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Spaziergang in Kandy

as berühmte Kandy liegt in einem bedrückend

Das

engen Tal an einem unglücklichen, künstlichen See und hat außer seinem alten Tempel und seinem freilich wunderbar schönen Baumwuchs keine Verdienste, wohl aber alle Lafter und Mängel eines von allzu reichen Engländern systematisch verdorbenen Fremdenstädtchens. Dafür aber führen von Kandy weg nach allen Seiten die schönsten Spazierwege der Welt in eine wundervolle Landschaft hinaus. Leider sah ich dies alles trotz einem längeren Aufenthalt nur halb, die Regenzeit hatte sich verspätet, und Kandy lag be ständig in einem tiefen Regengrau und Nebelbrei, wie ein Schwarzwaldtal im Spätherbst.

Im leise strömenden Regen schlenderte ich eines Nachmittags durch die ländliche Malabar Street und hatte mein Vergnügen am Anblick der halbnackten singhalesischen Jugend. Ein atavistisches Behagen und Heimatgefühl, das ich zu meiner Enttäuschung der typisch-tropischen Landschaft gegenüber nie empfunden habe, empfand ich doch jedesmal beim Anblick unbe kümmert primitiven Naturmenschentums; das gedeiht und vegetiert hier in Indien noch weit schöner und ernsthafter als etwa in Italien, wo wir sonst die „Anschuld des Südens" suchen. Namentlich fehlt hier im Often völlig die wahnsinnige Wichtigtuerei und Freude

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am brutalen Lärm, mit der in den mittelländischen Küftenftädten jeder Zeitungsjunge und Streichholzhaufierer sich als schallenden Mittelpunkt der Welt kundgibt. Die Indier, Malayen und Chinesen füllen die unzähligen Straßen ihrer volkreichen Städte mit einem intensiven, bunten, starken Leben, das dennoch mit fast ameisenhafter Geräuschlosigkeit vor sich geht und damit unsere füdeuropäischen Städte alle beschämt. Speziell die Singhalesen, so wenig sie sonst imponieren, gehen allesamt durch ihr einfaches, leichtes, wenig differenziertes Leben mit einer liebenswürdigen Sanftmut und einem stillen, rehartigen Anstand, die man im Westen nicht findet. Vor jeder Hütte hing, schwebend zwischen Hauswand und Straßenbord, ein ganz eines, naives Gärtchen, und in jedem blühten ein paar Rosen und ein Bãumchen mit Temple flowers, und vor jeder Schwelle trieben sich ein paar hübsche, schwarzbraune, langhaarige oder auch drollig rafierte Kinder herum, die Kleineren völlig nackt, aber auf der Brust mit Amuletten, an Fuß und Handgelenken mit Silberspangen ge schmückt. Sie sind, was mir als Kontrast zu den Malayen auffiel, ohne jede Scheu vor Fremden, kokettieren sogar sehr gerne und lernen den bettelnden Ruf nach Money als erste englische Vokabel, oft noch, ehe sie Singhalesisch können. Die Mädchen und ganz jungen Frauen sind oft wunderschön, und schöne Augen haben fie alle ohne Ausnahme.

7 Hesse, Aus Indien

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Видеть

Ein steil ins dice wirre Grün verschwindender Sei

tenweg 309 mich an, ich stieg hinab durch eine betäubend pflanzenreiche Schlucht, die wie ein Treibhaus gårend duftete. Dazwischen lagen auf zahllosen, winzigen Terraffen schlammige Reisfelder, in deren Moraft die nackten Arbeiter und die grauen Wasserbüffel pflügend wühlten.

Plöglich, nach einem legten Absturz des Pfades, ftand ich überm Ufer des Mahawelli. Der schöne, vom Regen geschwollene Bergfluß strömte in raschem Fall am dunkeln Argeftein der engen Felsenufer hin, Bleine wilde Steininseln und Klippen standen schwarz und blank, wie aus glatter Bronze im bräunlichen Wasserschaum.

An einer breiten Felsenbank legte eben eine floßartige Fähre an, ein alter, blinder Mann ward ans Land geführt und tastete mít geduldigem Gesicht und mit welken gelben Händen, von denen ihm das Regenwaffer in die Kleider rann, empor nach dem steilen Afersteig. Rasch betrat ich das Eleine Floß und fuhr hinüber, durch die rötliche, felige Aferlandschaft, und stieg jenseits über die Felsstufen einen Weg durch neue Buschfinsternis hinan, wieder an Hütten und Reisterraffen vorüber. Die Leute haben soeben geerntet und pflügen nun den Sumpf ungefäumt wieder um, um sofort wieder auszufäen, denn in diesem guten Klima und auf diesem Arbrei von Boden wächst jahr

aus, jahrein Ernte nach Ernte. Das enge Tal mít roter Erde und überquellend dichtem Wachstum ftrömte im rauschenden Regen einen Geruch von heis ßer Fruchtbarkeit aus, als koche überall der weiche Erdschlamm in geheimnisvoller Arzeugung.

Zwei Meilen weiter oben follte ein buddhistischer Felsentempel stehen, der älteste und heiligste von Ceylon, und bald sah ich das Klösterchen und den Beinen Hausgarten der Priester über mir am fteilen Bergab. hang Heben. Nun kam der Tempel, davor der ausgehöhlte Felsenboden voll Regenwasser stehend, eine schäbige Vorhalle mít nackten Mauerbögen aus neuerer Zeit, alles verlassen, dunkel und grämlich. Ein Junge lief und holte mir einen Priester herbei, die erste Tür des Heiligtums ward erschlossen, zwei winzige Stümpfe von Wachskerzen in der Hand des Priesters flimmerten ängstlich und konnten die schwarzen, stillen Räume nicht erhellen, es schwamm nur der greise, schlichte Kopf des Priesters in einem dünnen, roten Lichtschimmer, der da und dort an den Wänden ein Stüď uralter Malerei auferweckte. Ich wollte die Wände besehen, und wir leuchteten nun mit den beiden schwachen, rußenden Lichtlein Zoll für Zoll die Wand ent lang und bis zum Boden hinab, als wäre die machtige Freskenwand eine Briefmarkensammlung. In alten primitiven Konturen, schwach gelb und rot gefärbt, kamen unzählige schöne, liebliche, auch luftige Dar

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stellungen aus der Buddhalegende zum Vorschein: Buddha, das Vaterhaus verlaffend, Buddha unter dem Bo-Baume, Buddha mit den Jüngern Ananda und Kaundinya. Anwillkürlich fiel mir Afsisi ein, wo in der großen, leerstehenden Oberkirche von San Francesco Giottos Franzlegenden die Wände bedecken. Es war genau derselbe Geist, nur war hier alles Bein und zierlich, und in der Zeichnung der Bildchen war wohl Kultur und Leben, aber keine Persönlichteit.

Aber nun schloß der alte Mann die innerste Tür auf. Hier war es völlig finster, im Hintergrunde schloß fich die Felsenhöhle. Dort war etwas Angeheuerliches zu ahnen, und da wir mit den Kerzen näher kamen, entstand aus Glanzlichtern und Schatten schwankend eine riesige Form, größer als der Kreis unserer schlechten Lichter, und allmählich erkannte ich mit einem Schauder das liegende Haupt eines kolossalen Buddha. Weiß und riesig glänzte das Gesicht des Bildes her, und unser bißchen Licht ließ nur die Schultern und Arme noch erfühlen, das andere verlor sich in der Dunkelheit, und ich mußte viel hin und her gehen und den Priester bemühen und mit den zwei Kerzen Versuche machen, ehe ich dämmernd die ganze Figur zu sehen bekam. Der liegende Buddha, den ich erblickte, ist zweiundvierzig Fuß lang, er füllt die Höhlenwand mit seinem Riefenleib, auf seiner linken Schulter ruht

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