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Der Religionsunterricht in Kirche und Schule bei den Protestanten in Bayern.

Es ist auf dem Gebiete der geistlichen Amtswirksamkeit keine Klage häufiger und keine Klage gerechter als die, daß von dem Unterricht der Jugend in der Religion so wenig, so gar wenig erfreuliche Frucht wahrzunehmen ist, ja daß die Jugend, kaum aus der Schule und dem Confirmandenunterricht entlassen, in den Christenlehren nicht selten eine Unwissenheit an den Tag legt, die an's Unbegreifliche grenzt, und nach der Christenlehre, wie wenn sie froh wäre, eine widerliche Last abgeworfen zu haben, kaum mehr an das denkt, was sie in den vorausgegangenen Jahren gelernt hat, geschweige daß ste es als einen Schaß für ihr inneres und äußeres Leben bewahrte und zu verwerthen suchte. Wir wollen nicht behaupten, daß nicht doch ein und das andere des Gelernten als ein, wenn auch überschüttetes und vergrabenes, doch immerhin noch vorhandenes Saatkorn in den späteren Jahren zu einer Frucht gedeihen könne und gedeihen werde; aber für den Augenblick ist die gemachte Wahrnehmung eine trostlose und niederschlagende, und gehört gewiß mit zu den schmerzlichsten Erfahrungen, die ein Geistlicher in seinem Amte machen kann. Wir haben diese Klage eine gerechte genannt, wenn man die Zeit in Anschlag bringt, welche auf den Religionsunterricht vom 6. Lebensjahre an bis zum 13. und 16. und 18., also fast 12 volle Jahre hindurch gewendet wird. Gerecht und schmerzlich aber zugleich ist sie, wenn man die Bedeutung in's Auge faßt, welche die Jugend für die Zukunft jeder einzelnen Gemeinde und somit der ganzen Kirche hat, wenn man erN. F. Bd. XLX.

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wägt, daß die Hoffnung einer religiös-sittlichen wie kirchlichen Regeneration der Gemeinde gerade von der nachwachsenden Jugend erwartet werden muß. Dabei tritt eine Erscheinung betrübend hervor, von der gewiß schon viele Geistliche ebensosehr überrascht als auf's Schmerzlichste berührt worden sind, daß nämlich nicht selten die besten Schüler im Schul- und Confirmandenunterricht am meisten nebenausschlagen und auf die schlimmsten Wege gerathen, sobald sie aus demselben entlassen sind.

Mag man nun unsere jeßigen Zeit- und Lebensverhältnisse noch so sehr in Anschlag bringen, wir würden es doch kaum verantwortlich finden, wenn ein Pfarrer sich dabei beruhigen wollte, wenn er nicht wenigstens auf das Ernstlichste mit sich selbst zu Rathe ginge, ob nicht der Grund doch am Ende, wenn auch nicht allein, so doch zum guten, ja vielleicht zum größten Theile an ihm selbst, an seinem Unterrichte, an seiner Methode und Behandlung des Gegenstandes liege, und ob nicht vielleicht auch an dem ganzen Organismus dieses Unterrichtszweigs, an seiner glicdlichen Einrichtung etwas liege, was an seiner persönlichen Schuld Theil nimmt, ohne sie ihm abzunehmen, was seine persönliche Wirksamkeit hindert und kraftlos macht. Zu dieser Prüfung einen Beitrag zu liefern, sei der Zweck der nachfolgenden Bemerkungen.

Sollen wir gleich von vornherein sagen, worin uns der Hauptmangel nach den beiden angedeuteten Seiten im Allgemeinen zu liegen scheint, so ist es bezüglich des Organismus der Mangel eines richtigen abgegränzten und hervortretenden Stufenganges und bezüglich der subjectiven Behandlung des Religionsunterrichts der Mangel an paränetischer Wärme und Eindringlichkeit, an practischer Richtung desselben.

Zwar könnte in erster Beziehung die Ordnung und Gliederung des Unterrichts für die evangelische Kirche in Bayern durch die Verordnung vom 25. April 1835 geregelt erscheinen. Eine nähere Beleuchtung derselben wird aber zeigen, daß

dieß nichts weniger als der Fall ist, und daß sich die Geistlichen gar nicht darnach richten können.

Nach dieser Verordnung zerfällt der Gesammtunterricht für die Jugend in der Religion in 2 Hauptabtheilungen, davon die eine den Unterricht für die nicht confirmirte Jugend vom 7. bis 13. Jahre, die andere für die confirmirte Jugend umfaßt, vom 13. bis 16. Jahr *). Jede dieser Abtheilungen soll drei Klassen enthalten, von denen die für die nicht Confirmirten zweijährig, für die Confirmirten einjährig sind. Beiden geht ein vorbereitender Unterricht für die Schüler vom 6.-7. Jahre voraus, der die Kinder für den eigentlichen Religionsunterricht erst empfänglich machen soll, und den wir hier nicht weiter berücksichtigen.

Fassen wir zunächst den Unterricht für die nicht confirmirte Jugend in's Auge, so werden in die untere Klasse von 7-9 Jahren die Präparanden, in die mittlere Klasse von 9-11 Jahren die Katechisanden, in die obere Klasse von 11-13 Jahren die Confirmanden eingereiht.

Hier muß nun sogleich die willkührliche Benennung auffallen. Wir wollen nicht behaupten, daß dieselbe an sich unpassend sei oder sich nicht rechtfertigen lasse; aber sie steht mit dem bisherigen Usus so sehr im Widerspruch, daß sie nothwendig Verwirrung erzeugen muß, insofern gewöhnlich und von jeher nur die Kinder des lezten Jahres als die Confirmanden bezeichnet wurden, und die Kinder des vorlegten Jahres, nämlich vom 11.-12. Jahre als Präparanden gelten und behandelt werden. Aber nicht blos um den Namen ist es hier zu thun, sondern es greift in die Sache selber ein. Der Confirmandenunterricht soll seinem Wesen nach den Schulreligionsunterricht zum Abschlußz bringen, soll demselben die höhere Weihe geben, soll durch geistige Belebung des gelernten Stof

*) Zwar foll der Unterricht der confirmirten Jugend in den sogenann ten Christenlehren nach späteren Bestimmungen bis zum 18. Lebensjahre dauern; allein hiefür ist in dem Unterrichtsplan gar nicht vorgesehen.

ses die Herzen ergreifen zur unmittelbaren Vorbereitung für Confirmation und erstmaligen Genuß des h. Abendmahls. Dies Moment muß aber nothwendig wegfallen oder wenigstens beeinträchtigt werden, wenn zugleich ein Jahreskurs mitunterrichtet werden soll, der eben dies Ziel nicht hat, der nicht confirmirt werden soll.

Gehen wir in die Sache selber näher ein und fragen nach der Aufgabe der einzelnen Klassen, so ist für die zwei Jahre der Unterklasse als Aufgabe gestellt: Erläuterung der Hauptsäße des Katechismus und der geeigneten Bibelsprüche und Liederverse, und als Ziel: daß die Kinder eine einfache klare Uebersicht über den Inhalt der christlichen Glaubensund Sittenlehre erhalten, und die wichtigsten biblischen Geschichten zusammenhängend und ansprechend vorzutragen vermögen. In der Mittelklasse soll der Katechismus nach seinem Hauptinhalt nebst Bibelstellen und Liedern erläutert werden, um eine klare überzeugende Kenntniß der hauptsächlichsten Lehrsäge der christlichen Kirche zu gewinnen. In der Oberklasse ist als Hauptaufgabe gestellt: klare, auf das Leben einflußreiche Erkenntniß der christlichen Religion mit dem freien Entschluß, das Leben Gott zu heiligen und dem Erlöser ähnlich zu werden.

Dem ersten Anschein nach findet sich hier allerdings eine gewisse Steigerung des Unterrichts und ein gewisser Stufengang in demselben; aber er ist gleichwohl so wenig objectivirt, so allgemein und unbestimmt gehalten, daß er bei näherem Zusehen unter der Hand wieder verschwindet. Wenn in der Unterklasse Erläuterung der Hauptsäße des Katechismus bis zur klaren Uebersicht über den Inhalt der Glaubens- und Sittenlehre verlangt wird; in der Mittelklasse Erläuterung des Katechismus nach seinem Hauptinhalt bis zur klaren Erkenntniß der Hauptsäße der christlichen Kirche, und in der Oberklasse klare Erkenntniß der christlichen Religion, so dürfte es schwer sein, zu bestimmen, was denn eigentlich zu lehren, wie weit in jedem einzelnen Fall zu gehen sei. Indeß braucht sich der

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