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„Den Schlüssel zur Schazkammer bewahrt jezt die Königin für ihren Sohn," fuhr der Sänger fort, sie herrscht gewaltig in der Königsburg und sendet ihre Mannen in das Land. Um die Wette reiten die Edlen an ihrem Hofe Huld zu gewinnen; schwerlich wagt Jemand ihrer Herrschaft zu trogen. Schon meint Mancher, daß die Faust des toten Königs weniger gedrückt habe als die weißen Finger der Frau Gisela. Das kündige ich dir, Fürst, von Niemandem gesandt, du erwäge, ob es dir Unheil bedeute."

„Mit gleichem Ernst berichtest du Trauriges und Frohes," antwortete Ingo lächelnd. „War der König mir nicht schädlich, die Königin kenne ich als gütig und edelgesinnt. Jetzt erst darf ich mit leichtem Muthe mich meines Glückes rühmen, soweit es an dem Willen der Nachbarn hängt."

„Unsicher ist die Gunst einer herrischen Frau,“ sprach der Sänger.

,,Ein treuer Grenzwart war ich dem toten König, warum sollte ich seinem Sohne weniger sein? und solange Frau Gisela den Thüringen gebietet, erwarte ich Gutes von dort. sprachst die Königin ?“

Du

Feindlich stach der Blick der Königin, als sie mich in dem Haufen sah. Denkst du jemals wieder in meinem Hofe den Mägden deine Reigen zu spielen,' rief sie mir zu, ‚so meide die Bergfahrt. Wenn die Elster über die Wälder fliegt, rauft ihr der Habicht die Federn. Vielschwazender Bote warst du dereinst, forge um deine Zunge. So winkte sie mir Entfernung, ich aber eilte flüchtig durch die Wälder hierher, mich trieb die Sorge um dich und die Herrin."

„War die Sorge auch eitel, dennoch sei bedankt für deine Treue. Dir hat ein Verläumder die Königin verfeindet. Wie sie mir gesinnt ist, habe ich in schwerer Stunde erfahren, bewährt ist die Freundschaft und gemeinsam der Quell unseres Blutes. Denn uns Beiden walten die hohen Ahnen im Göttersaal, als zwei Kinder eines Geschlechtes stehen wir unter Frem

den auf den beiden Seiten der Berge, ich der Mann und sie das Weib."

„Doch nicht dein Weib, Herr," warf Berthar ein.

"

Ingo lachte. Gleichwol ist sie ein Weib und übel stünde uns Männern, die Laune einer Frau zu fürchten.“

„Noch übler, ihrer Freundschaft zu vertrauen,“ mahnte der Alte. „Als die Bärin klein war, leckte sie die Hand des Mannes, den sie später im Nacken packte."

„Gar zu hartnäckig ist dein Mißtrauen," schalt Ingo gutherzig. Aber ich will die Klugheit üben, die du räthst. Wir reiten selbst in die Dörfer und laden die Alten zum Rath, ob wir eine Botschaft senden an die neue Königin und vorsichtig auf Rüstung denken. Ist die Arbeit unnüß, so lachen wir später der Sorge. Du Volkmar, weile als Gast bei uns, bis du erkennst, daß Frau Gisela dir wieder hold wird; du weißt selbst, wie lieb uns deine Nähe ist."

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Verzeih, Herr,“ antwortete der Sänger ernsthaft, „wenn ich meine Fahrt nicht hemme, schneller als Sprung des Hirsches und Flug des Falken eilt der Zorn dieses Weibes. Völlig hat sie vergessen, daß sie ehedem meine Botenfahrt vor dem toten König rühmte. Meinst du vor ihr sicher zu sein, mir hoffe ich's nicht.“

„Wer darf dem wanderlustigen Sänger den Fuß hemmen ? Mußt du scheiden, so laß dir's doch gefallen bei der Herrin am Herde auszuruhen und kehre bald wieder unter unsere Eichen."

„Ich werde die Stätte wieder aufsuchen, wo die Eichen stehen,“ versezte der Sänger, sich über die gebotene Hand des Häuptlings neigend.

Ingo schritt mit Berthar zu den Rossen, Irmgard sah ihm nach. Vieler Geheimnisse bist du kundig, Volkmar," sprach sie leise, aber du vermagst der angstvollen Frau doch nicht alle Gedanken zu deuten, welche durch das Haupt ihres Gemahls ziehen.“

„Die Gedanken schwirren im Haupt, wie Schwalben im Hausdach, sie fliegen aus und ein," tröstete der Sänger, „du aber gleichst dem Herdfeuer im Hause, welches Frieden gibt und froh macht; sorge nicht um die schwärmenden Schatten. Doch auch dir, Herrin, nahe ich als verschwiegener Bote. Da ich aus den Waldlauben schied, trat Frau Gundrun mit mir zu dem Gehege, worin sie das Hofgeflügel verwahrt. Sie wies auf ein Storchweibchen und sprach:,,Der Vogel entflog im Sommer dem Hofe, aber vor dem Winter kam er zurück und brachte sein Junges mit, jezt füttern wir beide. Eine, die du kennst, schwand von hier, weil sie die Schwungfedern eines Wanderschwans erfaßt hatte, trage ihr jegt ein anderes Reisezeichen zu.“ Und der Sänger bot ihr das Zeichen, die Flügelfeder eines Storches und die Kielfeder eines jungen Vogels mit einem Faden zusammengebunden. Irmgard hielt den Gruß ihrer Mutter in der Hand und ihre Thränen fielen darauf: „Frau Adebar, die Störchin, flog zum Hofe zurück, weil ihr ein Raubvogel den Wirth ihres Nestes zerkrallt hatte. Mir aber gebietet mein Herz, den wilden Falken zu widerstehen, welche gegen meinen Hausherrn die Flügel schwingen. Komm, Volkmar, daß ich dir mein armes Storchkind zeige, das jauchzend die kleinen Hände ballt, wenn sein Vater sich über sein Antlig neigt."

Am Nachmittag war es still auf der Ringburg. Der Sänger war geschieden, Ingo eilte mit den Hofgenossen durch die Thäler. Frau Irmgard stand an dem Quell, der unweit des Hauses unter einem Felsen hervorrieselte. Dort hatten die Männer der Herrin einen schönen Steintrog gemeißelt, in dem sich das Wasser sammelte. Warm schien die Sonne, lustig plätscherte das kühle Wasser und floß aus dem Steintroge thalab; über die Felswand hingen von oben die Aeste eines Eschenbaumes als ein schirmendes Dach und um den Quell standen Weiden und bargen mit ihrem grauen Blättergewand die Stelle vor fremden Augen.

Irmgard hielt den kleinen Sohn über den heiligen Quell. „Liebe Herrin des rinnenden Wassers," flehte sie,,,sei hold meinem Kinde, daß seine Glieder stark werden und sein Leib wohlgestaltet wie der meines Herrn." Sie badete den Knaben, welcher ungeduldig schrie und mit den Beinchen um sich schlug, sie rieb ihm den kleinen Leib mit dem Linnentuch, hüllte ihn warm ein, legte ihn auf das Moos und sprach ihm kosend zu, bis sein Schreien endete und er die Mutter wieder anlachte. Dann erhob sie sich und legte ihr Obergewand ab, daß sie ungegürtet im Unterkleide stand, sie spülte am Wasser den Saum des durchnäßten Gewandes rein und breitete es aus, wo die Sonnenstrahlen auf den Rasenweg fielen. „Einst hatte ich Dienerinnen, welche sich zu meinem Dienst aufschürzten, und selten rührten meine Hände an Herd und Trog; jetzt hause ich mit Frida und den Mahlmägden allein in der Wildniß und rauh wird die Hand, ich fürchte, daß das meinen Herrn kränkt. Wäre meine Hand weich wie einst, ihm würde manches Behagen fehlen. Wie könnte er leben ohne meine Hilfe an der wilden Mark?" Sie sah auf ihr Bild, welches in dem bewegten Wasser hin und her fuhr, und löste das Band ihrer Haare. Die langen Ringellocken sanken herab und tauchten mit den Spitzen in das Wasser, sie aber starrte in die Fluth und sprach leise: So gefiel ich ihm einst; wissen möchte ich, ob er noch so denkt wie damals, wo er mich im Morgenlicht küßte? oder hat mich der stille Gram gewandelt um den Zorn des Vaters und die Trauer der Mutter? Ich berge doch meine Seufzer dem Könige und winde die Hände nur in der Einsamkeit. Ihm aber kränkt die einsame Ruhe den stolzen Muth und er sehnt sich hinaus zu ruhmvollem Heldenwerk, denn hoch fährt sein Sinn und er ist sein Lebelang gewöhnt den Adlern die Walstatt zu bereiten. Jetzt birgt er sein Haupt unter dem Holzdach um meinetwillen.“

So senkte sie das Haupt über den Steinrand in schweren Gedanken. Der Thürmer rief und von Tritten flang der

Stein, ohne daß sie darauf achtete. Da schnaubte neben ihr ein Roß und eine tiefe Frauenstimme rief:,,Was kauert das Weib am Brunnenrand, so gierig ihr eigenes Antlig zu beschauen, daß ihr Auge und Ohr verblendet sind.“

Irmgard fuhr auf. Vor ihr hielt hoch zu Roß eine mächtige Frau, von dem gelben Haar hing ein Schleier herab, über die Schultern und des Rosses Rücken ein Purpurmantel, von Goldmetall blizte die Rüstung des Rosses und sein Huf stampfte auf dem Linnengewand, das Irmgard ausgebreitet hatte. Und hinter der Fremden sah sie das bleiche Gesicht Sintrams. Die heiße Röthe stieg ihr in die Wangen, sie wußte wer die Fremde war, vor der sie ohne Gürtel mit entblößtem Bein stand. Aber aus ihrem Auge flammte der Zorn, wie aus dem der Königin. So prüften einander die Frauen schweigend mit feindlichen Blicken, dann schlug Irmgard ihre Haare wie einen Schleier über die Brust und tauchte neben dem Brunnen nieder in das Moos, damit sie die nackten Beine berge. Sie nahm ihr Kind in den Schoß und hielt es vor sich. „Ist das Weib stumm, das sich auf den Boden duckt?" rief die Königin ihrem Begleiter zurück. Es ist Frau Irmgard selbst, Herrin," antwortete Sintram. „Die Königin ruft dich, Base Irmgard."

Irmgard blieb unbeweglich sitzen, aber sie rief befehlend: ,,Wende dein Antlig ab, Sintram, nicht ziemt es dir die Augen auf mich zu richten, während das Roß deiner Königin über meinem Gewande stapft."

Hast du so gut gelernt was dem Weibe geziemt im Hofe deines Vaters, aus dem du entwichen bist als Dirne eines fremden Mannes ?"

,,Unwahr schmähst du, wenn du gleich eine Königin bist," rief ihr Irmgard zornig entgegen,,,treu lebe ich meinem verlobten Gemahl. Siehe zu, Neidvolle, ob du gleicher Ehre dich rühmen darfst."

Drohend erhob die Königin den Arm, da klangen Stimmen auf der Höhe. Hierher Ingo," rief Irmgard außer sich,

Freytag, Werte. VIII.

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