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Würtemberg wegen ihres Anschlusses an die Schmalkaldener den Proceß gemacht und dem Könige Ferdinand Aussicht auf dieses schwäbische Herzogthum eröffnet; und auch hier unterlag es keinem Zweifel, daß nur der Wille des Kaisers den Richterspruch bezeichnen werde: die Willkür des Kaisers hielt lange Zeit den Würtemberger in Besorgniß und den habsburgischen Bruder in begehrlicher Erwartung. Aber das Alles überbot noch das Verfahren gegen die Schmalkaldener Häupter. Das sächsische Land, so viel man davon den Söhnen Johann Friedrichs noch gelassen hatte, wurde von der spanischen Regierung des Kaisers in jeder Beziehung ausgeplündert und geknechtet. Und gar erst der Landgraf von Hessen, der sich doch unbesiegt dem Kaiser ergeben hatte, welche Behandlung mußte er über sich ergehen lassen! Alle Bitten und alle Verwendungen deutscher Fürsten und Stände erreichten weder die Freilassung des Gefangenen, noch brachten sie Carl dazu, einen Termin der Gefangenschaft festzusehen. Was waren diese deutschen Fürsten alle in den Augen des Kaisers anders als willenlose Werkzeuge für seine politischen Zwecke, als untergeordnete Diener seines Willens? Der Kaiser hat einen Ton angeschla= gen, der auf die Selbstständigkeit, auf die Rechte, auf die Wünsche der Fürsten keine Rücksicht zu nehmen geneigt war. Die kaiserliche Regierung Carls verfolgte ja andere, höhere Plane als eine Regierung Deutschlands, nach den Wünschen oder in Uebereinstimmung mit den deutschen Landesfürsten eingerichtet.

Hat vielleicht Carl auf die Bedürfnisse und Wünsche der deutschen Nation als eines Ganzen geachtet? Hat er vielleicht die territorialen Regierungen verlegt, um ein nationales Reich über alle Einzelstaaten aufzurichten ?

,,Nein, die Idee des spanischen Carl war, die deutschen Ländermassen in das europäische System einzufügen, das seine universalen Tendenzen vorbereiten sollte. So verband er die Stammverwandten Niederlande mit dem Reiche in einer solchen Weise, die diesen seinen Erblanden allen, dem Reiche kei

nen Nußen zuwandte: der Augsburger Vertrag verfolgte nur den Zweck, den Schuß Deutschlands für seine Niederlande zu sichern; ein jeder Angriff auf die habsburgische Herrschaft in den Niederlanden mußte einen deutschen Reichskrieg nach sich ziehen.

,,Und auch mit Italien kam das Reich in eine engere Beziehung. Aber auch hier sollten die deutschen Kräfte nur zum Schuße habsburgischer Herrschaft auf italienischem Boden benugt werden.

„Oder wäre etwa jene Verbindung, in die Carl die spanische Krone mit Deutschland bringen wollte, ein Gewinn für die Nation gewesen? Zwei völlig fremde und einander in jeder Beziehung antipathische Nationen unter dieselbe Herrschaft zu bringen, war ein Projekt, das gewiß nicht auf das Heil jener Nationen gerichtet war. Wir sehen, die Politik des siegreichen Kaisers hat bei dieser Regierung über Deutschland nur ihre eigenen Absichten verfolgt. Sie hat nur den Tendenzen ihres Universalreichs gehuldigt und die nationalen Elemente ihrer verschiedenen Staaten zu jenem Luftschlosse europäischer Kaisergewalt aufzubrauchen gesucht. Der Sieg über die deutsche Opposition hat ihr nur dazu gedient, auch die deutschen Kräfte für jene europäischen Kombinationen zu verwenden".

Wer, der deutsch gesinnt ist, wollte sich nicht freuen, daß die Niederlage, welche der Kaiser in der Religionssache erlitt, auch diese Tendenzen zu Fall gebracht hat?

Ein Streifzug ins römische Lager * ).

Wir haben keine Ursache uns zu freuen, wenn die Stürme, welche dermalen über die Kirche Gottes ergehen, auch denen im römischen Lager, die mit uns einig sind in der aufrichtig gemeinten Festhaltung der von oben kommenden Weisheit im Gegensage zu der irdischen, psychischen, dämonischen (Jac. 3, 15) sich empfindlich machen. Aber gegenüber dem eitlen Rühmen der Lehreinheit römischer Theologie im Unterschiede von der Zerspaltenheit der evangelischen mag es frommen, gelegentlich auch einen Streifzug ins römische Lager zu unternehmen, nicht blos um jenen ersonnenen Ruhm zu zerstören, sondern zugleich und vielmehr um daraus zu lernen, was auch für uns von Gewinn sein wird, wie wenig willkürlich eingenommene Positionen verfangen und vorhalten angesichts der fac= tischen Lage der Dinge.

Die Emancipation der gesammten außertheologischen Wissenschaften von der Herrschaft der Kirche und der christlichen Lebensanschauung überhaupt ist eine Thatsache, welche ebenso offenkundig vorliegt, wie sie unzweifelhaft für das Herz des aufrichtigen Christen, zumal bei mangelhaftem Verständniß, etwas Beunruhigendes haben muß. Wer mag es läugnen, daß diejenige wissenschaftliche Unterweisung, welche unsere dermaligen Universitäten, die obersten Bildungsstätten der Nation,

*) Wir glauben nicht unbemerkt lassen zu sollen, daß dieser Aufsaß schon vor zwei Monaten verfaßt ist.

N. F. Bd. L.

Anmerk. der Redaktion.

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abgesehen von den theologischen Facultäten, ihren Jüngern bieten, nicht selten vielmehr geeignet ist, dieselben in ihrer etwaigen christlichen Ueberzeugung irre zu machen als darin zu befestigen oder wenigstens nicht zu schädigen? Und wenn es nun gewiß ist, daß die unchristliche und antichristliche Richtung jener Wissenschaften wesentlich bedingt wird von der entsprechenden Gesinnung ihrer Vertreter, welcher aufrichtige Christ sollte nicht wünschen, daß die Lehrstühle auf den Universitäten überhaupt mit Männern beseßt würden, deren christliche Ueberzeugung und Haltung ebensowenig einem Zweifel unterläge als ihre wissenschaftliche Befähigung?

Von solchen Gedanken ausgehend, nur selbstverständlich im römischen Sinne und Interesse, entwarf die Generalversammlung der katholischen Vereine Deutschlands zu Aachen, wo sie im J. 1862 tagte, den Plan einer freien und rein_katholischen Universität, mit dem leitenden Grundsage, daß hier die Philosophie, sowie jede andere weltliche Wissenschaft sich beständig an dem christlichen Dogma zu orientiren habe. Wie durch Inspiration angeregt, sagte später einer der Unterzeichner des Programmes, Frhr. v. Andlaw, in einem Vortrag über denselben Gegenstand im Schweizer Pius-Verein zu Einsiedeln, wurde dieser großartige Plan mit begeistertem Jubel von der Versammlung aufgenommen. Die Hochschulen sind ja, heißt es dort, die vorzüglichste Quelle, aus welcher für alle Disciplinen objective Wahrheiten oder subjective Meinungen wie immer geschöpft werden, deren practische Anwendung Segen oder Unheil über die Völker verbreiten kann. Deswegen wurde erkannt, daß eine Reform des Unterrichts uach katholischer Anschauung bei den Universitäten beginnen müsse, damit sie von dort aus alle Schichten des Unterrichts durchdringe und die Erhaltung katholischer Anschauungen, katholischen Glaubens und Lebens möglich werde. Weil nun aber unter den bestehenden Verhältnissen nicht daran zu denken ist, auch nur eine der vorhandenen Universitäten, selbst jene, welche noch die Namen katholischer oder paritätischer Anstalten tragen zum,

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