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Darauf wurde der Wachtdienst eingetheilt, die Thore besetzt und Ehrenwachen vor die Aemter gestellt, halb Bürger, halb Landleute. Die heruntergerissenen Wappen wurden gesäubert, einige Frauenhände trugen aus den Gärten der Stadt die ersten Blumen zusammen und schmückten die Wappenbilder mit Kränzen und Gewinden. In feierlichem Zuge wurden sie an das Steueramt und die Post getragen, die ganze Mannschaft marschirte auf, präsentirte das Gewehr, und der Hauptmann brachte eine Anzahl patriotischer Hochs aus, welche von vielen hundert Kehlen nachgerufen wurden. Anton stand zur Seite, und als er die Frühlingsblumen auf dem Wappen sah, fiel ihm auf's Herz, wie er heut Morgen gezweifelt hatte, ob er in diesem Jahre welche erblicken werde. Jezt glänzten ihre Farben so lustig auf dem Schildzeichen seines Vaterlandes. Aber was hatte er seit dem Morgen erlebt!

Aus seinem Sinnen wurde er durch den Hauptmann geweckt, der ihn auf das Rathhaus in den Ausschuß einlud, welcher sich für die Sicherheit der Stadt gebildet hatte. So sah er sich auf einmal in der Rathsstube vor dem grünen Tisch mitten unter fremden Männern, als einer der ihrigen. Bald hatte er eine Feder in der Hand und schrieb einen Bericht über die Ereignisse des Tages an die Behörde. Der Ausschuß entwickelte große Thätigkeit, Boten wurden an das nächste Militärcommando abgesandt, die Häuser Verdächtiger wurden nach Flüchtlingen durchsucht, für die Landleute, welche sich bereit erklärt hatten, bis zum Abend in der Stadt zu bleiben, wurde durch freiwillige Beiträge der Bürger Speise und Trank besorgt, Streifwachen wurden nach allen Richtungen ausgeschickt, einzelne Gefangene verhört und die Nachrichten, welche jetzt aus der Nachbarschaft einliefen, gesammelt. Von allen Seiten kamen Meldungen. Aus mehren Dörfern waren polnische Banden auf dem Wege zur Stadt, in dem Nachbarkreise war in ähnlicher Weise ein Aufstand versucht worden, und dort war er geglückt, die Stadt war in den Händen der

polnischen Jugend, die Flüchtlinge erzählten von Plünderung, von Fanalen, welche durch das ganze Land brannten, von einem allgemeinen Aufstande der Polen und von dem Gemezel, das sie unter den Deutschen anfangen wollten. Die Gesichter der von Rosmin wurden länger, die Siegesfreude, welche durch einige Stunden in dem Rathhaussaal geherrscht hatte, wich der Sorge um eine gefahrvolle Zukunft. Einige sprachen das von, daß die Stadt sich mit dem gefangenen Herrn von Tarow verständigen müsse, weil man der Bürger selbst nicht sicher sei, viele polnisch Gesinnte säßen innerhalb der Mauern, auch feindliche Gewehre wären noch versteckt. Doch wurden die Furchtsamen durch den kriegerischen Muth der Mehrheit überstimmt. Es ward beschlossen, die Nacht über in Waffen zu bleiben und die Stadt gegen fremde Banden zu halten, bis Militär einrücke.

So kam der Abend heran. Da verließ Anton, beunruhigt durch die zahlreichen Gerüchte von Plünderungen auf dem offenen Lande, den Sizungssaal des Rathhauses und schickte den Schulz aus, um die Deutschen aus ihrer Gegend zum gemeinschaftlichen Abmarsch zu sammeln. Zwischen dem Schüßenhauptmann und dem Schloffer schritt er unter dem Gerassel der Trommel und einem dreimaligen Hoch der Bürgerschüßen mit seinen Leuten durch das Thor bis zu den letzten Häusern der Vorstadt. Dort an der hölzernen Brücke, welche über den Bach führt, nahmen die Städter und die vom Lande brüderlich Abschied.

„Ihr Wagen ist der lezte, der heute hinüber soll," sagte der Schlosser; „wir brechen hinter Ihnen die Bohlen von der Brücke und stellen einen Posten daneben." Der Hauptmann zog seinen Hut und sagte: „Im Namen der Stadt und einer löblichen Bürgerschüßencompagnie bedanke ich mich für die freundliche Hilfe bei euch allen. Wenn eine schwere Zeit kommt, wie wir alle fürchten, so wollen wir Deutsche immer zusammenhalten.“

„Das Wort soll gelten," rief der Schulz, und die LandIcute riefen es nach.

So zogen die Landleute hinaus auf die dunkle Ebene. Anton ließ seinen Wagen langsam nachfahren und ging mit dem Haufen zu Fuß. Der Förster zog einige junge Burschen, welche die erbeuteten Gewehre trugen, aus dem Trupp und formirte sie zu einer Art Vortrab. Der Schmied von Kunau, der jeden Mann aus dem Kreise kannte, stellte das vor, was der Förster die Spite nannte. Alle Gebüsche und unsicheren Stellen wurden sorgsam abgesucht, einzelne Leute, die ihnen aufstießen, wurden angehalten und ausgefragt. Sie hörten vieles Gefährliche, fanden aber ihren Weg durch keinen Haufen verlegt. So schritten die Männer im ernsten Gespräch vorwärts. Alle fühlten sich gehoben durch ihr Thun an diesem Tage, aber keiner verbarg sich, daß dies erst der Anfang sei, und daß noch Schweres nachfolgen werde. „Wie sollen wir vom Lande die Zeit ertragen?" sagte der Schulz; „die in der Stadt haben ihre Mauern und wohnen dicht an einander, wir aber sind der Rachgier jedes Bösewichts ausgesetzt, und wenn ein halbes Dutzend Landstreicher mit Flinten in das Dorf kommt, so sind wir geliefert.“

„Es ist wahr,“ sagte Anton, „vor den großen Schaaren können wir uns nicht hüten, und der Einzelne muß in solcher Zeit ertragen, was der Krieg ihm auferlegt, aber die großen Haufen, welche unter dem Commando von festen Befehlshabern stehen, sind für uns auch nicht das Schlimmste. Das Aergste sind die Banden von schlechtem Gesindel, die sich zusammenrotten, die Brandstifter und Plünderer, und gegen solche müssen wir uns von heut ab zu vertheidigen suchen. Haltet euch morgen zu Hause, ihr von Neudorf und Kunau, und beschickt mit euren Boten die andern Deutschen in der Nähe, welche zu uns halten. Morgen bei guter Zeit komme ich zu euch hinüber, dort laßt uns berathen, ob wir etwas thun können für unsere Sicherheit.“

So kamen die Männer an den Kreuzweg, wo der Weg nach dem Schlosse abgeht durch den herrschaftlichen Wald. Anton stand mit dem Schulzen und dem Schmied noch eine Weile in Berathung zusammen, dann grüßten sich die Drei wie alte Freunde, und jeder Haufe eilte nach seinem Dorfe.

Anton bestieg seinen Wagen und nahm den Förster mit sich, damit dieser zur Nacht das Schloß bewachen helfe. Mitten im Walde wurden sie durch ein lautes „Halt! wer da?" angerufen. „Karl!" rief Anton erfreut. „Hurrah, hurrah, er lebt!“ schrie Karl außer sich vor Freude und sprengte an den Wagen. „Sind Sie auch unverwundet?"

"

Ich bin es," erwiederte Anton, „wie steht's auf dem Schloffe?"

Jetzt begann ein schnelles Erzählen. „Daß ich nicht dabei war!" klagte Karl einmal um das andere.

Als sie beim Schloß vorfuhren, flog eine helle Gestalt auf den Wagen zu. „Fräulein Lenore!" grüßte Anton herunterspringend.

Lieber Wohlfart!" rief Lenore und faßte seine beiden Hände. Sie legte sich einen Augenblick auf seine Schulter, und die Thränen stürzten ihr aus den Augen. Anton hielt ihre Hand fest und sagte, indem er ihr mit zärtlicher Theilnahme in die Augen sah: „Es kommt eine schreckliche Zeit, ich habe den ganzen Tag an Sie gedacht."

„Da wir Sie wieder haben," versette Lenore,,,will ich Alles ruhig anhören; kommen Sie schnell zum Vater, er vergeht vor Ungeduld." Sie zog ihn die Treppe hinauf.

Der Freiherr öffnete die Thür und rief Anton auf den Gang entgegen: „Was bringen Sie?"

,,Krieg, Herr Freiherr," antwortete Anton ernst; „den häßlichsten aller Kämpfe habe ich gesehen, blutigen Krieg zwischen Nachbar und Nachbar. Das Land ist im Aufstand."

Fünftes Buch.

1.

Die Güter des Freiherrn lagen in einer Ecke des Rosminer Kreises; nördlich hinter dem Walde das deutsche Bauerdorf Neudorf, und weiter ab im Osten Kunau. Durch einen breiten Strich Sand und Haideland waren diese Orte von polnischen Gütern getrennt, unter denen die des Herrn von Tarowski die nächsten waren. Im Westen und Süden des Gutes grenzten Kreise mit gemischter Bevölkerung, die Deutschen waren dort stark, reiche Grundherren und große Bauerdörfer saßen unter den Slaven. Im Norden hinter Neudorf und Kunau war ein polnischer Strich, viele kleine Rittergüter, zum Theil tief verschuldet, mit heruntergekommenen Familien.

„Von dort droht uns die größte Gefahr,“ sagte der Freiherr am Morgen nach dem Markttage zu Anton. „Die Bauerdörfer sind unsere natürlichen Feldwachen. Wenn Sie die Dorfleute dazu bringen, einen regelmäßigen Wachtdienst einzurichten, 10 müßten ihre Wachen die Kreisgrenze im Norden besetzen, wir würden dann versuchen, eine feste Verbindung mit ihnen zu unterhalten. Vergessen Sie die Fanale und Alarmhäuser nicht. Da Sie mit den Bauern schon so kameradschaftlich verkehrt haben, so werden Sie das am besten besorgen. Mir lassen Sie anspannen. Ich will in den nächsten Kreis fahren und versuchen, uns mit den Gutsbesißern dort in eben solche Verbindung zu setzen. Den jungen Sturm nehme ich mit."

So ritt Anton nach Neudorf. Dorthin waren in der Nacht neue Unglücksbotschaften gekommen. Einige deutsche Dörfer waren von bewaffneten Banden beseßt, die Häuser nach Waffen

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