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jeder mit dem Talisman der wollenen Leibbinde versehen, oder wir lagen still und hörten dem Regen zu, wie er in Kübeln herabulatschte oder auch zart und fíngend übers Blätterdach lief, bis am frühen Morgen der Nashornvogel und die vielen unbekannten Singvogel ihr Lied begannen und die Affen mit wahnsin nigem Geheule den Tag begrüßten.

Dann ging ich an den sechs oder sieben Hütten vorbei in den Wald, vor den Blutegeln und Schlangen geschützt durch dieselben Lodengamaschen, die ich im Winter in Graubünden trage, und alsbald nahm das zähe Dickicht mich auf und lag zwischen mir und der Welt fremder und trennender als alle Meere. Da liefen stille schöne Eichhörnchen vor wir weg, schwarze mit weißem Bauch und roten Vorderbeinen, und große Vögel sahen mich aus starren Waldaugen unfreundlich an, und bald erschienen in zahlreichen Familien die Affen, rannten im grünen Aftgeschlinge, durch das kein Himmel blickte, wildfröhlich hinauf und hinab oder hodten hoch im Gezweig und heulten toll in lang gedehnten schmerzlichen Tonleitern. Schaukelnd flog manchmal einer von den großen schillernden Schmetterlingen über mich hin, selig in seiner Schönheit, und am Boden tat das kleine Gezücht seine Arbeit. Fußlange Taujendfüßler rannten in blinder Eile durchs Gedränge, und überall strebten in dichten dunklen Zügen machtige Ameisenvölker, graue, braune, rote, schwarze, ge

ordnet nach gemeinsamen Zielen. Dicke faulende Baumftämme liegen umher, tausendfach überwachsen von formenreichen Farnen und dünnem zähem Dorngeschlinge. Hier gärt die Natur ohne Pause in erschreckender Fruchtbarkeit, in einem rasenden Lebens- und Verschwens dungsfieber, das mich betäubt und beinahe entsegt, und mit nordländischem Gefühl wende ich mich jeder Erscheinung dankbar zu, die inmitten des erstidenden Zeugungstaumels eine einzelne Form besonders ausgestaltet zeigt. Da steht zuweilen, vom dicen Gewirre umgeben und als herrlicher Sieger darüber empor ge brochen, ein einzelner Riefenbaum von unwahrscheinlicher Stärke und Höhe, in dessen Krone tausend Tiere leben und niften können, und aus seiner fürstlichen Höhe hängen still und vornehm schnurgerade, baumdice Lianenfäden herab.

In diesem Walde wird seit kurzem auch von Menschen gearbeitet. Die Djambi-Maatschappji hat in dem noch völlig brach liegenden Lande die erste große Waldkonzession erworben und beginnt dort Eisenholzstämme zu holen. Ich ließ mich eines Tages zu einer Stelle führen, wo vor kurzem große Stämme gekappt und behauen worden waren, und sah eine Weile der műhfeligsten Waldarbeit zu. Da wurden Stämme von zwanzig Meter Lange, schwer wie Eisen, von fingenden und leuchenden Kulischaren mit Winden und Hebeln, an Tauen und Ketten aus tiefen, urweltlich dämmernden,

sumpfigen Waldschluchten herauf geschleppt, auf Holz. rollen und auf primitiven Schlitten, über Sumpf und Dorngeftrüppe, über Busch und fettes feuchtes Gekräut hín weg, Elle für Elle gezerrt, gehalten, unterstüßt und wieder weiter geschleppt, jede Stunde ein Bleines Stück weiter. Ein Bleiner Aft von diesem Holze, den ich spielend mit einer Hand aufnehmen wollte, erwies sich als so schwer, daß ich ihn auch mit beiden Armen und voller Kraft nicht zu heben vermochte. Dieser Schwere wegen ist das Holz unendlich mühsam zu transportieren: Bahnen gibt es im Lande noch nicht, die einzige Straße ist der Strom, und das Eisenholz schwimmt nicht.

Es war großartig und merkwürdig zu sehen, aber es ist kein Vergnügen, der Arbeit von Menschen zuzusehen, wo sie noch Last und Fluch und Knechtung ift. Diese armen Malayen werden nie, wie es Europäer, Chinesen und Japaner tun, als Herren und Anternehmer solche Werke betreiben, sie werden immer nur Holzfäller und Schlepper und Säger sein, und was sie dabei verdienen, das geht faft alles für Bier und Tabak, für Ahrketten und Sonntagshüte wieder an die ausländischen Unternehmer zurüð.

Anberührt von den paar winzigen Feinden, die da an seinem Reichtum zu zapfen versuchen, steht noch immer der Arwald. Am Flußufer sonnen sich die Krokodile, unerschöpflich glüht in der feuchten Hige das Wachstum weiter, und wo die Natives ein Stückchen

roden, um Reis darauf zu bauen, da steht in zwei Jahren schon wieder hoher Busch und in sechs Jahren schon wieder hoher Wald.

Ehe wir abfuhren, versenkten wir unsre leeren Flaschen · in den braunen Fluß. Anfre Matragen wurden in Baft matten eingerollt und auf das Boot gebracht und wir sahen unsre gelbe Bambuhütte am schwarzen Rande des ewigen Waldes stehen und Weiner werden, bis mit der ersten Windung des Fluffes alles versank.

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Sozieteit

s war ein großer Kampong oder ein leines junges

Städtchen an einem der schönen breiten Ströme von Südfumatra. Vor drei, vier Jahren war hier noch Krieg, jetzt liegen nur noch etwa hundert holländische Soldaten im Städtchen und machen hie und da einen dekorativen Streifzug, um etwaigen rebellischen Einwohnern zu zeigen, daß man da ist und aufpaßt. Was man von Eingeborenen zu sehen bekommt, ist ein kindlich harmloses Gemisch von Armalayen und Javanen, schattiert und gebrochen durch zwanzig wenig zuträgliche Einflüsse und Kreuzungen. Man sieht javanische Tagelöhner das Gras mit Schwertern abmähen, alle Viertelstunde eine Handvoll, und das Tragen eines Wafferkruges über die Gasse ist eine Mannesarbeit für einen Vormittag. Gearbeitet wird meist von den Frauen, und dann von den Chinesen, die auch hier sich am Beinften aufblühenden Örtchen alsbald einfinden und die genügsamfte Pionierarbeit tun; sie halten Kaufläden, sie treiben Schiffahrt, sie kaufen Gummi und verkaufen Reis, Fische und deutsches Bier. Gearbeitet wird auch von den paar Europäern; es gibt eine Eisenholzunternehmung, deren Leiter ein überaus, landeskundiger Schweizer ist, die übrigen Weißen sind ohne Ausnahme holländische Beamte.

Ich besuchte den Residenten und den Kontrolleur,

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