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ist freundlich gegen die Kinder, hänge die Schwachen darauf, so mag er euch nüßen, denn Eile ist rathsam. Bin ich zur Nacht nicht zurück, so sorge du um die Wache und schüre das Feuer, damit ihr das Ungeziefer des Waldes abwehrt."

Das Weib sah ihn unwillig an: Diesen Sprung Lehre deine Jungen, sagte der Fuchs, als er zur Häsin sprang und ihr den Kopf abbiß. Du Waldläufer verläßt die Waffenlosen, wie sollen diese sich retten mit dem Stabe in der Hand und den Kindern auf dem Rücken ?"

,,Manchen Kriegsmann weiß ich, der deine Zunge mehr fürchtet als einen Schwertschlag; versuche sie auch einmal gegen die Bären," versezte der Mann begütigend und ging in einer Anwandlung von Unsicherheit noch einige Schritt mit. „Denn ich muß scheiden, Gertrud,“ sagte er endlich vertraulich. „Achte auch auf den Weg, damit ich euch wiederfinde; der euch führt, ist nur ein Fremder. Dies hier ist der Rennweg der Sorben, auf dem sie zum Raube nordwärts reiten, er führt über Berg und Thal, zu beiden Seiten rinnen die Quellen abwärts, ihr braucht auf ihm nicht waten und nicht überbrücken. Wenn ihr eilt, kommt ihr heut im Sonnenlicht zum großen Eichwald an die Saale, da wo der Sorbenbach hineinfällt, der das Grenzwasser des Ratiz gegen uns ist. Durch den Sorbenbach führt eine Furt, seht zu, daß ihr euch vor Abend hindurch windet bis eine Stunde westwärts zu dem Eibengehölz, aus dem ein heiliger Quell springt, dort steht auf der Höhe ein alter Mauerthurm aus Holz und Stein seit der Väter Zeit als eine Grenzwarte, aber die Slaven haben ihn zerrissen; dort, rathe ich, rastet im Gemäuer. Morgen aber lauft ihr neben dem Saalwasser nordwärts, die Strömung zur Rechten, die Wälder zur Linken; über euren Weg rinnen kleine Bäche, sie sind leicht zu durchwaten und der Pfad ist eben, aber es hausen diebische Slaven am Ufer. Gelingt es euch, sie zu meiden, so kommt ihr endlich zu dem großen Bach, den sie das schwarze Wasser nennen, da wo es in die Saale läuft,

darüber müßt ihr auf dem Baumstamm flößen, denn das Wasser ist tief. Hinter der Ueberfahrt dürft ihr in keinem Fall längs der Schwarza aufwärts streben, denn dort sind wilde Klippen und unheimlicher Bannwald, der den Nachtgöttern geweiht ist, und Jedermann fürchtet das Thal wegen der Gespenster. Ihr aber wandelt weiter nordwärts an der Saale bis zu dem Hügel mit einem alten Thurmgerüst, in dieser haltet die zweite Nachtrast. Von da führt der Weg gerade dahin, wo jetzt die Sonne untergeht, zwei Tage lang."

„Wiederhole den Sang, damit ich ihn festhalte," antwortete das Mädchen aufmerksam. Wolfram gab auf's Neue seinen Bericht, legte die Zügel des Pferdes in die Hand einer Frau und sah noch zu, wie drei Kinder jauchzend hinaufstrebten. Dann suchte er eine harte Wegstelle und schwang sich mit weitem Sage in das Gehölz.

In großer Versammlung der Sorben theilte der Oberpriester dem gebundenen Ingram das Schicksal mit, welches ihm beschlossen war. Feierlich waren die Mienen der Sorbenkrieger als der Opfermann sprach und der Weißbart den Spruch deutete, sie spähten in das Antlitz des Gebundenen, wie er die Botschaft aufnehmen würde, und sahen mißvergnügt, daß sein Auge nicht starr wurde, sondern zornig leuchtete, als er dem Ratiz zurief: „Dein Spruch ist tückisch und unehrlich, nicht wie ein Krieger, sondern wie ein altes Weib suchst du blutige Rache an dem Wehrlosen!"

„Dem Gezirp der Grillen gleichen die Schmähworte eines Gebundenen,“ versezte Ratiz und schritt stolz an ihm vorüber. „Zäumt mir den Raben, daß ich ihn reite; das Opferthier führt in den Stall." Miros und einige von dem Gesinde führten den Gefangenen in ein leeres Blockhaus auf der Höhe. „Gefällt dir's, Ingram," sagte der Sorbe, „mir zu geloben, daß du aus dem Raume nicht weichst, so lasse ich dir die Füße frei, damit du sie regest.“

Ingram dankte ihm mit einem Blick, aber er sprach: „Von Freytag, Werke. VIII.

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einem Mann des Ratiz nehme ich keine Gunst, auch wenn sie freundlich geboten wird.“

,,Dann bindet ihm die Beine und zwängt ihn an den Boden." Im Nu war Ingram geschnürt, zur Erde gelegt und mit dem Leibe an einen schweren Holzkloß gebunden. Der Sorbe verließ den Raum, ein junger Krieger hielt die Wache. Ingram lag am Boden, ein aufgegebener Mann und träge war der Zug seiner Gedanken. Nur einmal hob er sich, als er Hufschlag hörte, er rief ein lautes Hara, das Wiehern eines Rosses antwortete, und er merkte den Hieb des treibenden Reiters. Dann ward es wieder still, durch eine kleine Luke der Holzwand fiel das Sonnenlicht in den Raum, immer näher zur Gegenwand schob sich das goldene Viereck; er sah gleichmüthig darauf, ihm waren die Stunden langweilig. Neben dem Lichtloch hatte eine Schwalbe ihr Nest gebaut, die Vögel flogen aus und ein, die Jungen flatterten in der Oeffnung und ließen sich von den Alten füttern. Er dachte daran, daß auch in seinem Hofe die Schwalben unter dem Dach bauten und zuckte, wie von einem Messer gestochen; aber der Gedanke zerrann wieder.

So kam der Abend, der Wächter brachte Brot und Wasser, er nahm dankend an, daß der Mann ihm den Krug zum Munde führte, das Brot wies er zurück. Das Gold der Sonne wurde feuriger, dann schwand es in mildem Roth, zum letzten Mal kamen die Schwalben herein, zwitscherten und zankten im engen Nest und er sah durch die Luke, wie die Abendröthe den Himmel bedeckte, bis auch sie in mattem Grau verschwand. Dunkel erfüllte den Raum; der Mann, welcher an der Thür lagerte, zog ein Heubund unter seinen Kopf und entschlief. Auch Ingram rückte das müde Haupt auf den Klotz soweit die geschnürten Arme erlaubten, die Augen sanken ihm zu und undeutlich wurde ihm seine Umgebung.

Da rasselte es leise draußen am Boden, Etwas strich längs dem untersten Balken hin, wie der Igel, wenn er längs der.

Hecke fährt. Ingram richtete den Leib auf, seine Seele trat gespannt in Auge und Ohr und aus seinen Lippen drang ein summender Laut.

Zum zweiten Male knarrte der Igel längs der Wand, und zum zweiten Male gab Ingram Antwort und starrte auf das Luftloch in seiner Nähe, er sah, wie etwas durch die Oeffnung hinein geschoben wurde, es fuhr auf und ab wie an einer Schnur und klang leise an der Wand. Er wußte, es war ein Messer. Die Arme waren ihm gebunden und die Füße gebunden, vielleicht mochte er es mit den Füßen erreichen und festhalten, wenn es ihm gelang, den schweren Holzklog, an den er gefesselt lag, zu rücken. Er stemmte und schob, dann faßte er das Messer zwischen die geschnürten Füße und mühte sich, bis er den Griff zu seinem Munde hob. Er hielt das Messer mit den Zähnen und zerschnitt allmählich den Strick, der seinen Leib am Kloze festhielt, dann stemmte er die Spitze des Messers in den Boden und rieb an der Schneide die Weiden, welche ihm die Arme banden; mit den befreiten Händen löste er leicht die Füße. Es war langwierige, sorgliche Arbeit. Noch jetzt blieb er liegen und regte die Arme und Beine, bis in die geschwollenen Glieder wieder Bewegung kam. Dann klopfte er leise an die Wand wie ein Holzwurm pickt, und lauschte. Eine lange Zeit verging, endlich hörte er eine bekannte Stimme leise rufen:,,Jetzt zu mir." Der Wächter rührte sich, aber blizschnell zog Ingram seine Jacke ab, warf sich über den Sorben an der Thür, schnürte ihm die Jacke über dem Haupt zusammen und Hände und Füße mit dem Seil, raunte ihm zu: „Dein Leben danke dem Krug Wasser" und sprang aus der geöffneten Thür. Draußen regte sich nichts, er fuhr um das Haus herum, eine Freundeshand faßte ihn und half ihm beim Schwunge über den Zaun. Zwei Männer rollten den Berg hinab und eilten durch die Dorfgassen. Wüthend kläfften die Hunde und der Andere stieß einen Fluch aus: Die Köter sind ihre beste Hilfe, wir verfehlen

das Schlupfloch." Da wurde es plötzlich tageshell, von der entgegengesetzten Seite des Lagers brach ein Feuer auf, beide sprangen vorwärts wie vom Winde getrieben. Einer von den Wächtern, die längs dem Zaune gingen, schrie sie an, Wolfram antwortete in der Sorbensprache und wies nach dem Feuer. Durch eine Lücke im Dorfzaun glitten sie in den Graben hinab, im nächsten Augenblick standen sie im Freien. „Jetzt schnellen Schritt und gutes Glück." Hinter ihnen erscholl wirres Geschrei und Rufe. Vor den Laufenden erhob sich im Felde ein hoher Birnbaum, unter seinem Blätterdach hielt ein Reiter ledige Rosse. Die Flüchtigen schwangen sich auf die Pferde und ritten in die Nacht hinein, während hinter ihnen die Flamme zum Himmel stieg und der Lärm des erwachten Dorfes klang.

Der wilde Ritt trieb das Blut schneller durch Ingrams Adern, vom Rosse reichte er seinem Treuen die Hand. „Wer ist der Dritte?" frug er.

„Godes, einer von uns, ein Roßknecht des Miros; er hat sich mir gelobt; sein Herr hat ihn mit der Peitsche geschlagen, dafür hat er ihm eine Fackel angesteckt. Die Flamme mag uns Rettung werden, sie steigt jenseit der Ratizburg auf, dorthin zieht es ihre Gedanken von unserem Wege."

Der Reiter vor ihnen hob warnend den Arm: „Vorsicht, Herr, wir nahen dem Ringzaun an der Dorfmark. So schlaftrunken ist keine Sorbenwache, daß sie den rothen Schein am Himmel mißachtet und den Tritt dreier Pferde, die aus ihrem Weidegrund brechen.“

Sie waren einen Hügel hinab gejagt, gedeckt durch das Baumlaub, jetzt fuhren sie hinaus auf das offene Gelände zwischen die Baumstümpfe, hinter ihnen leuchtete der Feuerschein, er fiel auf die weißen Slavenröcke, welche zwei der Reiter trugen, und warf die Schatten vor ihnen auf das Feld. „Dort im Dorfe half uns die heiße Lohe, hier hat sie unsern Nachtmantel verbrannt," brummte Wolfram. Von der Seite scholl Anruf und Geschrei und Hufe klapperten. „Jett gilt es leben

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