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Im Jahr 724.

Auf dem Waldwege, der vom Main nordwärts in das Hügelland der Franken und Thüringe führt, zogen an einem heißen Sommertage drei Reiter schweigend dahin. Der erste war der Führer, ein junger Mann von starken Gliedern; das lange Haar hing ihm wild um das Haupt, die blauen Augen waren in unaufhörlicher Bewegung und spähten nach beiden Seiten des Weges in den Wald. Er trug eine verschossene Lederkappe, über der braunen Jacke eine große Tasche mit Reisevorrath, in der Hand den Wurfspeer, auf dem Rücken Bogen und Jagdköcher, an der Seite ein langes Waidmesser, am Sattel seines Rosses eine schwere Waldart. Einige Schritte hinter ihm ritt ein breitschultriger Mann in den Jahren seiner besten Kraft, mit großem Haupt, die mächtige Stirn und die blizenden Augen gaben ihm das Aussehen eines Kriegers. Aber er trug sich nicht wie ein Mann des Schwertes, das kurz geschorene Haar deckte ein sächsischer Strohhut, an dem langen Gewande war nicht Wehrgehenk, nicht Waffe sichtbar, nur die Art, welche jeder Reisende in der Wildniß führte, steckte im Sattel; nach dem großen Ledersack, der vor ihm befestigt war, mochte man ihn für einen Händler halten. Ihm zur Seite trabte ein Jüngling in gleicher Tracht und Ausrüstung, der auch auf dem Rücken ein Bündel trug und in der Hand einen Baumzweig, mit dem er sein Rößlein antrieb. Daß der Führer die Reisenden nicht als gewaltige

Freytag, Werke. VIII.

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Leute achtete, war durch sein Benehmen deutlich, denn er trug sein Haupt hoch, so oft er auf eine Frage des älteren Mannes kurze Antwort gab, und er sah nur zuweilen, wenn der Weg steil aufwärts ging, oder die beiden weit zurückblieben, mit düsterm Blick hinter sich und wandte die Augen schnell wieder ab, wie von unholden Gesellen. Durch Sand und über Steinblöcke zog sich der rauhe Pfad zwischen alten Kieferstämmen von einer Erdwelle zur andern; auf dem braunen Grunde wuchs wenig Anderes als Wolfsmilch, Haidekraut und dunkle Waldbeeren. Es war still im Walde, nur die Krähen schrien über den Wipfeln, die heiße Luft war mit Harzgeruch erfüllt und kein Windeshauch kühlte die erhißten Wangen. Als der Weg einmal steil aufwärts ging, sprang der Jüngling ab, pflückte am Wege einen Strauß Beeren und bot ihn dem Reiter. Dieser dankte mit einem freundlichen Blick und begann in lateinischer Sprache:,,Siehst du ein Ende des Waldes? Unsere Rosse ermüden, die Sonne neigt zur Rast.“

,,Stamm hinter Stamm, mein Vater, und kein Lichtstrahl vor uns im Holze.“

„Du bist an die rauhen Pfade nicht gewöhnt, Gottfried,“ fuhr der Aeltere bedauernd fort, ungern nahm ich dich in das wilde Land und ich bin unzufrieden, daß ich deiner Bitte nachgab."

„Ich aber bin glücklich, mein Vater," versetzte der Jüngling mit frohem Lächeln, „daß ich dich begleiten darf als dein unwürdiger Diener."

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„Die Jugend freut sich stets der Wanderschaft," sprach der Neiter. Sieh unsern Führer, ihn kümmert die Tagesglut wenig, er ist ein kraftvoller Wildling, der des Pfropfreises harrt."

„Unfreundlich hält er sich gegen uns, mein Vater."

„Ist er auch unwirsch, warum sollte er unehrlich sein? Er hat der Frau Hildegard und mir selbst in die Hand gelobt, uns sicher über die Berge zu führen, und er sicht nicht

aus wie ein Schächer. Doch wäre er's auch, einer ist stärker in der Wildniß als er." Er neigte das Haupt. „Merke, er hat gefunden, was ihm die Reise stört."

Die Haltung des Führers war verwandelt, hochaufgerichtet saß er im Sattel mit gehobenem Speer wie zum Ansprung bereit.

Der Fremde ritt zu dem Führer: Dein Name ist Ingram, wie ich vernahm."

„Ingraban der Thüring bin ich," versetzte der Reiter stolz die Worte des Andern bestätigend, und dies ist der Rabe, mein Roß;" er rührte an den Hals des edlen Thieres, das von Farbe schwarz war, wie sein geflügelter Namensbruder, und unter der Hand des Reiters wichernd das Haupt erhob. „Ich erkenne, wohlbekannt sind dir die Reisepfade auch fern von deiner Heimat."

„Oft ritt ich als Bote meiner Landgenossen zu dem Frankengrafen über den Main."

So ist dir auch Frau Hildegard, die Grafenwitwe, von früherher zugethan."

,,Ich stritt in der Schaar ihres Eheherrn, als ihn .die Wenden erlegten. Eine gute Frau ist Hildegard, da sie meinen kranken Knecht in Pflege nahm."

„Am Lager des Kranken fand ich dich, und ich bin froh, daß ich solch sicheren Führer gewann. Was hemmt dir jetzt die Reise?"

Die Hand des Führers wies auf eine Spur im Sande. „Hier lief eine Herde wilder Rosse,“ sagte der Fremde, auf die Spur blickend.

„Reiter waren es, mehr als drei, und feindselig wird ihr Gruß, wenn sie uns treffen," antwortete der Führer.

Woher weißt du, daß es Feinde sind?"

Hofft in deinem Lande ein Wanderer in der Wildniß auf ehrlichen Gruß?" frug der Führer zurück, die hier gezogen. sind, waren Krieger, welche mit fremder Zunge reden, von

dem Wendenvolk an der Saale, das man die Sorben nennt; weit schweifen sie auf ihren Pferden nach Jagdbeute und Herdenvieh. Dort liegt ihr Zeichen," er berührte mit dem Speer einen kurzen Rohrpfeil mit Steinspiße. „Sie haben unsern Weg gekreuzt nach dem letzten Regen.“

„Und Hoffst du uns verborgen vor den Fremden über die Berge zu führen?"

„Habt ihr den Muth, so habe ich den Willen. Manchen Stieg über die Waldhügel weiß ich, den ihre Haufen meiden; doch rathe ich, haltet euch schweigsam und nahe an meinem Roß.“

Vorsichtiger ritten die Fremden dicht hinter dem Führer. Der Saumpfad senkte sich in ein stilles Waldthal, führte durch fumpfigen Grund und das Bett eines Baches, und stieg auf der andern Seite wieder in den Wald. Zwischen hohen Buchenstämmen zogen sie behaglicher dahin auf grünem Moosgrunde, welchen die schrägen Sonnenstrahlen vergoldeten. Und wieder senkte sich der Pfad in ein weites Thal. Am Waldesrand hielt der Führer an. Dies ist das 3disthal," sagte er das Haupt zum Gruße neigend, und dort rinnt der Idisbach nach dem Main." Durch hohes Wiesengras leitete er zu einer Furt des Baches, von da trabten sie eine Hügelreihe entlang nordwärts. Einsam und menschenleer lag das blühende Thal. Einigemal kamen die Reisenden über altes Ackerland, noch waren die Beetsurchen sichtbar, aber Schlehdorn und stachliger Ginster standen dicht wie eine Hecke darauf, und die Pferde hatten Mühe durchzudringen. Der Fremde sah mit Theilnahme auf die zerstörte Cultur. „Hier haben einst fleißige Hände gebaut," sagte er bedauernd. „Seit Menschengedenken liegt die Stätte wüst," antwortete der Führer gleichgültig. Weiter oben wies er auf eine Erdhöhe: „Auch dort stand ein Hof, aber die Wenden haben ihn verbrannt, da ich ein Knabe war. Das wilde Kraut schießt seit zwanzig Sommern in die Höhe. Sorgst du um gebrochene Höfe, so magst du hier viele finden. Ueber dem Bach haben vor Zeiten die Avaren ge

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