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hilf deinem Weibe!" Den steilen Fußpfad an ihrer Seite sprang Ingo herab, erstaunt sah er sein Weib am Boden und vor ihr hoch zu Rosse die Königin mit ihrem Begleiter. Er schritt bei seinem Weibe vorüber, und beugte huldigend Haupt und Knie vor Frau Gisela. „Heil der großen Herrin der Thüringe,“ rief er fröhlich, „in Ehrfurcht grüße ich dein edles Haupt, schenke deine Huld dem Hause des treuen Vetters." Das Angesicht der Königin wandelte sich, da sie den Helden so froh in ehrerbietiger Haltung vor sich sah, und sie sprach gütig: „Heil sei auch dir, mein Vetter."

„Uebt Niemand der Königin den Hofbrauch, daß er ihr vom Rosse helfe?" rief Ingo und bot der Königin den Fuß und den Arm, damit sie sich herabschwinge. Frau Gisela faßte mit der Hand in sein lockiges Haar sich daran zu halten und ließ sich an seinem Fuße herab.

„Verzeih, Base Gisela,“ fuhr Ingo fort, als die Königin vor ihm auf dem Boden stand, „ungebührlich ist es, daß meine Hausfrau vor den Augen der Königin und eines fremden Mannes entblößt size, leihe ihr huldvoll den Mantel, damit sie sich geziemend entferne," und behend faßte er ihren Mantel, da wo ihn die Spange festhielt und zog ihn von den Schultern. Die Königin erblich und trat zurück, Ingo aber schlug den Mantel um den Leib seiner Frau und befahl sie erhebend und auf den Weg weisend: „Verlaß uns."

Irmgard hüllte sich und den Knaben in das weite Gewand und schritt den Fußpfad hinauf. Ingo aber wandte sich wieder zur Königin, er sah, wie diese nach Fassung rang und daß Sintram vom Rosse gesprungen war und mit gezogenem Schwert herankam. Aber die Königin winkte und Sintram trat gehorsam zurück.

„Dreist war die Hand, welche der Königin den Mantel nahm, aber dem Manne geziemt die Ehre seines Hauses zu wahren; du Ingo hast muthig gebessert, was wir im Eifer versahen und ich zürne dir darum nicht." Sie winkte ihrem

Begleiter zum zweiten Mal, Sintram wich mit den Rossen weiter abwärts, Ingo stand der Herrin allein gegenüber. „So ist es gekommen, wie ich begehrte," begann Frau Gisela, „du bist vor meinen Augen, Ingo, wie einst, wo ich dich auf den Stufen der Halle empfing, und wie damals nahe ich dir gutgesinnt.“ Und ernster fuhr sie fort: „Du hast Feinde in meinem Lande, welche dir Unheil sinnen, und laut schallt ihr Racheschrei in der Königsburg; auch meine Heimatgenossen, die Burgunden, erheben, wie ich höre, Klage gegen dein raubendes Volk."

„Du kennst den Brauch an den Landmarken, Königin, für den Schaden, den meine Leute durch die Fremden erfuhren, setzten sie sich selbst das Maß der Rache. Doch wurde durch meine Genossen ein Thüring gekränkt, so waren wir eilig dem Geschädigten Sühne zu leisten; laß auch du, Königin, dir den Frieden gefallen, den Ingo und seine Markleute von deiner Macht ersehnen."

,,Der Held, den ich einst kannte, hatte höheren Stolz als Kühe der Burgunden in seine Ringburg zu treiben," spottete die Königin.

,,Der Mann, welcher unstät über die Erde schweift, zimmert gern ein Dach, unter dem er als Wirth gebietet,“ versetzte Ingo.

„Unsicher nenne ich das Hausdach,“ antwortete die Königin, ,,aus welchem die Hauswirthin durch Volksgeschrei gefordert wird. Der Vater und der Bräutigam, denen du das Weib geraubt, fordern den Heereszug gegen dich, der junge König bedarf die Hilfe seiner Edlen, er kann nicht weigern die Geraubte von dir zurückzufordern und nahe ist, wie ich fürchte, dir das Verderben, denn mühsam hielt der Königswille bis jezt die zornigen Männer zurück.“

„Was du drohst, Königin, zwingt mich, noch fester in meinem Hofe zu stehen, ist Kriegsthat nahe, mir ist sie willkommen, rostig wird das Schwert, das am Herde hängt.“

„Thörichter Mann," rief die Königin näher tretend, „ganz

ahnungslos lebst du im Walde, während von allen Seiten die Jäger gegen dich ziehen. Der Cäsar begann neue Kriegsfahrt gegen die Alemannen, auch dich sucht seine Rache; den Burgunden hat er Bündniß geboten und Gundomar hat sein Volksheer geladen."

,,Den Cäsar nennst du," rief Ingo. „Dank für die gute Botschaft, Königin! Darum klang mein Schwert und dort naht der Kämpfer, den ich mir bei Tag und Nacht ersehne." Seine Augen leuchteten und seine Hand fuhr nach der Waffe.

,,Gut sprichst du, Held,“ rief Gisela selbst ergriffen von seiner Glut, verlorene Mühe wäre es, dich durch Gefahren zu schrecken. Die Warnung trage ich zu, denn ruhmvollere Genossenschaft weiß ich für dich, als unter den Bauern des Waldes und der Mark. Ingo, mein Vetter, du bist es, dem ich lieber als einem andern Mann den jungen König und mich selbst anvertraue; einen Helden begehre ich, der dem Volksheer vorschreitet in der Schlacht und der meinen Sohn lehrt wie man Ruhm gewinnt. Zu solcher Hoheit habe ich dich erkoren und dich für die Königsburg zu werben, bin ich hier."

Ingo stand überrascht, heftig wirbelten ihm die Gedanken durch das Haupt. Vor sich sah er das schöne Weib in der Königskrone, die Hand hielt sie ihm entgegen, was die Sehnsucht und Glück des stolzesten Helden war, das trug sie ihm bittend zu.

„Du warst ein Knabe," fuhr Frau Gisela in tiefer Bewegung fort, „da legten die Väter meine Hand in die deine, du wurdest ein Held, gerühmt von den Völkern und ich ein unzufriedenes Weib in der Königsburg, da strichst du wieder mit deinem Finger schmeichelnd über meine Hand. Was dich von der Königin trennte ist seitdem auf dem Scheiterhaufen dahin gelodert. Jetzt komme ich und lade mir den erlauchtesten aller Helden in diesen Ländern. Beide flehen wir zu demselben hohen Gott, die Enkel zum Ahnen, denn aus dem Geschlecht der Götter stammen wir beide, hoch dürfen wir das

Haupt erheben über alles Volk der Menschenerde, du und ich, wir sind durch die Unsichtbaren selbst geweiht zu Herrschern des Volkes." Als Ingo von den Lippen der Andern dieselben Worte vernahm, die er selbst gesprochen hatte, da sah er wie betäubt auf die Herrin, die einer Göttin gleich über sein Schicksal sann. Von der Höhe rauschte es, der Mantel der Königin fiel herab, in der Ferne verklang das leise Wimmern eines Kindes.

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„Dies ist der Schmuck, der geliebtem Helden gebührt,“ rief die Königin und rührte mit der Hand seine Schulter. Ingo hob das Haupt.

„Eine leise Stimme höre ich in meiner Noth,“ sagte er vor sich hin, „meinen kleinen Sohn höre ich über mich klagen und wie ein Mann, der aus dem Traume erwacht, stehe ich vor der Königin. An Eine bin ich gebunden, die mir theurer ist als mein Leben. Alles hat sie für mich verlassen, im Ringe der Blutgenossen habe ich ihr gelobt, daß ich um sie sorgen will wie ihr Vater und mit ihr allein das Lager theilen als ihr echter Gemahl. Wie darf ich sie meiden und zur Königsburg ziehen?"

„Nicht weiter, Ingo," rief Frau Gisela und ihr Antlig flammte, „gedenke, daß du auch mir die Hand gereicht, denke jener Nacht, wo ich das Schwert des toten Königs gehalten. Damals, wo ich dir dein Leben bewahrte, haben die Unsichtbaren mein Schicksal an deines gebunden. Mir gehörst du an, mir allein und theuren Preis habe ich für dich gezahlt."

„Hochherzig und als Heldin hast du dich mir erwiesen,“ versette Ingo, und dankbar bleibe ich dir, solange ich athme.“

„Pfui über den kalten Gruß,“ rief die Königin außer sich, „und pfui über den Helden, der mit höflichen Worten dankbar ist, daß ein Weib sich für ihn mit dem Fluch der Todesgötter belastet. Verstehst du so wenig, was ich gethan, da ich dem eigenen Eheherrn das Schwert band? Die bösen Gewalten habe ich heraufbeschworen gegen mein eigenes Leben, Argwohn und den lauernden Häß; Galle war seitdem mein

Trank und der eines Andern, verdächtig jedes Wort und ruhelos jede Nacht. Ob ich noch ferner im Licht athmen würde, wenn der Andere fortfuhr mit seinen wilden Knaben zu zechen, das war meine Sorge, herznagende Sorge bei Tag und Nacht.“

Hast du Todesnoth ertragen um meinetwegen," sprach Ingo bewegt, so rufe mich, wenn dich Gefahr bedrängt und willig werde ich mit meinem Blut zahlen, was ich von deiner Last zu tragen habe."

Die Königin hörte kaum seine Worte, sie trat nahe zu ihm und flüsterte mit heiserer Stimme: „Bist du so willig, Trauter? wohl möglich, daß der Andere nicht gestorben wäre, hättest du nicht in jener Nacht in meinem Gemach gestanden."

Der Held fuhr zurück, seine Wange erblich, aber kalt war sein Blick als er antwortete: „Meinst du, Königin, daß du meinem Herzen lieber wurdest, wenn du um meinetwillen schwere That auf dein Leben nahmst?"

„Was starrst du mich an wie von Stein," schrie Frau Gisela, sie faßte seinen Arm und schüttelte ihn: „Nicht dürfen wir zwei, du und ich, nebeneinander noch auf der Männererde dauern, wenn du mir nicht folgst.“

Zornig löste sich der Held von ihrer Hand. „Hast du durch heimliches Nachtwerk auch auf mein Haupt den Zorn der Rachegötter gesammelt: ich bin bereit die Buße zu zahlen, aber frei von dir, nicht als Knecht an dein Leben gebunden."

Die Königin sah scharf in sein Angesicht, langsam hob sich ihr Arm und die Hand ballte sich drohend. „Geworfen sind die Stäbe, in welche die Schicksalsfrau deine und meine Zukunft rizte. Du hast gewählt, Ingo, und das Zeichen, das du gefunden, bedeutet Noth." Sie wandte sich ab, krampfig hob sich der Leib, aber thränenlos blieb das Auge und steinern war ihr Antlig als sie auf die untergehende Sonne weisend halblaut sagte: „Auf morgen." Eilig schritt sie zu den Rossen. Ingo schleuderte den Königsmantel mit dem Fuße den Berg hinab und sprang auf dem Wege, den Irmgard gegangen, seinem Hofe zu.

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