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ihm grüßend zu. Laut rief er sein Hara, und Rosse und Reiter stoben abwärts dem Waldweg zu. Winfried sah den Flüchtigen nach und hob die Hände zum Himmel.

In der Hütte stand Memmo lange Zeit vor dem Ledersack, bekreuzte und verneigte sich und trug ihn in eine Ecke, er legte sorgfältig Stroh darüber und setzte sich in tiefen Gedanken davor. Zuweilen schüttelte er den Kopf: „Wer soll die Kirche bauen? er und ich. Und wer soll den Taufstein aus dem Felsen hauen? wieder ich. Viele Hammerschläge werden diese Arme thun und der Rücken wird sich beugen unter der Last der Balken. Wer aber wird eingehen in den Hof der Täuflinge? Niemand als die Schwalben aus der Luft und die Mäuse vom Felde; bis an einem wilden Tage das Heidenvolk heranspringt und mit seinen Schwertern die Kreuze auf unsere Schädel schlägt. Von heut bin ich ein fremder Gast in meinem Hause; aber es steht geschrieben: eures Bleibens ist nicht hienieden und der Mensch ist wie Heu.“ Da knarrte das Hofthor und ein rothes Gesicht sah zum Fenster herein. „Alle guten Geister! das ist Frau Godelind. Hinweg, Weib,“ gebot er heftig, ohne sich von seinem Plage zu bewegen. „Ich kenne dich nicht!"

Uebel seid ihr verwandelt," rief das Weib zornig hinein, welcher Zauber hat euch den Sinn bethört?"

Hinweg, Godelind!" wiederholte Memmo mit strengem Ton, wenn dich der Bischof sieht, bist du verloren; du stehst unter dem Kreuz und er hat Macht über dich.“

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„So viel gebe ich auf euren Bischof,“ rief Godelind, einen Strohhalm nach dem Priester werfend, „und so viel auf euch, der ihr nichts seid als ein Feigling. Ist das mein Lohn für treue Pflege, und für alle Dienste, die ich euch bei Tag und Nacht gethan, daß ihr mich von einem Fremden aus dem Hause weisen laßt?"

,,Wenig nutzt es über Vergangenes zu klagen," versetzte Memmo aus seiner Tiefe, „ich sage mich los von dir für alle

Zukunft. Suche Obdach bei deiner Base und behalte das Slavenmädchen, nur höre, daß du das arme Ding nicht mißhandelst; nimm meinetwegen auch das Ferkel im Stall, es muß dahingehen mit dem Andern, aber schweige und entferne dich, denn ich bin in tiefer Betrachtung, und lästig ist mir dein Geschwätz. Verwandelt hat mich diese Nacht und mich reut's, daß dein Fuß je meine Schwelle betrat."

„Du feiger Mann,“ schrie Godelind in hellem Zorn, „manchmal noch soll dich reuen, daß du die Dienerin von dir weisest, und ich will lachen, wenn ich an den Thoren denke, der am kalten Herde Wasser vom Bache trinkt und ungekochte Bohnen kaut." Ihr Gesicht verschwand aus der Oeffnung und gleich nachher erscholl mißtönendes Gequiek aus dem Stalle. „Da führt sie hin," seufzte Memmo,,,was der Schaß meines Hauses war," und er senkte ergeben das Haupt, bis sich der Stieglitz darauf setzte und von dem kahlen Scheitel fröhlich sein Lied zwitscherte. Memmo hob leise die Hand, der Vogel flatterte herab und der Mönch küßte ihm seinen rothen Kopf.

3.

Im Sorbendorf.

Auf der Sorbenfahrt hielten die Reiter Abendrast, die Pferde standen in festem Gehege, Ingram und Gottfried lagen unter einem Baum und Wolfram der Knecht bereitete am großen Feuer die Nachtkost. Er trug eine Lederflasche, die einem Schlauch ähnlich war, herzu. „Das Bier ist am Quellwasser gekühlt, wohl möge es euch munden.“ Da Gottfried die Flasche dankend von sich wies, sprach Ingram gutherzig: „Als ein wackerer Reisegesell hast du dich seither erwiesen, verschmähe nicht unsere Kost, wenn wir auch nicht von deinem Glauben sind. Denn ich merke, in Vielem hadern die Menschen miteinander, aber Speise und Trank ehren sie alle.“

„Zürne nicht, mein Genoffe, ungewohnt ist mir der starke Trank und das Fleisch der springenden Thiere. Doch weil es dir lieb ist, will ich dein Mal theilen," und er legte seinen Brotkuchen bei Seite, aß ein wenig von dem Fleisch und trank von dem Bier.

,,Sage mir, wenn es dir nicht lästig dünkt,“ fuhr Ingram fort, „bist du auch von denen, welche für unrecht halten ein Weib zu umhalsen ?"

„Es ist so, wie du sagst," antwortete Gottfried erröthend. ,,Bei meinem Schwert, wunderliche Bräuche habt ihr," spottete Ingram. Zwei Sklavinnen halte ich, und wenn mir's gefällt, umschlingen sie mich mit ihren Armen, aber beide gebe ich hin und jedes andere Weib der Erde, wenn ich die Jung

frau gewinne, um derenwillen wir reiten. Gern erfreut sich der Mann seines Lebens; wir anderen sind wie die Vögel, welche lustig singen und ihr Nest bauen, du aber bist wie ein grauer Kauz, der im Baumloch sitt und alle Vögel schreien ihn an."

„Auch meinem Leben fehlt die Freude nicht," versezte Gottfried lächelnd, froh bin ich, daß ich mit dir reise, wenn du mich auch gering achtest; denn ich möchte dir helfen bei einem guten Werke."

„Was hast du davon, wenn es uns gelingt die Gefangenen loszukaufen?"

„Ich thue nach dem Gebot Gottes, des allmächtigen Himmelsherrn."

„Ist dein Herr allmächtig wie du sagst und gibt er dir Befehl Gefangene zu lösen, so wundert mich, daß er nicht vielmehr den Andern wehrt Gefangene fortzutreiben.“

„Frei hat Gott die Menschen geschaffen, damit diese sich selbst ihr Schicksal bereiten. Aber wie du die Perlen übersiehst, welche an eine Schnur gereiht sind, so übersieht der große Gebieter alle Thaten, ja auch alle Gedanken jedes Erdgebornen, und darnach schätzt er die Tüchtigkeit des Mannes, ob er ihn in jenem Leben heraufhebt unter seine Bankgenossen oder ob er ihn hinabstößt in das Totenreich des üblen Drachen. Darum thut dem Menschen noth, unablässig zu sorgen, daß er nach dem Gebot seines Gottes thue."

„Wahrlich,“ rief Ingram, „das ist harter Dienst, und wie Knechte lebt ihr im Zwange, ich aber rühme mir den Mann, der den Ueberirdischen ihre Ehre gibt, aber wo er etwas wagt, vor Allem frägt, ob es ihm selbst Ansehn bringe und Vortheil.“

Ist nicht auch dir eine Ehre, wenn die Frauen deiner Landsleute danken, daß du sie aus den Mühlen der Sorben gelöst hast, und wenn du die unschuldigen Kinder von den Schlägen erledigst, von dem Hunger und von schmachvollem Dienst unter dem schmutzigen Volke?"

Ingram dachte nach. „Es sind die Kinder unserer Nachbarn jenseit der Berge und manches davon habe ich vielleicht auf dem Arm gehalten, dir aber sind sie fremd. Kein Jahr vergeht, wo nicht in allen Ländern Herden von ihnen zu Markte getrieben werden."

Hätte ich Gold und Silber," rief Gottfried, „alle wollte ich lösen, wäre ich ein großer Held, alle wollte ich retten.“ „Wohl erkenne ich, ihr Christen haltet zu einander wie Nachbarn und Freunde."

„Mein Vater hat mir geboten, daß wir auch die Heidenfrauen und ihre Kinder zurückführen, wenn es uns gelingt," versette Gottfried.

„Dann werden andere gefangen," warf Ingram ein.

„Dazu sind wir in die Welt gesandt, daß wir die Gebote verkünden des himmlischen Königs, der so voll Erbarmen ist, daß er Jedem Glück und Heil bereiten will auf der Männererde und im Himmel. Wenn erst Alle seinen Geboten folgen, dann wird keiner den andern verhandeln wie ein Kalb oder ein Rind, sondern er wird ihn betrachten sowie geschrieben steht: nach dem Ebenbild Gottes ist der Mensch geschaffen und aufrecht soll er gehen unter den Thieren, welche mit gebeugtem Haupt die Knechtschaft tragen.“

Ingram schwieg eine Weile. „Alles rothe Gold der Zwerge, von dem sie sagen, daß es nicht gemessen werden kann, würde nicht ausreichen zu einer Befreiung aller Gebundenen, und du, der du unkriegerisch bist und von zartem Leibe, willst dich solcher Arbeit unterwinden ?"

,,Ein Krieger bin ich, du merkst es nur nicht," antwortete Gottfried, demüthig vor meinem Herrn, aber stärker als du glaubst. Verzeihe mir, Herr, daß ich mich vor ihnen rühme,“ sezte er hinzu.

Ingram maß ihn mit den Augen, die zarte Jünglingsgestalt und der milde Ausdruck des begeisterten Antliges bewegten ihm das Herz und er sprach leise: „Viel geheimes

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