Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Eisennadel steckt darin, diese bedeutet, wie ich verstehe, den Tag, welcher zur Vermählung bestimmt ist. Jetzt zähle, Herr. Kurz ist die Frist, die dir bleibt; zum letzten Mal hat der Mond gewechselt."

Da rief Ingo: „Wähle mir, Vater, die Blutgenossen für verwegene That, und rüste nach dem Brauch unserer Heimat die Männer und Rosse für den Vandalenritt in der Schwärze. Du aber flehe mit uns zu den Nachtgeistern um Sturm und Finsterniß."

Ueber den Waldlauben zogen die schwarzen Wolken dahin, die Schatten dehnten sich und glitten wieder zusammen, bald fuhr es beim Mond vorüber wie Manneshaupt, bald wie goldschimmernder Fuß eines Rosses. Von den Bergeshäuptern wälzte sich dichter Nebel herab, bleigrau wand er sich um die Höhen, floß in die Thäler und hüllte in greulichen Dämmer, was auf der Erde ragte, Fels und Laub und den schreitenden Mann. Der Wind heulte über die Berge langhallenden Klageruf und schüttelte die Wipfel der Bäume, daß sie ihre Aeste tief gegen das Thal neigten; hier und dort dröhnte es im Walde von schwerem Fall, alte Urstämme, vom Moder gehöhlt, brachen zusammen, Baum stürzte auf Baum und riß die belasteten, welche unter ihm krachten, tief hinunter in das enge Thal. Schreiend fuhr das Volk der Raben auseinander und wirbelte abwärts in die Kluft, wo die gescheuchten mit Schnabel und Fängen sich festklammerten. Unten aber rauschte zornig die Schaumfluth des Baches, sie schwoll gegen die Baumsperre und hob sich von Fels zu Fels, in tollem Wirbel kreisten darin die Aeste und Stämme und der Wasserschwall schlug an die Berge.

Ueber das Waldgebirge breitete sich ein fahler Lichtschein, vielleicht kam er aus dem Boden, vielleicht aus den Wolken des Himmels, undeutlich sah man die Berge über die schwarze

Nacht der Thalgründe ragen. Plötzlich flammte ein Blikstrahl. Und wilder als Brausen des Waldes und Gekrach der Bäume klang der Herrenruf des Donnergottes.

Ingo stand hoch über dem Gießbach, mit der Faust hielt er sich fest an einer Wurzel, die seitwärts aus dem Boden ragte und ehrfurchtsvoll neigte er sein Haupt zu Strahl und Donnerton.,,Unter den Nachtgöttern, die ich mir zur Hilfe beschwor, nahst auch du," murmelte er, starker Gebieter, was kündet dem flehenden Mann die Himmelsflamme, in der du daherfährst? Mahnst du mich hinweg von der Menschenerde in die Lichthallen, und soll ich zerbrechen, wie die Waldwipfel im Sturme, oder willst du mir vergönnen, daß ich der Frucht gleich, die von deinem Baume fällt, festhafte in den Thälern, wo Menschen wohnen? Hast du ein Zeichen für mich, so laß mich vernehmen, ob die That, die ich wagen will, mir zum Heile gelingt." Da fuhr ein Feuerstrahl aus der Wolke in den Felsen unter ihm und aus dem Fels flammte blaues Licht dem Blitzschlag entgegen, der Donner krachte, das Felshaupt löste sich und sank in Sprüngen hinab von der Höhe in das Thal, immer wilder die Säße und schneller der Sprung, es brach durch den Wald und splitterte den Stein, bis es in den Gießbach schlug, daß der Gischt hoch gegen den Himmel sprühte. Aber dem Schlag und Getöse folgte Stille und aus der Ferne klang mahnend ein Nachtruf von Männerstimmen. Da rief Ingo in wilder Freude: Die Hochzeitsknaben höre ich, sie laden zum Brautlauf; segne unser Werk, großer Gebieter," und die Waffe schwingend sprang er durch Wetterwolken und Finsterniß dem Thale zu.

Der Mond war hinter den Bergen geschwunden, schwarze Nacht deckte die Waldlauben, mit Getöse fuhren die Sturmriesen um die Häuser des Herrenhofes, sie schlugen den eisigen Regen auf die Dächer, schleuderten die Breter vom First der Halle und stießen brüllend gegen die geschlossenen Thore. Wer von den Männern im Toben der Nachtgewalten wachte, der

barg scheu das Haupt in seinem Pfühl, selbst die Hofhunde lagen winselnd in den Hütten und unter der Treppe. Im Gemach der Jungfrau flackerte das Licht der Lampe in der scharfen Zugluft, die durch Thür und Wände drang. Irmgard saß an ihrem Lager, vor ihr kniete auf dem Boden Frida, hielt mit ihren Armen den Leib der Gespielin umfaßt und horchte ängstlich auf das Geheul der Nachtgeister.

„Die Windsbraut fährt dahin über die Höfe," klagte Irmgard, „gejagt von den Riesen; wer es wagt, sein Messer in den Wirbel zu werfen, der verwundet, so sagen sie, das flüchtige Weib. Auch mich hat der Vater mit dem Messer bedroht, weil ich auf meinen Knieen flehte, mir morgen das Gelübde an den argen Mann zu erlassen. Dahin fahren will ich wie die Riesenbraut, bevor ich dem Verhaßten die heiligen Worte sage."

„Sprich nicht so furchtbar,“ bat Frida, „daß nicht die Uebermenschlichen draußen es hören und dich an deine Rede mahnen." Und wieder hob sie ihr Haupt und lauschte.

„Nicht lange währte die Seligkeit, die mir die Götter sandten, als er in den Hof trat," begann Irmgard wieder. ,,Damals war ich sorglos, als die Nachtsängerin mir Gutes sang und die schwarzen Beeren am Fruchtbaum hingen, stolz meinte ich im Federkleid über die Männererde zu schweben, wenn er zu mir sprach. Jezt starre ich allein in die Finsterniß. Hassen muß ich mich,“ fuhr sie auf, „daß ich über die eigene Noth klage. Ingo, Geliebter, bitter ist die Sorge, die ich um mich selbst fühle, aber größer das Leid um dein Geschick, denn du bist dahingeschwunden im Nachtwind, Keiner bringt mir Kunde von dir und ich weiß nicht, denkst du mein oder hast du mich vergessen, athmest du noch in der Fremde, bedrängt wie ich, oder soll ich dir den Purpur tragen unter die Erdscholle." Sie sprang auf und rief: An meinem Herzen berge ich dein Geheimniß, gebunden bin ich an dein Leben und leben muß ich, bis ich weiß, wo das Haupt meines Königs ruht.

Sieh zu, ob der Morgen naht, vor dem ich bebe," rief sie der Gespielin zu. Frida sprang an die Fensteröffnung und schob einen Zipfel der Decke zurück, gellend brach ein Windstoß herein, warf einen Strahl Himmelswasser in das Gemach und traf die Wange der Frauen mit kalten Schlägen. „Keinen grauen Schein sehe ich am Himmel und keinen Klang höre ich als das Stöhnen in der Luft,“ versette Frida und verschloß wieder die Deffnung mit Laden und Decke.

„Sei bedankt," sprach Irmgard, „jetzt ist noch Zeit fröhlich zu sein. Wenn aber der Morgen kommt, dann werden sich die Hochzeitsgäste sammeln, im Festkleid nahen sie und der Ring wird geschlossen, sie ziehen das Weib hinein, sie sprechen ihr die Worte vor und höhnen sie durch die Frage, ob sie geloben will. Nein,“ schrie sie. „Dann sehe ich erschreckte Gesichter und zornroth eines. Er faßt nach dem Messer. Stoß zu!" Und das Antlitz in den Händen bergend klagte sie: „Armer Vater, auch dir wird es traurig sein dein Kind zu verlieren. Denn auf einsamem Pfade fahre ich dahin, über leere Haide gleite ich, durch Eisströme wate ich, still ist der Weg und kalt ist die Nacht zum Thor der Todesgöttin und um mich herum. regen sich lautlos die schwarzen Schatten."

Die Hausthür erdröhnte und sprang auf, eine Schattengestalt drang herein, eine zweite, ein ganzer Hauf, riesig die Leiber, schwarz die Häupter und schwarz das Gewand. Entsetzen faßte die Frauen, als sie das Nachtgreuel sahen. Aber aus dem Ring der schweigenden und gleitenden Unholde sprang einer heran. Nur ein Laut, ob ein Schrei, ob ein Seufzer, kam von Irmgards Lippen, dann sank eine dunkle Kappe über ihr Haupt, mit Riesenstärke ward sie gefaßt und hinausgetragen in die Sturmnacht. Hinter ihr warf ein anderer der Nachtgesellen die Hülle über Frida's Haupt und wollte sie heben. Sie aber sträubte sich heftig und obgleich ihr schauderte, rief sie doch: „Freiwillig will ich gehen auf eignem Fuße auch unter Nachtgespenstern; hinter der Bärenkappe merke ich eine

röthliche Locke, die ich kenne." Im nächsten Augenblick war das Gemach leer, die Thür von außen geschlossen, durch eine große Lücke der Hofmauer, welche die Nachtgesellen gebrochen, sprangen sie ins Freie. Unter Sturm und Regen schnaubten wilde Rosse und fuhren Reiter dahin. Und wieder schrien die Geister des Sturmes gellenden Racheruf und schleuderten das Wolkenwasser gegen die Dächer des Hofes, aus dem das Herrenkind geschwunden war.

Als der nächste Tag sich neigte, schwieg der Sturm und die Sonne färbte mit rothem Abendlicht die Eichen der Idisburg. Da sprengte aus dem finstern Walde, der hinter dem Holzring ragte, eine Schaar Reiter dem Burgwall zu. Berthar, der selbst die Thurmwache hielt, eilte an das Thor und rief die Arme hebend den kommenden lauten Heilgruß entgegen. Die Rosse stoben in den Hof, zwei verhüllte Frauen wurden herabgehoben, Ingo löste die Kappe der ersten und Irmgards bleiches Antlig wurde vom Sonnenlicht bestrahlt. Die Vandalen warfen sich vor ihr auf die Knie, sie faßten ihre Hand und den Saum des Gewandes und riefen jubelnd Heil ihrer Königin. Berthar aber nahte der Regungslosen ehrfurchtsvoll, faßte ihre Hand und sprach: „Schließt den Ring, Blutgenossen, fleht, daß die hohen Götter den Bund der Könige segnen." Und er that die heilige Frage der Vermählung an Ingo, Ingberts Sohn, den König der Vandalen. Darauf wandte sich der Alte, der an Vaterstelle stand, zu der Jungfrau und that dieselbe Frage. Da öffneten sich ihre Lippen zum ersten Mal seit der Angstnacht, aber die bebenden Worte flangen: Ja, ich will." Und die Vandalenfrau barg ihr Angesicht an der Brust des Mannes, der ihr lieb war.

Unter den Eichen wurde das Brautmahl gerüstet, die Knaben trugen die Holztafeln und stellten sie auf Kreuzhölzer, die sie gefügt. Auch den Ehrensiz für den Wirth und die Wirthin hatten sie vorsorglich gezimmert und mit einer Armlehne erhöht. „Laß dir, edle Herrin, heut zum Willkommen

« ZurückWeiter »