Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

lappen umzugehen weiß? Gut, ihr könnt's; und hört, sucht einige Bogen Papier zurecht, einen Leimtiegel führe ich mit mir. Wir wollen auf der Stelle Holz holen, dann will ich einheizen, Leim kochen, Papierfenster einseßen und Nize_verkleben. Vor Allem aber helft mir unser Gepäck vom Hofe Herschaffen. Rasch vorwärts!"

Er riß durch seinen Eifer den Wirth fort, das Gepäck wurde in die Stube getragen, Karl packte eine Kiste mit allerlei Handwerkzeug aus, und der Wirth lief nach der Schenke, seine Magd zu rufen.

Unterdeß trabten auf der Landstraße einige Reiter dem Hofe zu, stattliche Männer in Herrentracht; sie hielten vor der Wohnung des Beamten. Einer von ihnen stieg ab und pochte heftig an die verschlossene Thür. Anton rief seinen Gefährten, Karl eilte über den Anger den Fremden entgegen. Die Reiter galoppirten heran. „Guten Tag," rief der Eine in sorgfältigem Deutsch, „ist der Inspector zu Haus ?“

„Wo ist der Oekonom? wo ist Brazky?" riefen die Andern, ungeduldig wie ihre flüchtigen Pferde.

,,Wenn Sie den frühern Inspector dieses Gutes meinen,“ erwiederte Karl trocken, „so wird er Ihnen nicht entlaufen, obgleich Sie ihn hier nicht vorfinden.“

„Was soll das?“ frug der erste Reiter und ritt näher an Karl heran. „Ich ersuche Sie um Auskunft.“

„Wollen Sie Herrn Brazky sprechen, so müssen Sie sich nach der Stadt bemühen, er sitt im Stock."

Die Pferde bäumten, die Reiter drängten sich näher an Karl heran, lebhafte Ausrufe in polnischer Sprache flogen von allen Lippen. „Im Stock? Weshalb ?“

„Fragen Sie meinen Herrn,“ erwiederte Karl und wies auf die Thür des Thurms, in welche Anton getreten war.

„Habe ich das Vergnügen, den neuen Eigenthümer des Gutes vor mir zu sehen?" frug der Reiter sich dem Thurm nähernd hinauf und lüftete seinen Hut, Anton sah erstaunt

auf den Fremden herunter, Stimme und Gesicht erinnerten ihn an einen Herrn mit weißen Glacchandschuhen, der in kritischer Zeit einen unangenehmen Eifer gezeigt hatte, Standrecht über Anton zu halten. „Ich bin der Geschäftsführer des Freiherrn von Rothsattel," entgegnete er. Das Pferd des Reiters that zwei Sprünge zurück, der Reiter wandte sich schnell ab und sprach einige Worte zu seinen Begleitern. Darauf rief ein älterer Mann mit einem schlauen Fuchsgesicht: „Wir wollen in einer Privatangelegenheit den bisherigen Inspector des Gutes sprechen. Wir erfahren, daß derselbe in Haft ist, und bitten Sie, uns zu sagen, weshalb.“

„Er hat sich durch die Flucht der Uebergabe der Güter an mich entziehen wollen. Es ist Verdacht, daß er unredlich gehandelt hat."

„Sind seine Sachen mit Beschlag belegt?" frug der Reiter wieder hinauf.

„Weshalb thun Sie diese Frage?" frug Anton zurück.

,,Um Vergebung," entgegnete der Andere, der Mann hatte durch Zufall Acten, welche mir gehören, in seiner Wohnung, es könnte mich in Verlegenheit setzen, wenn mir die Disposition darüber entzogen würde."

,,Seine Effecten sind mit ihm nach der Stadt geschafft worden," erwiederte Anton. Wieder fuhren die Pferde der Reiter durcheinander, eine leise Unterredung entstand, dann stoben die Fremden mit kurzem Gruß in gestrecktem Galopp zurück nach dem Dorfe, dort hielten sie einen Augenblick vor der Schenke und verschwanden endlich auf dem Fahrweg hinter dem Walde. ,,Was wollten die, Herr Wohlfart?" frug Karl. „Das war ein Besuch im Sturmwind.“

„Ja wohl," erwiederte Anton, „auch ich habe Grund, ihn für auffallend zu halten. Wenn ich nicht irre, habe ich einen der Herren bereits in ganz anderer Umgebung gesehen. Wahrscheinlich hat dieser Herr Brazkh sich Freunde zu erwerben gewußt durch ungerechten Mammon.“

Der Abend hüllte Schloß und Wald in seine grauen Decken. Die Knechte kehrten mit den Pferden aus dem Walde zurück, Karl führte sie vor Antons Augen, hielt ihnen in polnischer Sprache eine kurze Rede und nahm sie für den neuen Herrn in Pflicht. Dann kam noch der Wirth zum Rechten sehen, er brachte Wasser und eine Tracht Holz und sagte zu Antón: „Ich bitte den gnädigen Herrn, vorsichtig zu sein in der Nacht, die Bauern sigen in der Schenke und raisonniren über Ihre Ankunft; es sind schlechte Leute darunter, ich traue nicht, daß nicht Einer zur Nacht einen Schwefelfaden in das Stroh steckt und Ihnen den Hof abbrennt.“

„Ich traue, es thut's Keiner," entgegnete Karl, einen neuen Holzblock in den Ofen werfend. „Es bläst ein hübscher Wind gerade auf das Dorf zu, 's wird Niemand ein Narr sein und sich selbst die volle Scheuer in Brand stecken. Wir wollen dafür sorgen, daß derselbe Westwind von heut ab immer weht, so lange wir hier sind. Sagt das euren Leuten. — Habt ihr mir die beiden Kartoffeln mitgebracht?"

Anton bestellte den Wirth zum nächsten Morgen, und die beiden Gefährten waren allein in dem öden Hause.

[ocr errors]

„Auf das Anlegen dürfen Sie nichts geben, Herr Anton,“ fuhr Karl fort, es ist überall in der Welt die Unart betrunkener Schlingel, mit Feuer zu drohen. Und zulezt, mit Respect zu sagen, wär's auch noch kein großer Schade. Jett, Herr Anton, sind wir unter uns, jeßt sieht man so wenig als möglich von dieser polnischen Wirthschaft, jezt fängt's an und wird gemüthlich."

,,Du hast Recht," sagte Anton und schob sich einen Schemel zum Ofen.

In den grünen Kacheln knisterte das Holz, und der rothe Schein der Flamme versuchte auf dem Fußboden einen feurigen Teppich zu malen und streifige Lichter und Schatten durch die • ganze Stube zu ziehen.

„Die Wärme thut wohl," sagte Anton, aber riechst du keinen Rauch?"

Freytag, Werte. V.

2

„Natürlich," erwiederte Karl, welcher vor dem Ofenloch mit seinem Messer runde Löcher in die Kartoffeln bohrte. „Gerade die besten Oefen rauchen im Anfange des Winters am kräftigsten, bis sie sich wieder an ihre Arbeit gewöhnen. Und vollends dieser grüne Dickkopf hier hat vielleicht seit einem Menschenalter kein Feuer gesehen; es ist in der Ordnung, daß er nicht sogleich in Zug kommt. Bitte, schneiden Sie ein Stück Brot ab und streichen Sie hier den Riß zu, ich verfertige unsere Leuchter." Er holte ein großes Packet Lichte hervor, schnitt die halbe untere Rundung der Kartoffeln ab, steckte in jede ein Licht und stellte sie als Leuchter auf den Tisch, dann setzte er die Blechbüchse auf. „Die ist unerschöpflich," sagte er,,,sie hält noch morgen Mittag vor.“

,,Gewiß," stimmte Anton vergnügt bei. „Ich habe einen merkwürdigen Appetit. Und jezt laß uns überlegen, wie wir unsere Wirthschaft einrichten. Was wir von Hausrath nicht entbehren können, holen wir aus der Stadt, ich will sogleich ein Verzeichniß machen. Das eine Licht löschen wir wieder aus, wir müssen sparen."

So verging der Abend unter guten Plänen; Karl machte die Entdeckung, daß er aus Kisten und Bretern einen Theil der Möbel in wenig Stunden zusammenschlagen konnte. Und lustig klang zuweilen das Lachen der Genossen in den Wänden des Despotenhauses wieder. Endlich rieth Anton zu Bett zu gehen. Sie schüttelten ihr Lager aus Stroh und Heu zurecht, schnallten die Mantelsäcke auf und holten ihre Matragenstücke und Decken hervor. Karl befestigte ein Schraubenschloß aus seinem Kasten an der Stubenthür, untersuchte die Ladung des Karabiners, ergriff seine Kartoffel und sagte salutirend: „Wann befehlen der Herr Generalbevollmächtigte morgen geweckt zu werden ?“

„Du guter Junge," rief Anton, die Hand von seinem Lager • nach ihm ausstreckend.

So ging Karl in das Nebenzimmer, das er für sich aus

gesucht hatte. Kurz darauf verlöschten die beiden Lichter, der erste Schimmer des Lebens, welcher in dem verlassenen Hause wieder aufgeglüht war. In dem Ofen knackten noch lange die kleinen Kobolde des Hauses über dem neuen Feuer, sie summten in dem Rauchfang, sie klopften an Thüren und Fenster, erstaunt über das Treiben der fremden Männer. Endlich fuhren sie zusammen in eine Ecke des alten Thurmes und fingen an sich zu streiten, ob die Flamme, die heut Abend angezündet war, von jezt ab fortbrennen würde, und ob aus den Fenstern von jezt ab alle Tage ein fröhliches Licht hinausfallen würde auf den Anger, die Felder, den Wald. Und während sie zweifelten, ob das Neue stark genug sei sich zu erhalten, trieb der Rauch die Fledermäuse aus ihrer Wohnung im Schornstein, daß sie schlaftrunken um die Zinnen des Thurms flatterten, und die Käuze im Mauerriz schüttelten ihren dicken Kopf und stöhnten über die neue Zeit.

2.

Wer immer in den gebahnten Wegen des Lebens fortge= gangen ist, begrenzt durch das Gesetz, bestimmt durch Ordnung, Sitte und Form, welche in seiner Heimat als tausendjährige Gewohnheit von Geschlecht zu Geschlecht vererbt sind, und wer plötzlich als Einzelner unter Fremde geworfen wird, wo das Gesetz seine Rechte nur unvollkommen zu schüßen vermag, und wo er durch eigene Kraft die Berechtigung zu leben. sich alle Tage erkämpfen muß, der erst erkennt den Segen der heiligen Kreise, welche um jeden einzelnen Menschen Tausende der Mitlebenden bilden, die Familie, seine Arbeitsgenossen, sein Volksstamm, sein Staat. Ob er in der Fremde verliere oder gewinne, er wird ein Anderer. Ist er ein Schwächling, so wird er die eigene Art den fremden Gewalten opfern, in deren Bannkreis er getreten ist. Hat er Stoff zu einem Manne,

« ZurückWeiter »