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unbehaglicher. Ich kann mich jetzt nicht erinnern, ich habe auch zu thun auf dem Markt, ich dachte, Sie wollten mit mir reden von einem Geschäft."

„Es ist ein Geschäft, von dem wir sprechen und es kann für euch ein gutes Geschäft werden," sagte Anton nachdrücklich. Er ging an seinen Schreibtisch und holte eine Geldrolle heraus, die er vor Tinkeles auf den Tisch legte. Diese hundert Thaler gehören dem, welcher mir eine Nachricht gibt, die ich brauche." Tinkeles sah mit einem scheuen Seitenblick auf die Rolle und erwiederte: „Hundert Thalerstücke sind gut, aber ich kann keine Nachricht geben, ich weiß von nichts, ich kann mich nicht besinnen. So oft ich Sie sehe, fangen Sie an von ärgerlichen Sachen," schloß er unwillig, „es ist mir kein Glück, wenn ich habe mit Ihnen zu thun, ich habe immer nur gehabt Noth und Kummer."

Anton ging schweigend zu seinem Pult und holte eine zweite Geldrolle, die er neben die erste legte. Zweihundert Thaler," sagte er, ergriff die Kreide und schloß die Rollen durch vier Striche ein. „So viel ist euer, wenn ihr mir die Auskunft geben könnt, die ich haben will." Die Blicke des Galiziers Hefteten sich sehnsüchtig auf das Viereck. Anton stand daneben und wies schweigend mit dem Finger darauf. Der Händler kämpfte einen schweren Kampf, er sah auf Anton und verzog sein Gesicht zu einem harmlosen Lachen, er versuchte unbefangen auszusehen und blickte wie gleichgültig in der Stube umher; aber immer wieder fiel sein Blick auf Antons Zeigefinger und das weiße Viereck auf dem Tische. Keiner sprach, das stumme Schweigen dauerte einige Augenblicke, und doch war es eine lebhafte und beredte Unterhandlung. Immer glänzender wurden die Augen des Galiziers, immer unruhiger seine Geberden, er zuckte mit den Schultern, hob die Brauen in die Höhe und rang heftig von dem Zauber loszukommen, der ihn festbannte. Endlich wurde ihm der Zustand unerträglich. Er griff mit der Hand nach den Rollen.

„Erst redet," sagte Anton und hielt die Hand über das Geld.

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Seien Sie nicht so hart gegen mich," bat Tinkeles.

„Hört mich an,“ sagte Anton. „Ich will nichts Unrechtes von euch, nichts, was ein ehrlicher Mann einem andern verweigern dürfte; ich könnte vielleicht eure gerichtliche Vernehmung durchsetzen und ohne Kosten zu sichern Geständnissen kommen; ich weiß aber von früher, welchen Widerwillen ihr gegen das Gericht habt, und auch deshalb biete ich euch das Geld. Verstündet ihr eine andere Sprache, so würdet ihr mir sagen, was ihr wißt, wenn ich euch erzähle, daß eine Familie unglücklich geworden ist deshalb, weil ihr mir früher nicht Alles gesagt habt. Diese Sprache aber würde bei euch nichts nügen.“

„Nein,“ sagte Tinkeles ehrlich, „sie würde nichts nüßen. Lassen Sie sehen das Geld, das Sie haben hingelegt für mich. Sind es richtig zweihundert Thalerstücke?" fuhr er fort, auf die Rollen starrend. „Es ist gut, ich weiß, sie sind richtig. Fragen Sie mich, was Sie wollen wissen.“

„Ihr habt mir gesagt," begann Anton, „daß Ißig, der frühere Buchhalter Ehrenthals, darauf ausging, den Freiherrn von Rothsattel zu ruiniren."

„Ist es nicht gewesen, wie ich habe gesagt ?" frug Tinkeles. „Ich habe Grund, anzunehmen, daß ihr wahr gesprochen. Ihr habt damals Zweie erwähnt, wer ist der Andere?"

Der Händler stockte; Anton griff nach den Geldrollen. „Lassen Sie liegen," bat Tinkeles die Hand bewegend; „der Andere heißt Hippus, wie ich habe vernommen. Er ist ein alter Mann und hat gewohnt lange Zeit bei dem Löbel Pinkus.“ „Ist er vom Geschäft?“ frug Anton.

„Er gehört nicht zu unsern Leuten und ist nicht vom Geschäft, er ist vertauft, er ist gewesen Sachwalter."

Habt ihr mit Stig in irgend einem Geschäft zu thun?" frug Anton weiter.

„Soll mich bewahren der gerechte Gott vor diesem Menschen," rief Tinkeles. „An dem ersten Tage, wo er ist ge= kommen in die Stadt, hat er mir wollen aufmachen den Schrank, worin sind gewesen meine Sachen. Ich habe gehabt meine Mühe, ihn zu verhindern, daß er mir nicht hat genommen meine Kleider. Er nimmt's von den Lebendigen. Ich mag nichts zu thun haben mit einem solchen Menschen.“

Um so besser für euch," antwortete Anton; „jegt hört mir zu. Dem Freiherrn ist ein Kasten gestohlen worden, in welchem wichtige Papiere aufbewahrt wurden. Der Diebstahl ist in dem Comtoir Ehrenthals verübt worden. Habt ihr zufällig etwas über den Diebstahl gehört, oder habt ihr Argwohn, wer der Dieb sein könnte?“

Der Galizier sah unruhig in der Stube umher, auf Anton und die Rollen, und sagte endlich entschlossen, die Augen zudrückend: „Ich weiß von nichts."

„Und gerade dies will ich von euch erfahren; und dies Geld ist für den, der mir darüber Auskunft gibt."

„Wenn ich also muß reden,“ sagte der Galizier, „so soll es gesagt sein. Ich habe gehört, daß der Mensch, welcher heißt Hippus, als er ist gewesen betrunken, hat geschrien und hat gesagt: „Jezt haben wir den Rothschwanz, er ist geliefert, wegen der Papiere ist er geliefert."

Und weiter wißt ihr nichts?" frug Anton in ängstlicher Spannung.

„Nichts,“ sagte der Galizier, „es ist lange her, und ich habe nur wenig können verstehen, was sie haben mit einander gesprochen."

„Ihr habt das Geld, welches hier liegt, euch nicht verdienen können," entgegnete Anton nach einer Pause, was ihr mir gesagt habt, ist wenig. Damit ihr aber seht, daß mir daran liegt, von euch Auskunft zu erhalten, so nehmt hier diese hundert Thaler; das zweite Hundert ist euer, sobald ihr mir irgend eine Spur des gestohlenen Kästchens oder

der entwendeten Papiere schaffen könnt. Vielleicht ist das euch nicht unmöglich."

„Es ist nicht möglich," sagte der Galizier bestimmt, die empfangene Geldrolle in der Hand wägend und die zweite betrachtend. Was der Ißig thut, thut er nicht so, daß ein Anderer auf seinen Weg sehen kann, und ich bin doch nur ein Fremder im Ort und mache keine Geschäfte mit Spißbuben."

,,Versucht es doch, die Spur zu finden," entgegnete Anton. „Sobald ihr etwas erfahrt, bringt mir Nachricht, dies Geld hebe ich für euch auf. Ich habe nicht nöthig, euch zu sagen, daß ihr sehr vorsichtig sein und unter allen Umständen vermeiden müßt, dem 3gig oder seinen Spießgesellen Argwohn zu geben. Verrathet gegen Niemand, daß ihr mich kennt.“

„Ich bin kein Kind," antwortete Tinkeles beistimmend, „aber ich fürchte, ich werde Ihnen nichts dienen in dieser Sache."

So entfernte sich der Galizier, nachdem er die Geldrolle in die Tasche seines Kaftans versenkt hatte.

Anton hatte den Namen dessen erfahren, der vielleicht den Diebstahl verübt hatte. Es war ihm die Möglichkeit gegeben, an diesen Namen weitere Nachforschungen zu knüpfen. Aber die Schwierigkeit, die fehlenden Documente ohne Hilfe der Behörde wieder zu erlangen, wurde immer größer Unter diesen Umständen faßte er den Entschluß, welcher einem Kaufmann näher lag, als einem Beamten. Es war ein gewagter Schritt, aber er bot die Möglichkeit, in kurzer Zeit und ohne Aufsehen die Papiere in die Hände des Barons zurückzubringen.

Er wollte mit Izig selbst in Verbindung treten und das Wenige, was er durch den Galizier erfahren hatte, dem Verschlagenen, Gewissenlosen gegenüber so gut als möglich zu benußen suchen. Wohl fühlte er, wie unsicher der Schritt sei, und daß ein harter Kampf mit Izig bevorstehe. Hätte er Alles gewußt, was der unternehmende Geist des Agenten in

sich herumtrug, er hätte noch mehr Bedenken gehabt, den Weg zu machen.

Izigs verschmitter Bursch öffnete die Thür. Anton stand seinem Schulkameraden gegenüber. Der Agent wußte bereits, daß Anton von dem Gut bei Rosmin nach der Stadt zurückgekehrt war, und hatte sich auf diesen Besuch vorbereitet. Einen Augenblick betrachteten die beiden Männer einander, Beide bemüht, in Gesicht und Haltung des Gegners zu lesen und sich zu dem beginnenden Kampf zu rüsten. Beiden hatte ein vieljähriger vorsichtiger Verkehr mit Menschen und den Interessen des Handels einiges Gleichartige gegeben. Beide waren gewöhnt, den Schein kaltblütiger Ruhe zu behaupten und das Ziel, das sie erreichen wollten, zu verbergen, Beide waren gewöhnt an schnelle Ueberlegung, an behutsames Sprechen, an kühle Haltung, Beide zeigten auch in Sprache und Geberde etwas von der Form, welche der kaufmännische Verkehr dem Geschäftsmann verleiht, Beide waren heut in einer großen innern Aufregung, welche die Wange Antons röthete und die Backenknochen Veitels mit einem hellen Schimmer überzog. Aber dem klaren Blick Antons begegnete das Auge des Gegners unruhig und lauernd, dem herben Ernst seiner Haltung eine Mischung von Troß und Unterwürfigkeit; Beide erkannten im ersten Augenblick, daß der Gegner gefährlich und schwer zu besiegen sei, und Beide sammelten ihre ganze Kraft. Der Kampf begann. Ißig eröffnete ihn in seiner Weise. „Es ist mir eine Freude, auch Sie einmal bei mir zu sehen, Herr Wohlfart," sagte er mit plöglicher Freundlichkeit; „es ist lange her, daß ich nicht das Vergnügen gehabt habe, Ihnen zu begegnen. Ich habe doch immer ein großes Interesse genommen an Ihnen. Wir sind zusammen in der Schule gewesen, wir find an einem Tage hierher gekommen, wir haben uns beide vorwärts gebracht in der Welt. Ich hatte gehört, daß Sie seien gegangen nach Amerika. Die Leute reden so Vieles. Ich

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