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„Die leichtesten seid ihr,“ versetzte Berthar, „meine Gesellen werden Mühe haben, ihre Beute aus dem Walde zu schleifen. Dennoch meine ich, daß wir auf die Jagdehre nicht verzichten, denn von dieser Jagd wird im Lande wohl noch länger erzählt." Schweigend schritten die Bankgenossen des Herrn Answald dem Hofe zu, nur Theodulf sprach in seiner hochfahrenden Weise, um durch die Worte den Grimm zu bewältigen, der in ihm kochte; ohne Jagdruf betraten sie den Hof, Hildebrand eilte zum Fürsten.

Es war finster, als die siegvolle Schaar mit ihrer Beute ankam. Blast den Freudenruf," rief Berthar, wie so reicher Jagd gebührt." Der Halagesang ertönte, aber Niemand öffnete das Hofthor und Wolf mußte vorspringen und den Querbaum zurückschieben. Die Vandalen legten die Jagdbeute vor dem Hause des Fürsten nieder, schieden grüßend von den Genossen aus Thüringen und sammelten sich still in ihrer Herberge.

Der Hof lag finster und der Wintersturm heulte über den Dächern, aber in allen Häusern nnd in der Halle summte das Geräusch halblauter Rede.

6.

Der Abschied.

Zum Nothkampf auf der Aue, den die Sonne nicht schauen darf, schritt im Grau des nächsten Morgens Ingo mit seinen Schwertgesellen Berthar und Wolf. Unter ihren Füßen ächzte der Schnee, der Nachtwind fuhr um ihre Häupter und trieb Schneewolken von den Bergen in das Thal; die schwarze Wolkendecke barg alles Himmelslicht, nur die Geister des Todes herrschten auf der Erde, sie schrieen aus dem Winde, sie rasselten in den dürren Bäumen und rauschten im Eiswasser die Kunde, daß von zwei Eidgesellen eines Herdes der eine geschieden werden sollte vom Sonnenlicht, damit er hinabsteige in das kalte Nebelreich. Berthar wies schweigend in die Dämmerung, auf der andern Seite des Baches standen drei Männer, es war Theodulf mit Sintram und Agino, seinen Genossen. „Ihre Füße waren schneller," sprach Ingo unzufrieden, „rühme die, welche zuerst der Nebelaue den Rücken kehren." Vor ihnen lag die Stätte des Kampfes, ein sandiges Eiland mit dünner Schneebecke, auf beiden Seiten vom strudelnden Wasser umgeben. Die Schwerthelfer grüßten einander lautlos über den Bach, sie schritten zu den Weiden am Uferrand, schnitten starke Zweige und schälten mit dem Messer die Rinde. Dann sprangen Berthar und Sintram durch das Wasser, beide betraten zu gleicher Zeit den Grund der Aue und steckten den Kampfplay mit weißen Stäben ab. Darauf trat jeder von ihnen an eine Spitze des Eilandes, der eine stromauf, der andere stromab

und winkte seinem Kämpfer mit dem Arm. Die Kämpfer neigten sich vor den hilfreichen Göttern und murmelten den Nothsegen, dann wateten sie durch das Wasser zu ihren Gesellen. Die Helfer wichen zurück über den Bach und die Todfeinde sprangen gegen einander, schildlos in Helmkappe und Panzerhemd mit geschwungenem Schwert. Stahl schlug an Stahl, um sie stöhnte der Wind und rauschte das Eiswasser. Es war harter Männerkampf, nicht unwerth erwies sich Theodulf des Ruhmes, den er unter seinen Genossen hatte, eine Weile dröhnte der Streit, der so schnell zum Tode führt, und Berthar sah unzufrieden das Roth am Morgenhimmel, den Boten des Tages. Da strauchelte Theodulf unter schwerem Schlage und wieder sprang Ingo nach ihm, und zerbrach ihm mit starkem Schwertstreich das Haupt durch den Eisenhelm, daß ein Blutstrom herausbrach und der Mann des Fürsten rückwärts auf den Schnee sank. Ingo schwang sich über ihn und erhob das Schwert, ihm mit der Spiße die Gurgel zu durchstechen. In demselben Augenblick brach der erste Lichtstrahl über die Hügel, der rothe Schein fiel auf das Angesicht des wunden Mannes, Sintram vergaß in der Todesangst das gebotene Schweigen und schrie über den Bach: „Schone sein, die Sonne sieht's." Bei dem Lichtstrahl und dem Schrei fiel ein weicher Gedanke in die grimmige Seele des Siegers, er zuckte das Schwert zurück und sprach: „Die Herrin soll's nicht schauen, daß ich dem Gastfreund seinen Mann durchsteche. Lebe, wenn du kannst," und er wandte sich ab. Theodulf murmelte am Boden die Faust gegen ihn erhebend: „Ich danke dir's nicht.“ Ingo aber sprang durch das eisige Wasser ans Ufer und wandte der Insel und dem Gefallenen den Rücken, während Berthar vorwurfsvoll sagte: „Zum ersten Mal kargte der König, als er einem Todfeind das Reisegeld in das Nebelland zahlte."

„Ich sorge nicht um eines Mannes Rache, der unter meinem Schwert lag," versette Ingo. Schweigend folgten ihm seine Schwertgesellen, während die Helfer des Andern

über das Wasser drangen und an der Rüstung des Verwundeten zerrten.

Vor der Gastherberge standen die Vandalen im Haufen gerüstet, ihren Gruß, da sie den König gerettet von der Aue zurückkehren sahen, hemmte Berthar. Im Hofe sammelten sich die Mannen des Fürsten und die Landgenossen in finsterer Erwartung, bis der Weheruf Sintrams erscholl und hinter ihm zwei Männer den gefällten Helden auf einer Bahre in den Hof trugen. Als die Bahre vor dem Hause der Frauen niedergesetzt wurde, stürzte die Fürstin heraus, warf sich mit lautem Schrei neben dem Verwandten nieder und hob die Arme flehend zu ihrem Gemahl. Dem starren Schweigen im Hofe folgte wilde Bewegung, Racheruf und Geschrei; die Landgenossen, die Häupter des Volkes eilten beschwichtigend von einem Haufen zum andern, auch sie bedachten sorgenvoll, daß ein Feuer aufgebrannt war, welches schwerlich durch klugen Rath gelöscht wurde.

Zuerst gerieth Wolf in Bedrängniß. Als er zu seinen alten Bankgenossen trat, welche in gedrängtem Schwarme vor dem Krankenhaus standen, da gaben sie ihm feindselige Blicke und wendeten die Rücken und Agino sprach: „Wer im Waffengang gegen unsern Gesellen gestanden hat, der ist geschieden von unserer Bank und wenn ich dir zum letzten Mal Gutes rathen soll, so meide unsere Nähe, damit dir nicht kaltes Eisen für deinen Verrath zahle."

Ihr handelt schmachvoll an dem Genossen," entgegnete Wolf heftig, ehrlich habe ich mich gehalten nach meinem Schwur, den ihr damals alle rühmtet; wie durfte ich mich meinem Herrn versagen in der Noth zwischen Wasser und Haide ?"

,,Warst du sein Geselle in der Noth," versette der Andere, so birg dich in seiner Kammer und zeche unter seinen Fremden. den Meth, den er dir schenkt; denn verhaßt ist uns dein Name und getilgt sei dein Gedächtniß in unserm Ringe.“

Auch Hildebrand trat zu ihm und begann feierlich: „Seit

du ein Knabe warst, kenne ich dich, und gern möchte ich dir Gutes rathen, wenn ich vermöchte; aber es ist ein alter Spruch: wo der Herr gleitet, fällt der Mann zur Erde. Auch wenn unser Fürst Answald dir wohlmeinend ist, er vermag dich nicht zu schützen gegen den Grimm des Hofes. Vielleicht berede ich ihn, daß er dich frei gibt von deinem Hofeid, dann wandere mit deinem Schwert und suche dein Heil in der Fremde.“

Wolf trat zur Seite an die Hofmauer und barg sein heißes Gesicht vor dem Blick der Genossen.

„Ist dein Reisegepäck so schwer, daß du weinst wie ein Kind, das die Wanderschaft fürchtet?“ sprach eine Frauenstimme neben ihm. Wolf antwortete erbittert: „Daß auch du mich höhnst, Frida, ist ärger als das Andere, denn um deinetwillen war ich froh in dem Hofdienst.“

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„Es gibt wohl andere Höfe als diesen Saal, der abseit liegt von dem Reisepfad der Helden, wo ein Krieger leichter die Gunst des Herrn gewinnt und vielleicht auch Haus und Land, damit er sich ein Weib vermähle. Mir gefällt nicht die Bank der Helden, an welcher ein Weib gebietet."

„Du räthst mir zu gehen," antwortete Wolf in hellem Erstaunen, und du selbst bleibst doch hier."

„Für die Kunkel bin ich geschaffen und ich muß harren, bis mich ein Mann auf sein Roß hebt und in seinen Hof führt. Aber verächtlich dünkt mich eine Herrschaft, welche zuerst vor dem Gaste die Arme ausbreitet und dann beängstigt wird durch seine Gegenwart. Schwinge dich auf, trabe muthig über die Haide und suche dir einen treueren Herrn.“

„Du warst selten freundlich gegen mich, Frida, dennoch kommt mir's schwer an, dich unter den Hofknaben zurück zu lassen," versette der ehrliche Wolf.

„Vielleicht weiche auch ich einmal aus dem Hofe," antwortete Frida trotig. „War ich auch zuweilen hart gegen dich, Wölflein, so wisse doch, daß ich die Tölpel dort hasse, seitdem sie dir die Genossenschaft weigern." Sie sah ihn freundlich

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