des Grundes lag. Vor ihrem Wege schoß ein Bach, sie tränkten die Rosse, der Vordermann ritt mit dem Lauf des Wassers bis zu einer Stelle, wo viele Tritte auf dem feuchten Grund sichtbar wurden, dort trieben sie die Rosse hindurch bis hinter ein Erlengebüsch unweit des andern Ufers. Der Führer hielt.

,,Ich erkenne, was du meinst, Godes," sagte Wolfram. „Wähle unsern Weg, Herr; durch die Furt sind die Frankenfrauen geschritten, die der Christ erledigt hat, man sieht jeden Fußstapfen, das Roß des Priesters mit fremdländischem Eisen, die Kinder, die Kuh, und hier den tiefen Tritt, welchen die Gertrud in den Boden gestampft hat. Sollen wir nachziehen auf ihrem Wege? Ein Blinder könnte ihn fühlen."

Ingram sah düster auf den Wiesengrund. In wenigen Stunden haben wir sie eingeholt, wenn die müden Sorbengäule uns noch tragen, obgleich du gut gewählt hast unter den Rossen des Miros."

„Die Weiber rasteten diese Nacht im Steinthurm an der Saale, den die Slaven zerrissen," erinnerte Wolfram.

Ingram sah vor sich nieder. „Wie mag der Vogel fliegen, wenn ihm die Schwingen ausgerauft sind, waffenlos bin ich.“ „Ich sah dich doch sonst schon mit knotigem Astholz treffen, wenn andere Waffen fehlten," versezte Wolfram erstaunt.

„Führt unsere Spur zu den Frankenfrauen, so locken wir den Ratiz auf ihre Fährte und leiten ihnen die Gefahr auf ihren Weg."

,,Ein hungriger Bär packt das Wild, das er zunächst erreicht. Meinst du, daß die Sorben jezt an etwas Anderes denken als an Rache? Dreißig und ein Haupt können bezahlen für die rothe Lohe, schwerlich wird der Natiz seine Krieger zurückhalten, auch wenn er wollte, wenn diese bei der Heimkehr ihre Weiber und Kinder aus der Asche aufheben.“ Wieder fuhr es kalt über den Rücken Ingrams. „Theurer Preis wurde bezahlt für das Haupt des einen Mannes.“

,,Hätte er nur den Raben und sein Schwert," dachte Wolfram bekümmert, „denn völlig ist der Mann verwandelt. Willst du, so fragen wir den Godes, er kennt die Sorben." Er rief den Führer heran und stellte die Frage. Godes antwortete: „Einige folgen uns Männern, ob sie uns fangen; aber das Sorbenvolk wird, wie ich denke, ausziehen gegen die entledigten Weiber." „Und wann mag der Natiz in seine zerstörte Burg einfliegen?" frug Ingram.

Der Mann sah nach dem Himmel und überlegte. „Hat er den Nachtbrand gesehen, und er hat ihn gesehen, so kann er noch vor Mittag sich an den Kohlen seiner Halle das Mahl bereiten."

„Dann drückt er zum Abend den Nacken des Priesters," rief Wolfram.

,,Genug," gebot Ingram und stieß dem Pferd seine Fersen in die Flanke. Sie ritten weiter über Berg und Thal, bis sie den verfallenen Thurm vor sich sahen, zu ihm führte deutlich die Spur. Sie drangen auf den Gipfel, umritten den wüsten Balkenring, erkannten den Rastplatz, die Haut der ge

schlachteten Kuh, eine Feuerstätte, in der Ecke gepflückte Zweige und gerauftes Gras. Hier war das Lager der Walburg,“ sagte Wolfram. Sein Herr warf nur einen Blick darauf, dann trieb er sein Roß wieder aus den Balken ins Freie. ,,Jetzt haben wir sie sicher," tröstete Wolfram, „die Spur weist nordwärts, gerade wie ich mit den Weibern beredet hatte."

Die Reiter folgten vorsichtig der Spur, sie überschritten die Bäche, bogen zuweilen in den Wald aus, um die Slavenhöfe am Wege zu meiden, und kamen im Nachmittag an den schwarzen Bach. Fröhlich erkannten sie die Stelle, wo der Zug durch das Wasser gedrungen war, und trabten nach kurzer Rast nordwärts weiter. Der Grund war hier fester, und die Spur ging ihnen verloren. Sie hielten an und suchten, endlich fanden sie die Hufspur zweier Rosse, welcher sie folgten, bis Ingram eine Stelle traf, wo der Boden weicher wurde. ,,In gestrecktem Lauf sind die Thiere gesprengt, wer von der Schaar kann gefahren sein wie der Wind; die Stapfen der kleinen Füße sehe ich nicht.“ Er stieg ab, eilte mit beflügeltem Schritt zurück, durchsuchte die ganze Umgebung, aber er erkannte nichts von Menschentritten. „Hat der Christengott sie der Erde enthoben?" rief er bekümmert. Die Reiter trabten unsicher weiter.

Die Rosse waren ledig," sagte Wolfram, „mein Brauner führt; wir mögen sie, wenn sie nicht im Magen der Wölfe schwanden, an deinem Hofthor finden. Wahrlich, der Fremde versteht manches Geheimniß, die Kinder sind in die Felsen zu den Zwergen gegangen, oder als Vögel davongeflogen. Folgen ihnen die Sorben, dann wird es ein Wiedersehn unter der Erde oder in den Wolken."

Ingram hörte wenig auf den Trost seines Mannes, mit ängstlichem Blick suchte er längs der Saale und auf der andern. Seite im Dickicht. Aber fruchtlos war das Spähen. Sie hielten wieder, dann ritten sie vorsichtig auf dem Saumwege zurück, bis Wolfram seinem Herrn in den Zügel griff. „Hier

bis zu den Felsen sind sie gegangen, und hier werden sie spurlos. Wir aber reiten dem Ratiz fruchtlos in die Arme." Ingram wandte sein Roß und wieder ging es in gestrecktem Lauf heimwärts bis zu der Höhe, welche die zweite Nachtrast der Frauen sein sollte. Dort sprangen die Reiter von den Rossen und durchsuchten im Abendlicht den Hügel und seine Umgebung. Aber sie fanden weder Menschen noch ihre Fußtritte. Zuletzt endlich die Hufspuren der zwei Rosse.

„Hier zu rasten meine ich nicht," begann Ingram das düstere Schweigen brechend,,,folgt mir aufwärts in die Berge, vielleicht erblicken wir dort von der Höhe ihr Feuer." Wieder ritten sie weiter, der große Gebirgswald nahm sie auf, sie mußten absteigen und ihre müden Rosse führen.

Unter den Bäumen wurde es finster, immer noch lauschten sie auf den Ton von Menschenstimmen oder auf ein fremdartiges Geräusch, aber nur die alten Gebieter des Bergwalds, die Riesenbäume, redeten zu ihnen in ihren geheimnißvollen Tönen. Endlich hielt Wolfram an, als sie in ein dunkles Waldthal gestiegen waren. „Fleisch und Bein wollen nicht mehr zusammenhalten, gefällt's euch, Herr, so rasten wir, sonst verlieren wir die Pferde."

Ingram sprang ab und sprach mit heiserer Stimme: „Unselig sei das Lager, auf dem ich diese Nacht raste; ist euch die Ruhe nöthig, so erwartet mich; ich fahre zurück durch die Wildniß und suche das Feuer der Hilflosen. Hoffe nicht mich zu bereden, Wolfram," setzte er befehlend hinzu. Die Sorge macht mich zornig, bin ich mit dem Morgen nicht zurück, so fahrt heimwärts und erwartet mich im Hofe."

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„Was einer thun muß, soll der andere nicht hindern," verseßte Wolfram, kummervoll seinem Herrn nachsehend. „Ich lobe nicht den Verstand eines Mannes, der bei Nacht dem Schrei der Raubthiere nachzieht. Laß uns die Rosse sichern. vor dem Ungeziefer, Godes, und unsern Gürtel fester schnallen, denn schmal ist die Nachtkost. Einer schläft nach dem andern,

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