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die Waffe erhoben hatte. Auch die übrigen Königsmannen erlagen den Streichen der Vandalen, nur Einer sprang abwärts, aber er sank auf dem Wege zu Boden, den tötlichen Pfeil im Rücken, und von der Höhe begrüßte lauter Freudenruf seinen Sturz. Darauf verstummte das Kampfgeschrei und oben wie unten summten die schnellen Worte in den Haufen.

Der Steintrog ist geworfen," sprach Berthar zurückkehrend leise zu Ingo, „wild rinnt jezt das Wasser abwärts und mühselig wird es den Ringgenossen, sich und ihren Thieren den Trunk zu schöpfen."

„Die Königin kannte den Quell," versetzte Ingo mit finsterm Lächeln. „Vermochten die unten den Stein zu werfen, wir heben ihn wieder. Rüste die Bäume, wähle die Streiter und ziehe die Schildburg um die hebenden Arme der Landgenossen.“

Während Ingo sprach, schlug über ihm ein Pfeil schwirrend in das Thurmgerüst und eine kleine Flamme loderte um den haftenden.

„Dort mahnt Frau Gisela unser Volk an den verwüsteten Quell," rief Berthar. Rund um den Berg sprangen einzelne Bogenschützen aufwärts und schossen Brandpfeile gegen das Bollwerk, sorglich bemüht, durch behende Bewegung die geworfenen Steine zu vermeiden. Hier und da leckte die Flamme an den Balken und Pfählen, die Belagerten schlugen mit Stangen gegen die Pfeile und zerwarfen die Flammen, aber immer häufiger lohten die Brände; wild klang das Geschrei der Warnenden, die Kinder heulten, die Rosse bäumten wenn ein Brandpfeil unter sie flog, zerrissen die Halfter und fuhren rasend durch die gedrängte Menge. Da wurde die Arbeit peinvoll und manchem der Vertheidiger sank Hoffnung und Muth.

Mit kleinem Gefolge nahte in gestrecktem Lauf ein Reiter den Schaaren der Königin. Ihn und seine Begleiter empfing lauter Zuruf aus dem Haufen des Theodulf. Herr Answald stieg vom Pferde: „Täuschende Botschaft lud mich zu deinem Hofe, Königin, während du hier Rache übst in meiner Sache.“

,,Ungeladen kommst du und unwillkommen," versette die Königin, „meine nicht, dich zwischen mich und die Rache zu stellen, den unerbetenen Mittler treffen die Pfeile von zwei Seiten. Das Schicksal Jener wendet kein Sterblicher, wenn nicht sie selbst es vermögen."

„Will die Königin herrschen über das Volk der Thüringe, so wird sie den Brauch des Landes ehren. Weiber sehe ich dort und Kinder von unserem Blut, greulich ist es, Speer und Brandpfeil gegen die Wehrlosen des eigenen Volkes zu schleudern. Wer ein freier Thüring ist und sich Sieg begehrt in ehrlichem Kampfe, der helfe mir die Schmach wenden. Fleht mit mir zur Königin, daß sie meide, was uns Alle ruchlos macht in dem Gedächtniß der Menschen.“

„Gut spricht der Fürst," rief ein alter Kriegsmann, und die Thüringe schlugen die Speere zusammen: Heil dem Herrn Answald!" Finster sah die Königin über den Haufen, aber sie schwieg.

„Höre mich, Herrin," schrie der Häuptling entsetzt durch ihr hartes Antlig, „mein eigenes Kind, das ich einst dem Theodulf verlobte, steht unter den Brandpfeilen, und gleich ihr andere Frauen aus den Waldlauben. Gegen mein Kind steht mir allein die Strafe zu, und Niemand, auch du nicht, soll sie mir über dem Haupte wegnehmen." Er sprang in den Weg vor den Haufen. Hier stehe ich, Answald, ein Fürst der Thüringe. Manches Mal habe ich eure Heerschaaren in den Kampf geführt. Bevor ihr wagt die Unkriegerischen zu schlachten, die dort im Ring die Arme heben, sollt ihr erst mich töten, damit ich die Schande nicht überlebe." Wieder erscholl lanter Zuruf der Krieger.

„Zu mir, ihr Königsknaben,“ rief Frau Gisela, sich hoch aufrichtend. Aber auch Theodulf und Sintram drängten ihre Rosse an das der Königin und sprachen leise zu ihr. — „Wärst du nicht außer dir, alter Mann," begann die Königin endlich und ihre Stimme bebte im Zorn, so würde ich dich strafen,

weil du tollkühn diese zum Ungehorsam aufrufft. Wenig liegt mir am Herzen Blut der Bauern zu vergießen, wenn sie auch eigenmächtig außerhalb der Mark sich gelagert haben. Laß das Horn ertönen, Theodulf, und schrei in den Ring. Die Landleute sollen freie Ausfahrt haben, nicht nur die Weiber und Kinder, sondern auch die Männer, und waffenlos aus dem Wall ziehen, ohne Schaden an Leib und Gut durch Gnade der Königin." Wieder klang aus den Haufen frohes Beifallsgeschrei. In langgezogenen Tönen mahnte das Horn vom Streite abzustehen. Theodulf trat bis in Wurfweite vom Thor und schrie mit mächtiger Stimme die Gnade der Königin in die Burg.

Drinnen erhob sich ungestüme Bewegung. Das Thor blieb verschlossen, aber am Walle und an den Schanzpfählen rissen in Verzweiflung wilde Gestalten, sie warfen Pfähle und Balken nach der Tiefe und rollten dem Holzwerk nach. Ein flüchtiger Haufe quoll hier und da aus der Verschanzung, mit Weibern und Kindern in angstvollem Gedränge die Rosse und Rinder. Auch einzelne Männer sprangen herab, denen die Schwurhand noch vom Opferblute roth war, durch die Noth gescheucht und ermüdet vom hoffnungslosen Kampf. Doch die Mehrzahl der Bauern stand auf der Höhe zusammengedrängt, die Schilde am Fuß, unsicher schauten sie den Frauen nach und dem herabstürzenden Herdenvieh. Nur der Eid hielt sie und die Scham.

Da trat Ingo zu ihnen und rief mit lauter Stimme: „Freiwillig seid ihr gekommen, frei mögt ihr auch gehen, da eure Landgenossen euch rufen. Quere Blicke und widerwilligen. Dienst begehre ich nicht. Wenig Ehre bringt mir der Krieger, der sich nach Weib und Kind sehnt während des Kampfes. Willig löse ich euch von eurem Eide; gedenkt, wenn ihr wollt, der eigenen Rettung."

Da legten Mehre still die Schilde an das Bollwerk und sprangen abwärts ohne sich umzusehen. Berthar aber rief in den Haufen der Bleibenden: „Nicht durch einen Wurf fällt

auf der Tenne die Spreu aus dem Waizen. Noch manchen sehe ich, den der Wind über den Zaun wegblasen mag. Versucht es noch einmal, ihr stolzen Gesellen. Gern entbehren wir die Genossenschaft der Waldleute."

Wieder fielen Schilde zum Boden und die Träger entschwanden mit finsteren Mienen.

„Was weilt mein König, ihren Jammer zu schauen? Besser schwingen sie sich, wenn die Scham ihnen nicht die Beine klemmt. Euer ist die Wahl; der eine Weg führt aufwärts zum Saal des Königs, der andere thalab zu eurem Dung." Er folgte seinem Herrn, der zur Halle eilte. Die Zurückgebliebenen standen noch einige Augenblicke beisammen; da sie sich allein sahen, schwand ihnen der Kriegerzorn. Nur Wenige eilten dem Könige nach, die Anderen suchten waffenlos das Freie. Unter den Lezten, welche den Ring verließen, waren Baldhard und Bruno.

Aus der Tiefe sprangen die Haufen der Königin jauchzend empor. Die den Ausgang suchten, hatten ihnen den Zugang gecbnet; die Austürmenden zerhieben die Sperren des Thores, ihr Schwarm drang heftig gegen den offenen Raum vor dem Saale. Aber schnell wichen sie zurück; denn aus der Schleuder, die Berthar auf die Treppe des Eingangs gestellt hatte, flogen die spizen Baumpfeile in ihre Reihen. Sie suchten Schuß längs dem Bollwerk, und wieder flogen Speere hin und wieder, und aus der Tiefe fuhren die Brandpfeile gegen das Dach.

Längs dem Dachbalken der Halle wirbelte weißer Rauch und durch den Dampf klang der Ruf: „Wasser herauf!" Auf der Leiter klomm ein Mann und rief von der Höhe: „Es knistert im Dach, die Rindshaut schwelt; ein Burgunderpfeil trieb das Feuer an den Vorsprung des Daches, es glimmt und flackert, geleert sind die Eimer."

„An unserem Brunnen kühlt sich die Königin,“ rief Berthar hinauf, „fehlt dir Wasser, so gieße dem Feuer unser Bier auf die Zungen." Der Wind fuhr heulend über das Dach

und trieb eine Rauchwolke und feurige Lohe in die Höhe. Ein Jubelschrei der Feinde folgte dem Windstoß, die Flamme brach züngelnd hier und da durch die deckenden Häute. „Komm herab, Wolf,“ rief Berthar dem Helden in der Höhe zu, der mit versengtem Haar und schwarzen Händen sich mühsam an der Leiter festhielt, „dir selbst rinnt aus dem Leibe der Quell, roth triest's von der Leiter."

„Es war nicht genug, das Feuer zu löschen," antwortete Wolf; er fuhr herab, schüttelte seine blutende Hand und griff nach Schild und Speer.

„Oeffnet die Thüren, ihr Blutgenossen," befahl Berthar, ,,damit der Luftzug unsrer Herrin den Rauch vertreibe. Soll der König allein die Schildwacht halten? Werft die Speere rings um den Bau; soweit sie fliegen, reicht jezt das Königreich der Vandalen.“

Ingo stand auf der Treppe des Saals, vom Schilde gedeckt, über ihm fuhren dicke Rauchwolken vom Wettersturm getrieben an die Schaaren der Feinde und umhüllten ihnen Rüstung und Gesicht.

,,Geöffnet ist die Halle," rief Ingo den Starrenden entgegen,,,mit dem Willkomm harrt der Wirth. Was säumen die verzagten Gäste?"

Aus dem Rauch sprang ihm eine Gestalt entgegen, ein schildloser Mann, und eine Stimme rief: Irmgard, mein Kind! Der Vater ruft, rette dich, Unselige!"

Irmgard hörte in der Halle den Schrei, wild fuhr sie auf und legte den Sohn in Frida's Arm. Und wieder rief es von draußen schriller und angstvoller: „Irmgard! verlorenes Kind!"

Ingo sette den Schild zu Boden und sah über die Achsel zurück: „Der Habicht schreit nach seinem Nestling, gehorche dem Ruf, Fürstin der Thüringe."

Bei dem Gemahl vorüber stürzte das Weib dem Vater zwischen den feindlichen Speeren entgegen. Aus den Haufen der Thüringe brach ein Freudenschrei und Heilruf. Sie um

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