Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

beiden Confessionen zu den sich daraus ergebenden Forderungen mißt. Wir dürfen von vorn herein erwarten, daß er der reformirten Kirche den Preis zuerkennt, und sind damit bei dem Hauptpunkt angelangt.

Hundeshagen eröffnet diesen Abschnitt mit der schon mitgetheilten Behauptung, daß dem Protestantismus nur innerhalb des reformirten Kreises eine wirkliche Kirchenbildung geworden ist und das kommt daher, daß bei den Reformirten ` das Interesse an organisirter gesellschaftlicher Gestaltung des kirchlichen Lebens lebendiger war als bei den Lutheranern, und daß sich diesem Trieb ein richtiger Instinkt in Beziehung auf die Geseze kirchlicher Gemeinschaftsbildung beigesellte. Beides steht in Zusammenhang mit der richtigeren Stellung, welche die Reformirten nicht etwa hier und dort zu einem einzelnen Dogma, sondern zum Dogma überhaupt einnahmen und diese Stellung hatte wiederum die Folge, daß die Reformirten ein anderes Verhalten zu deu Forderungen der christlichen Gemeinschaftsbildung, wie überhaupt, so besonders zu der vornehmsten dieser Forderungen, nemlich darzustellen eine Gemeinschaft der Heiligen, einhielten.

Zunächst also den Forderungen der Katholicität und Einheit soll die reformirte Kirche mehr entsprochen haben.

Eine überraschende Behauptung! Einer Kirche, welche einen Sakramentsbegriff aufstellte, welche der ganzen alten Kirche fremd war, eine Abendmahlslehre, an die in der alten Kirche sich kaum Anklänge finden, und die im elften und fünfzehnten Jahrhundert in Berengar und Wicliff verworfen worden, einer Kirche, welche den Zusammenhang mit der alten Kirche so abgebrochen hat, wie die reformirte, in Gestaltung des Cultus und der Verfassung sich dem Radikalismus ergab, einen kirchl. Neubau aufzuführen bemüht war, der die Erinnerung an das Alte bis auf den Grund vergessen machen sollte, dieser Kirche soll das Prädikat der Katholicität in größerem Maß zukommen als der lutherischen Kirche, welche in dem Allem das Widerspiel war und die mit ihrer Erklärung

(Aug. VII),,nec necesse est ubique esse similes traditiones humanas seu ritus aut ceremonias ab hominibus institutas" ihr richtiges Bewußtsein von der Katholicität an den Tag gelegt hat und der es darum nie eingefallen ist, eine bestimmte Verfassungsform für juris divini auszugeben, was bekanntlich mehr als eine reformirte Landeskirche gethan hat! Da muß man eben den Begriff der Katholicität erst so zugeschnit ten haben, wie Hundeshagen gethan hat, um das behaupten zu können. Zur Katholicität hat man bisher in erster Linie die Conformität mit der Kirche aller Zeiten gerechnet. Davon sieht Hundeshagen ganz ab. Eine Kirche ist ihm die allgemeine in dem Maße,,,als sie innere lebendige Expansivkraft hat und den rastlosen Drang nach immer weiterer Ausbreitung in dem Maß, als ihre Glieder für diesen Zweck geschickt sind und sie das alles an der Kraft des heil. Geistes zu verwirklichen weiß." Sie muß darum,,für ihren Aufbau auf eine Grundlage Bedacht nehmen, welche nicht zu eng und zu schmal ist für ihre großartige Mission." Die weitest verbreitete Kirche hat darnach den meisten Anspruch auf das Prädikat der Allgemeinheit und die Kirche soll es bei ihrem Aufbau gleich darauf anlegen, sich möglichst weit ausbreiten zu können. Wir geben zu, daß jede Kirche den Missionstrieb in sich haben soll, aber die Frage, wie hat die Kirche es anzufangen, daß sie die möglichst weite Ausbreitung gewinnt, hätte Luther, wenn man sie ihm vorgelegt hätte, gewiß anders beantwortet. Gewiß hätte er einfach gesagt, die Kirche baue sich auf auf dem Grund des Wortes Gottes, das Weitere überlasse sie dem Herrn der Kirche. Es liegt eine Gefahr darin, wenn man, dem Drang nach Ausbreitung so viel Naum gebend, die Grundlage, die man der Kirche gibt, sofort darauf ansieht, ob sie sich auch für eine möglichst weite Ausbreitung eigne.

Und hat das nicht wirklich die reformirte Kirche an sich erfahren?

Freilich Hundeshagen bezeichnet es als einen Vorzug der

Reformirten, daß sie den Katholicitätsdrang auf der Basis des weise bemessenen kirchlichen Einheitsbedürfnisses zu vollziehen gewußt haben. „Die reformirte Kirche, versichert Hundeshagen, hat das Einheitsbedürfniß an sich so lebhaft empfunden, als die lutherische. Ecclesiae anima est doctrinae puritas, sagt Calvin und wiederholt kommt auch Zwingli darauf zurück." Aber Hundeshagen hatte in einem früheren Abschnitt schon zur Vorsicht gemahnt, daß man nicht in Feststellung dessen, was zur Reinheit der Lehre gerechnet werden muß, die Grenzen des kirchlichen Bekenntnisses überschreite, namentlich nicht durch dogmatische Festseßungen von einer begrifflichen Präcision, wie sie allerdings für die theologische Schule, aber auch nur für diese Bedürfniß sind, die der Kirche nothwendige Grundlage über Gebühr verengere und dadurch dem Fortschreiten der Kirche zur Allgemeinheit eine Hemmung bereite.“ Weil das nach seiner Ansicht die Klippe war, an welcher die Kirchenbildung des deutschen Protestantismus gescheitert ist, ist er dann auf das Unterscheidende von Kirche und Schule näher eingegangen. Das Wesentliche davon ist das: „die Schule fragt nicht nach einer praktischen Abzweckung ihrer Bestrebungen, sondern folgt lediglich dem Zug und Trieb des ihr inwohnenden Erkenntnißbedürfnisses. Das Einheitsbedürfniß ist ihr zwar auch nicht fremd, aber sie vermag es nicht anders zu rcalisiren, als daß eines ihrer verschiedenen Systeme nach Ueberwindung aller übrigen die Alleinherrschaft erlangt. Dagegen liegt es in der Natur der Kirche, daß auch sie für die Reinheit der Lehre wacht; aber für sie ist die Reinheit der Lehre gewahrt, sobald die grundwesentlichen Heilswahrheiten, welche sie zu praktischer Aneignung an die Herzen zu bringen hat, in ihrer Integrität und in ungeschwächter Geltung in der Form bleiben, in welcher dieselben allein Eigenthum aller Kirchenglieder zu werden vermögen.“

Das ist freilich alles auf die lutherische Kirche gemünzt, aber es ist so allgemein gehalten, daß wir es nicht anzufechten brauchen.

"

Gehen wir also gleich über zu der Anwendung auf die reformirte Kirche, welche Hundeshagen macht. Er gibt zu, daß man auch reformirter Seits nicht immer eine glückliche Anwendung von dem Begriff „der reinen Lehre“ gemacht hat, „aber doch nur vorübergehend und nur in einzelnen Ländern kam es zu einer ungebührlichen Verengerung des Allgemeinheitsbodens und nur ausnahmsweise kam der reformirten Kirche die sittlich-praktische Zweckbestimmung aus den Augen." Dann zieht Hundeshagen eine Thatsache an's Licht, welche deutlicher als jede andere für den richtigen kirchlichen Takt der Reformirten Zeugniß ablegen soll. Es ist die, daß, obwohl durch das geistige Uebergewicht Calvin's sich das Dogma von der Prädestination zu solcher Bedeutung erhoben hatte, daß es seitdem in allen gelehrten Bearbeitungen der reformirten Kirche festgehalten wurde, gleichwohl dieses Dogma nicht nur den kirchlichen Büchern und der kirchlichen Frömmigkeit der ganzen deutsch-reformirten Kirche fremd blieb, sondern der Heidelberger Katechismus, obschon er über dieses Dogma schweigt, gleichwohl in der ganzen reformirten oixovμévy sein unbestrittenes symbolisches Ansehen erlangt und behauptet hat. „Gewiß“, ruft Hundeshagen aus, „ein leuchtendes Beispiel für die weise Auseinanderhaltung deffen, was der Kirche und was der Schule angehört, durch welche die reformirte Kirche sich gegen die spaltenden Wirkungen des Schulgeistes sicher zu stellen wußte.“

Daran reihen sich Zeugnisse für den Geist der Mäßigung, durch welchen sich die reformirte Kirche von jeher ausgezeichnet haben soll. Zu der Zeit, als Luther schon poltert und gegen Zwingli herausfährt: „er oder ich müssen des Teufels sein“ antwortet Zwingli dem Bugenhagen mit hohem sittlichen Ernst und verweist ihm seinen gehässigen Ton. Später folgen die Schweizer bereitwillig, Zwingli sogar wider Willen seiner Obrigkeit, der Einladung nach Marburg und da ge= winnt Zwingli's ruhiges, besonnenes und zugleich warmes und freundliches Wesen in einem Artikel nach dem anderen N. F. Bd. L.

[ocr errors]

3

34 Dr. K. B. Hundeshagen, Beiträge zur Kirchenver

den Sieg über Luther's Voreingenommenheit. Tod beginnen dann die Nachlebenden ihren & bolisch zu firiren, aber die entgegenstehende V nicht als Grundstürzender und Seelengefähr Sie sind auch nicht trozig gegen Verbesserung wie sie denn später von Calvin sich weisen I lassen sich zu jedem Versuch der Einigung und lung brüderlicher Gemeinschaft willig herbei, b die Brücke für immer abbricht. ,,Die Reform lichen Europa constituiren sich seit der zwei sechzehnten Jahrhunderts in von der lutherisc Sonderkirchen und stellen Bekenntnißschriften meisten der einzelnen Landeskirchen sind nicht lehrten Zuthaten ziemlich frei, halten sich fern v mäßigen Form, gehen überhaupt nur in ein mungen hinaus über die Repetition des biblisch sondern einige derselben durften sogar dem, wa sus pastorum Genevensium und die Schultheo indirekt und sogar direkt sich entgegenseßen. D Kirchen ließen hiemit bei ihrem Aufbau an der bi lage der Apostel und Propheten" sich genügen." polemischen Zuthaten gegen die lutherische Schw diese reformirten Kirchenbücher überaus arm." reformirte Streittheologie hat neuerdings von Seite das Zeugniß empfangen, daß sie die ung feit der lutherischen nie erreicht hat."— „Man k den Contrast beider Confessionen in Absicht auf d heitsprädikat nicht leicht summarischer vor Augen wenn man sich erinnert, daß das ökumenische Reformirten ein Volkskatechismus, also im höchst Kirchensymbol ist, dagegen jener Einheitsdrang de Lutherthums nicht eher zur Ruhe kommt, als his heit der Lehre entgegen einer in's Maaslose gesteige von vermeintlich Grundstürzenden und Seelenverde thümern in einem Werk von solcher Breite un

« ZurückWeiter »