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Sonnenstrahl die Schneedecke röthlich färbte, rief er: „Diesen Winter rühme ich, denn ich höre gute Worte an der Herrenbank und in der Kammer." Zu den Jagdreisen, welche vom Könige den Helden bereitet wurden, kam auch ein Kriegszug gegen einen Gau der Sachsen, dorthin ritten die Vandalen neben den Königsmannen; und als die Helden siegreich und mit Beute beladen heimkehrten, pries der König laut das gute Schwert Ingo's und seine Knaben saßzen seitdem geduldig mit den Fremden um die Bänke.

Der Schnee schmolz im Frühlingslicht, neues Grün schoß aus dem Boden, an Birken und Haseln hingen die braunen Kätzchen; auch in den Seelen der Menschen regte sich die Hoffnung des neuen Lebens und der Wunsch nach Ausfahrt aus dem Winterdach. Die ersten Wandervögel flogen aus dem Süden heran, mit ihnen Volkmar der Sänger, er kündete in der Königshalle vergangene Kämpfe der Götter und Helden und sang leise in Ingo's Ohr von der Trauer und Sehnsucht eines Waldvogels. Dann berichtete er, daß in den Lauben. Unfriede und harte Rede den Sinn der Weisen beschwerten. Theodulf saß noch als siecher Mann im Hofe des Fürsten, die Freundschaft des Sintram war dort mächtig und Herr Answald herrschte unwirsch über die Bankgenossen und hatte den Sänger zur Hochzeit der Tochter für die Maienzeit gefordert. Aber auch aus der Königsburg gingen vertrauliche Grüße in die Wälder. Wolf erhielt einen Urlaub in seine Heimat. sprach vor seiner Reise heimlich mit seinem Herrn und Berthar, rastete auf dem Wege in den Höfen des Rothari und Bero und ritt mit Bero auf wenig betretenen Waldwegen südwärts dem Main zu. Als er zurückkehrte, sah man in der Gastherberge frohe Mienen.

Er

Endlich sprengte auch der Strom die Eisdecke und ergoß seine Fluth herrschlustig über das junge Grün der Wiesen, im plötzlichen Schwall rauschten seine Wasser und die Menschen merkten scheu die Gewalt des Unbändigen. Aber der Ostwind

redung mit ihm, und damit du Alles sprichst wie ich geboten, so höre die Warnung: am Fuße des Thurmes harren zwei meiner Knaben mit harten Händen, steigt er hinab ohne mich, er überschreitet nicht lebend die Schwelle."

„Gut sorgte der König," antwortete Frau Gisela starr. Da fiel ihr Blick auf das Schwert des Königs und sie schrie: ,,Blutig glänzt der Stein an dem Messer des Königs, die Todeswaffe deiner Ahnen ist's," und ihr Entsehen mühsam bändigend fuhr sie fort: „Vom Gemach der Königin bleibt sonst das Schwert der Männer ausgeschlossen. Warum kränkt der König mein Recht?"

„Es ist nur Vorsicht, Gisela,“ versetzte der König grimmig. Er schritt nach dem Hintergrund des Zimmers, öffnete eine kleine Seitenthür und verschwand dahinter.

Wieder stand die Königin allein und in wilder Empörung flogen ihre Gedanken. Gewaltthat sinnt der lauschende König, und ich soll helfen bei nichtswürdiger That."

Da klang draußen der Tritt des Andern und Ingo trat ein, ungerüstet und schwertlos. „Ich danke dir, Base Gisela,“ begann er herzlich, „daß du mir heut deinen Thurm öffnest.“ Er sah in den geschmückten Raum, auf gestickte Teppiche an der Wand und kostbares Geräth aus fremdem Lande. „Seit ich die Mutter verlor, habe ich niemals wieder das Prunkgemach einer Königin betreten. Was stehst du so feierlich, Base?“ fuhr er traurig fort, „verzeihe mir, wenn ich mich nicht, wie ich sollte, der Ehre freue, daß du den armen Ingo im Königschmucke empfängst." Er ergriff ihre Hand, troß der Angst flog ein rosiger Schein über ihr bleiches Antlik, als sie die Hand zurückzog. „Leichter ist der Aufgang zum Gemach der Königin als der Sprung aus der Thurmthür," sprach sie leise.

„Ich sah lauernde Knaben des Königs," antwortete Ingo, ,,und mich verwundert das nicht, denn ich weiß, Harietto hat den Sinn des Königs, der mir sonst gütig war, gegen mich empört, darum flehe ich, sorge du, soweit du vermagst,

daß mir nicht Schmach widerfahre. Müde bin ich, Königin, meines Erdenlooses, verleidet bin ich jedem Gastfreund, elend überall, gleich einem tollen Wolf gehezt von Hof zu Hof, verächtlich wird mir solches Leben, denn eines bessern Schicksals fühle ich mich werth, und selbst denke ich zu sorgen, daß ich nicht als Lebender durch Römerfesseln gebunden werde. Wenn du aber mein Geschick nicht zu wenden vermagst, dann, flehe ich, rette meine Blutgenossen, den irrenden Schwarm, vor ruhmlosem Tode. Gern werden sie kämpfen gegen wen es auch sei, aber sie fürchten ein Verderben, das sich ihnen unsichtbar nahen mag, denn fest eingehegt stehen wir zwischen Steinmauern.“

Lautlos starrte die König in nach der verborgenen Thür, plöglich stieß sie einen heiseren Schrei aus, denn der König trat hervor und rief: „Eingehegt bist du selbst zur letzten Wunde.“ Mit gehobenem Schwert fuhr der König gegen Ingo, aber wie eine Löwin sprang Frau Gisela dem Herrn entgegen und wand ihm den Arm, daß das Schwert klirrend zu Boden fiel. Ingo ergriff die Waffe und rief sie schwingend: „Ich halte deinen Tod in der Hand, König Bisino, wenig wird dir deine Rüstung frommen, wenn ich die That üben wollte, die du mir zugedacht. Danke dem Gotte, dem du vertraust, daß der Gastschwur mir heiliger ist als dir." Und er warf die Waffe dem König vor die Füße. Ein leiser Ton wie das Stöhnen eines Weibes zitterte durch den Raum.

Der König sah wild um sich: „Du sprichst als ein Mann; wohlan, hebe dein Schwert von der Treppe, wir fechten.“ „Ich habe dir Friede geschworen," antwortete Ingo unbeweglich.

„Und ich dir,“ rief der König, „gebrochen ist der Eid, du bist frei, hebe die Waffe.“

,,Gegen dich kämpfe ich nicht um mein Leben," versetzte Ingo, ehrwürdig ist mir dein Königshaupt, wenn du mir auch zuweilen Uebles gedacht hast. Und nimmer will ich helfen, daß

Freytag, Werke. VIII.

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der Ruf deines Gemahls entehrt werde durch dein oder mein Blut, das vor ihrem Lager vergossen wird. Muß ich vertilgt werden, dann klage ich nicht, wenn du selbst cs thust, dann stoß zu, König, und sei bedankt für das Gastgeschenk.“

Der König beugte sich das Schwert zu erheben, da klang von unten Geschrei und Kriegsruf, Ingo schnellte empor. „Fluch mir, vergessen habe ich in der eigenen Noth_die Nothgenossen. Den Sang meiner Schwäne höre ich, ich komme. Du wahre dich, König, ich finde was dich zwingt." Mit Sturmeseile brach er aus der Thür, der König raunte heiser: „Erbarmen kennen die nicht, die unten seiner harren," und er eilte ihm mit geschwungenem Schwerte nach.

Aber Ingo sprang nur wenige Stufen hinab, wo sein Schwert lehnte und unter dem Gemach der Königin der junge Sohn neben dem Helden Valda schlief. Er raffte den Knaben vom Lager, drückte ihn an sich und flüsterte ihm zu: „Hilf mir, Hermin, mir droht das Verderben. Ich thue dir kein Leid, wenn nicht von dem König meinen Genossen ein Uebles geschieht." Der Knabe hing schlaftrunken in seinem Arm und faßte ihn um den Hals. „Gern helfe ich dir, Vetter,“ sagte er ahnungslos. Bevor der alte Krieger sich vom Lager erhob, trug Ingo den Knaben hinauf an die Thür der Königin, wo der König mit dem Schwerte ihm entgegen sprang. Aber Bisino fuhr entsegt zurück als er sein Kind unter dem Messer Ingo's erblickte. „Geh voran, König Bisino,“ rief Ingo befehlend, bereite mir den Weg, ich halte was dich zwingt. Das Leben deines Knaben sei Bürge für die Häupter der Meinen. Lebe wohl, Frau Gisela, flehe zu den Göttern, daß das Haus des Königs nicht zerbreche in dieser Nacht."

Die Männer eilten die Steintreppe hinab, Frau Gisela lauschte starr nach Getöse und Fall am Fuß der Treppe. Ob sie wünschen sollte, daß er entrann, der den Sohn ihr gepfändet? Ob er selbst zurückkehren würde in ihr Thurmgemach, oder der König oder keiner von beiden, das stürmte ihr durch die Seele;

sie fühlte Haß gegen ihn, der ihre Hilfe sich nicht begehrt, und doch auch heiße Angst um sein Leben, und Angst vor der Wiederkehr des Königs. Sie sprang an das Fenster und sah hinaus in die Nacht. Sie hörte fernes Gemurr und helles Geschrei, dann wurde es still, sie sah einen Feuerschein blinken, aber auch er verlosch, die Nacht blieb schwarz und unsicher, wie ihr eigenes Schicksal. — Auf den letzten Stufen vor der Thurmthür hielt Ingo an: „Verjage die Hunde, König, daß ihr Biß nicht deinen Sohn treffe." Der König trat ungern vor, aber er verscheuchte seine Wächter. Ingo sprang an ihm vorüber wie ein flüchtiger Hirsch zu der Herberge seiner Mannen. Nicht vermochte der König ihm zu folgen, so sehr er sich eilte.

Um die Herberge standen die Haufen der Königsknaben, gerüstet mit Schild und Speer, manche auch mit Fackeln in der Hand. Auf dem Erdboden vor den Stufen loderte eine rothe Flamme, und warf ein unsicheres Licht in den dunkeln Saal und auf die wilden Gesichter der Vandalen. „Was blinzen die Käuze beim Lichtschein und wenden abwärts den Blick?" rief Berthar von der Treppe,,,mich wundert's, daß die Knaben des Königs vor niederträchtigem Werke sich scheuen, sie sind ja, wie ich höre, gewöhnt bei Nacht zu töten. Für ganz schamlos gelten sie im Volke. Hat sie erschreckt, daß mein Schwert ihrem Fackelträger den Brand zerschlug? Tretet näher, ihr bösen Verzagten, damit ihr vor allem Volke verflucht werdet als Friedensbrecher. Heran, auf daß meine Knaben euch die legte Fahrt rüsten.“

„Grobe Worte sind die Münze des heimatlosen Bettlers," rief Hadubald entgegen, „gut verstehst du sie zu zahlen, wenn du au fremden Bänken lungernd durch die Welt fährst. Ganz unnütz seid ihr auf der Männererde und schwerlich ärgert ihr fortan noch fremde Höfe durch euer Geschrei.“

So bereiteten sich die Helden durch heftige Rede zum Kampf; da sprang durch den lärmenden Haufen Ingo, den Königsohn

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