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„Warum soll ich ihn nicht kennen?" erwiederte der Wirth unruhig. „Es ist doch der reiche Herr von Tarow selber mit seinen Gästen. Ein mächtiger Mann, Herr Wohlfart, welcher hat die oberste Polizei auch über Ihre Güter. Und was er hat zu thun gehabt mit dem Brazky? Der Brazky hat als Inspector hier auch versehn die Polizei, und ist manchmal gewesen ein Händler für die Edelleute beim Pferdekauf und bei andern Dingen. Wenn die Polizei mit dem Inspector hat sprechen wollen, warum soll sie's nicht thun? Die von Tarow sind schlaue Leute, sie wissen, was sie haben zu thun und was sie haben zu reden.“ So sprach der Wirth mit großer Zungenfertigkeit, aber seine Augen und der Ausdruck seines Gesichts sagten etwas ganz Anderes.

,,Ihr habt einen Verdacht," rief Anton, den Wirth scharf anblickend.

„Soll mich Gott bewahren vor allem Verdacht," fuhr der Wirth erschrocken fort. „Und, Herr Wohlfart, wenn ich mir erlauben darf, Ihnen zu sagen meine Meinung, wozu wollen auch Sie haben einen Verdacht auf Jemanden? Sie werden genug zu thun haben hier im Gut und werden brauchen die Edelleute mehr als einmal. Wozu wollen Sie sich Feinde machen ohne Nußen? Es ist hier das Land, wo die Herren auf einen Haufen reiten und wieder auseinander, und ihre Köpfe zusammenstecken und dann wieder auseinander. Wer sich nicht darum kümmert, der handelt am klügsten."

Als der Wirth mit einem Nachtgruß das Haus verlassen hatte, sagte Anton finster zu seinem treuen Gefährten: „Ich fürchte, daß nicht das Gut allein uns Sorge machen wird, sondern daß noch etwas Anderes um uns vorgeht, wogegen wir Beide mit allem Wit nichts ausrichten werden.“

Der dreiste Ueberfall brachte die ganze Gegend in Aufregung. Anton wurde in den nächsten Wochen einige Male nach Rosmin beschieden, seine Aussagen hatten keinen Erfolg, es gelang den Behörden nicht, die Thäter zu ermitteln oder die Person des entführten Inspectors in ihre Gewalt zu bekommen.

3.

Die ersten Wochen vergingen den beiden Colonisten in einer Thätigkeit, welche sie alle Abende bis zum Tod ermüdet auf das Lager warf; langsam setzten sie sich am Orte fest, Karl wurde gleich am nächsten Tage als Amtmann eingeführt und ergriff mit fester Hand, was von Zügeln auf dem Gut noch vorhanden war. Den Haushalt und die Küche übergab Anton einer rüstigen Frau, die er in einem deutschen Dorf der Nachbarschaft warb, sie besorgte die einfache Kost der Schloßbewohner und der Knechte. Die schwerste Aufgabe war, mit dem Dorfe in ein erträgliches Verhältniß zu kommen. Der ruhigen Festigkeit Antons gelang wenigstens, den Ausbruch der Unzufriedenheit zu verhindern; eine seiner ersten Maßregeln war, daß er bei den Behörden auf Ablösung der gegenseitigen Verpflichtungen antrug. Karls Reitermantel zog einige gediente Männer zu ihm hin, und durch sie, die Weltleute im Dorf, erlangten die Ansiedler einigen Einfluß auch auf die Andern. Zulegt erboten sich Mehre freiwillig, auf dem Schloß zu dienen oder im Taglohn zu arbeiten.

Anton hatte an die Baronin geschrieben und ihr den Zustand des Gutes, die unfreundliche Umgebung und seine Bedenken gegen eine Uebersiedelung der Familie in diesem Winter nicht verschwiegen. Er hatte gefragt, ob sie nicht vorziehen würden, bis zum Frühjahr in der Hauptstadt zu bleiben. Als Antwort kam ein Brief Lenorens, worin sie im Auftrag ihrer Eltern anzeigte, daß sie doch an ihrem Entschluß festhielten, die Stadt zu verlassen, wo dem Vater und ihnen selbst der Aufenthalt peinlich sei. Sie bat ihn, das Schloß so viel als möglich in wohnlichen Stand zu setzen. Anton rief seinem Getreuen zu: Sie kommen doch."

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,,Alle Wetter!" sagte Karl, „es ist ein Glück, daß wir uns nach den Handwerkern erkundigt haben, Maurer, Tischler, Schlosser, Töpfer, Glaser. Wenn's Ihnen recht ist, schicke

ich auf der Stelle einen Boten nach Rosmin. Wenn ich nur diesen schändlichen braunen Delanstrich von den Thüren losmachen könnte, er verdeckt das schöne Eichenholz. Aber Lauge nutzt nichts. - Also wie viel Defen brauchen wir?"

So begann eine eifrige Berathung. Den ganzen Unterstock lassen wir unausgebaut,“ entschied Anton, „die Fenster verschlagen wir mit dicken Bretern, nur an die Thüröffnung der Vorhalle machen wir eine starke Thür, weil man dort alle Stunden vorüber muß. Wie die Wände jetzt sind, können sie nicht bleiben, und wir haben hier Niemanden, als den Maurer von Rosmin.“

,,Wenn die Sache so ist," sagte Karl, „so schlage ich vor, daß wir die Stuben selbst malen, ich bin ein Daus im Marmoriren."

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,,Du wärst's im Stande," erwiederte Anton, mit einiger Besorgniß auf den Gefährten blickend. Nein, wir lassen alle Stuben mit gleicher Farbe streichen; was meinst du zu braun ?"

,,Hm, hm, nicht übel," gab Karl zu.

„Ich weiß, Fräulein Lenore liebt diese Farbe vor andern. Es muß aber nicht zu dunkel sein, sondern eine helle Mischung aus gelb, grau, roth und grün, vielleicht etwas schwarz.“

„Aha,“ sagte Karl verdugt, „so eine gewisse Farbe.“ „Natürlich,“ fuhr Anton eifrig fort und rückte seinen Stuhl näher, „wir wollen dem Tüncher die Farbe selbst mischen.“

,,Das ist mein Fall," stimmte Karl bei, aber ich sage Ihnen im Voraus, diese Kalkfarben sind Racker. Sie streichen blau auf, und den andern Tag ist's weiß; Sie haben das schönste Orange im Pinsel, und wenn es an der Wand ge= trocknet ist, sieht's aus wie vergilbte Wäsche."

,,Im Vertrauen gesagt," versette Anton, „wir werden's den Damen doch nicht recht machen; also denke ich, wir richten's so ein, daß es billig ist und erträglich aussieht.“

Am nächsten Tag begann im Hause das Hämmern und

Streichen. Im untern Stock schlug der Tischler mit seinen Gesellen die Werkstatt auf, im obern fuhr der große Pinsel des Tünchers unermüdlich über die Wände, und weißliche Gestalten mit großen Schürzen trugen die Kalkgefäße Trepp auf Trepp ab. Karl war in dieser ganzen Zeit wie ein Mann mit zehn Armen; so oft er sich von der Wirthschaft frei machen konnte, strich er mit jeder Art Pinsel auf Holz und Wände, er lief mit einem Zollstock herum, schlug Nägel und Gardinenhaken ein, und war im nächsten Augenblick wieder auf dem Felde und im Pferdestall, überall pfiff er seine Soldatenlieder und trieb die Arbeiter an. Als die Einrichtung des Hauses fortschritt, wurde der Verschönerungstrieb in ihm immer mächtiger. Er hatte einige Centner Oelfarbe eingekauft, die er vorzüglich fand, und eine große Kunst im Malen entwickelt. Jest wagte er sich daran, einer Anzahl Gegenstände, welche ihm zum Anstreichen geeignet schienen, das Ansehen von feinem geflaserten Holz zu geben, und es gelang ihm mit Hilfe eines Federbarts und weicher Pinsel, große Wirkungen hervorzubringen. Er trug den Pinsel und seine Verschönerung sogar auf den Wirthschaftshof und bat Anton so lange, bis dieser in einen Abputz der Lehmwände willigte. Bei diesem Wetter trocknet es wie im Sommer,“ rühmte Karl; „die Strohdächer kann ich nicht überstreichen, das ist mein einziger Kummer." Dagegen ließ er sich nicht nehmen, zwei neue Kartoffelwagen, die alte Feuertønne und die besten Pflüge mit schöner blauer Delfarbe zu überziehen. „Es muß in diesem Hofe doch Etwas sein, woran sich das Auge erfreut," sagte er entschuldigend. Und es bezahlt sich, denn diese Polen hier gehen mit Allem, was bunte Farben hat, besser um."

Das Schloß war nothdürftig eingerichtet; an einem kalten Decembertage wurde die Ankunft der Gutsherrschaft erwartet. Der Himmel selbst war den Wünschen Karls zu Hilfe gekommen, er hatte sein reines Weiß über die Erde gezogen

und vieles Unschöne dem Auge der Ankommenden verhüllt. Der Schnee lag auf Anger und Sand, die Gipfel der Kiefern waren mit weißen Kronen geschmückt, und an den blätterlosen Bäumen blißten die Zweige von prächtigen Eiskrystallen. Die häßlichen Strohdächer der Dorfhäuser waren weiß übermalt, auf dem zerbrochenen Brückengeländer lag die Farbe aus den Wolken wie gefrorner Schaum; am Schlosse trug jeder Vorsprung der Mauer, die Zinne des Thurmes, der First des Daches eine weiße Festkappe, und kräftig stachen die braunrothen Mauern davon ab. Es war für die im Schlosse ein Tag voll Geschäftigkeit und Erwartung. Wagen mit Möbeln und Hausrath wurden abgepackt, und Alles, so gut es in der Eile ging, aufgestellt. Die Schaffnerin und die Frau des Vogts wanden große Gehänge von Waldzweigen und schmückten die Vorhalle und die Stubenthüren. Jezt ging die Sonne unter, und die Silberfarbe in der Landschaft verwandelte sich in Goldglanz, dann in ein mattes Roth, bis auch dieser Schimmer verblich und der heraufsteigende Mond Flur und Wald mit geisterhaftem bläulichem Schein überzog. Im Hause wurden einige Wandlampen angezündet, in den Zimmern so viel Lichter als möglich aufgestellt, in allen Defen brannte das Feuer, und die behaglich erwärmten Zimmer füllten sich mit dem kräftigen Harzgeruch der Kiefernadeln. Nach vielen Versuchen hatte Anton die braune Wandfarbe gefunden, nach der sein Herz strebte. Die bunten Gardinen waren heruntergelassen, und die geöffnete Zimmerreihe sah bei dem Glanz der Lichter heut so wohnlich aus, daß Anton erstaunt frug, wie die Arbeit weniger Wochen eine so große Veränderung hervorgebracht habe. Karl hatte auf beiden Seiten des Schlosses Pechpfannen ausgestellt, ihr loderndes Licht fiel grell auf den Schnee und färbte in weitem Umkreise die Mauern des Hauses mit warmem Roth.

Unten in der Vorhalle versammelten sich die Würdenträger des Gutes. Der Förster mit neuem grünem Rock, auf seiner

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