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fang bedarf dasselbe einer solchen Verwirklichung als Bedingung und Grundlage sowohl ferneren Bestandes, als gedeihlicher Fortentwicklung zum ächten Kirchencharakter?”

Wir können nicht weiter gehen, ohne uns erst mit dieser Behauptung auseinandergesezt zu haben.

Kenut, müssen wir fragen, Hundeshagen keine Kirche, welche die eine, allgemeine und heilige wäre? Er wird, wie es uns scheint, antworten, nein, ich kenne keine solche Kirche, ich kenne nur Kirchen, deren Ideal es ist oder doch sein soll, die cine, allgemeine und heilige zu werden, denn er spricht ja von einer „idealen Kirche", deren constitutive Merkmale die der Einheit, Allgemeinheit und Heiligkeit seien. Wie steht aber denn Hundeshagen zu dem Sag des apostolischen Symbols: ich glaube eine heilige, christliche Kirche, die Gemeinde der Heiligen? Ist das auch sein credo? Das apostolische Symbol bekennt sich damit zu dem Glauben an eine in der Wirklichkeit existirende eine, allgemeine, heilige Kirche. Dieses credo fann Hundeshagen dem apostolischen Symbol nicht nachsprechen, er glaubt nur an eine Kirche, welche dem Ideal einer solchen nachstrebt, oder genauer gesagt, er glaubt das nicht, er weiß eine solche, er kann sie aufzeigen. Ach, wird er erwiedern, dieses credo gilt ja von der unsichtbaren Kirche. Freilich gilt es von ihr, aber von dieser unsichtbaren Kirche glaubt man, daß sie eine in der Wirklichkeit existirende sei, d. h. man glaubt, daß eine einige, allgemeine, heilige Kirche wirklich eristirt, wenn wir auch gleich nicht mit Fingern auf die hinweisen können, welche ihr angehören, und nichts ist falscher, als die Behauptung Hundeshagens, daß in der lutherischen Kirche die Kirche nicht als eine Sache der Wirklichkeit, sondern als ein Artikel des credo behandelt wurde. Aber Hundeshagen, glaubt er in dem gleichen Sinne an eine einige, allgemeine, heilige Kirche?

Er bezeichnet es als einen Fehler, den man von einer gewissen Zeit an begangen hat, daß man die Lehre von der Kirche lediglich dogmatisch behandelt und von der sichtbaren

Kirche und ihren Prädikaten gänzlich abgesehen hat und er weiß auch zu sagen, wie man dazu gekommen ist. Von den drei großen Kirchenkörpern des Abendlandes hat jeder vornemlich nur eines dieser drei Prädikate zu verwirklichen gesucht und hat dann den Mangel der anderen durch eine künst liche Ausdeutung desselben zu verdecken gesucht. Die katholische Kirche gerieth im Streit mit den Donatisten sehr in's Gedränge mit dem Prädikat der Heiligkeit. Sie urgirte daher um so stärker die Katholicität und deutete das Heiligkeitsprädikat auf die Heiligungsmittel der Sacramente, die der Kirche anvertraut sind. Die lutherische Kirche, auf Deutschland und Skandinavien beschränkt, wie hätte sie sich catholica nennen können? Deßhalb definirt sie catholica vom Besiß der reinen Lehre. Von theologischen Streitigkeiten zerrissen, wie konnte sie auf das una Anspruch erheben? Deßhalb deutet sie dieß Prädikat auf das Befaßtsein unter Ein Haupt, Christum.“

Es war alse eigentlich das böse Gewissen, das den Prädikaten der Kirche eine solche Deutung gab, denn „daß das deutsche Kirchenwesen in seiner empirischen Gestalt weder das Prädikat una noch catholica, noch sancta verdiene, das konnte man sich nicht verbergen; man mußte sich mit Beschämung den Abstand der wirklichen Kirche von der Idee der Kirche gestehen. So war nichts bequemer, als mit dem ganzen locus de ecclesia auch jene Prädikate in die Dogmatik hineinzu schieben.“ Das sieht ja fast so aus, als wenn Hundeshagen die Dogmatik als den Ort betrachte, an dem man eine Sache, mit der nichts weiter anzufangen ist, bestens conservire.

So verhält es sich aber nicht. Unsere Reformatoren wußten mit der Kirche, die da ist die einige, allgemeine und heilige gar wohl etwas anzufangen, mit gutem Bedacht aber haben sie diese Prädikate von der unsichtbaren und nicht von der sichtbaren Kirche ausgesagt. Wir müssen ihnen das Dank wissen. Man wird zwar auch bei der dogmatischen Ausbildung, welche der locus von der Kirche in der alten lutherischen Dogmatik erfahren hat, nicht stehen bleiben können, aber

ste enthält einen Kern der Wahrheit, der von größtem Werth ist.

Das ist leicht zu zeigen: denn unterlassen wir einmal diese Unterscheidung, so ist das Erste, was daraus folgt, daß es in Wirklichkeit keine einige, allgemeine und heilige Kirche gibt, daß also nicht in Erfüllung gegangen ist, was der Herr verheißen hat und daß dem Bekenntniß des apostolischen Symbols der Sinn gegeben werden muß: ich glaube, daß die Kirche Jesu Christi mehr und mehr ihrer Idee entsprechen wird: denn Hundeshagen geht ja in seinen Hoffnungen und Forderungen an die Kirche nicht weiter, als dahin, daß sie sich jenen für die ideale Kirche constitutiven Merkmalen der Einheit, Allgemeinheit und Heiligkeit annähere. Das Andere, was daraus folgt, ist, daß man mit der Frage, welches die wahre Kirche sei, arg ins Gedränge kommt. Der Kirche wird Hundeshagen den Vorzug geben, welche sich am meisten jenen Merkmalen annähert. Ist sie die wahre Kirche? Was wird dann von den anderen Kirchen zu sagen sein? Ist die reformirte Kirche die eine, allgemeine und heilige, so ist sie eben allein die wahre Kirche, denn es kann doch nicht zwei oder gar drei eine, allgemeine und heilige Kirchen geben.

Ich sollte denken, diese Erwägungen brächten den Begriff der unsichtbaren Kirche, dem Hundeshagen gleich den meisten Reformirten der Gegenwart keine rechte Bedeutung abgewinnen kann, zu Ehren, denn es bleibt für immer wahr, was Höfling (Grundsäge evangelisch-lutherischer Kirchenverfassung. 3. Aufl. p. 7) sagt: „die Unterscheidung zwischen sichtbarer und unsichtbarer Kirche ist ein unentbehrlicher Bestandtheil des protestantischen Lehrbegriffs, eine nothwendige und unausweichliche Konsequenz des evangelischen Princips des Protestantismus. Man muß zu ihr sich bekennen, man muß sie festhalten, wenn man die Kirche nicht,,sicut alias politias" zu einer societas externarum rerum et rituum" herabwürdigen, wenn man die Ungläubigen von ihrer wahrhaften und wirklichen Mitgliedschaft aus-, und dagegen alle wirklichen

Gläubigen in ihre Gemeinschaft einschließen, wenn man troß der Verschiedenheit und relativen Verderbtheit der kirchlichen Gemeinwesen an das immerwährende und ununterbrochene Vorhandensein Einer heiligen, allgemeinen und apostolischen Kirche glauben, wenn man die Zugehörigkeit zu Christo nicht in unevangelischer Weise, statt vom Glauben, von deren Aeußerlichem abhängig machen will."

Dieser Begriff der unsichtbaren Kirche ist zwar auch den Reformirten nicht fremd und auch Hundeshagen läßt sich denselben gefallen, aber er läßt ihn eben stehen und gibt ihm nicht die richtige Anwendung. Er geht ihm wie seinen refor mirten Vorvätern im Drang nach dem Ausbau eines sichtbaren Kirchenthums verloren. Und weil er nur das im Auge hat, wird es für ihn unvermeidlich, die Prädikate, welche der Kirche eignen, für das Kirchenthum in Anspruch zu nehmen, verfällt er aber eben damit allen den angegebenen Verlegenheiten.

In Wahrheit eignen diese Prädikate im vollen Umfang nur der ecclesia invisibilis oder wie Harleß (cf. Ethit 6. Aufl. p. 565) sich ausdrückt: „der diesseitigen Reichsgemeinschaft als Kirche, welche nach ihrem Wesen und Bestand als Geistes- und Glaubensgemeinschaft unsichtbar ist“ und „wenn diese auch sichtbar ist nach den Gottgestifteten Mitteln, durch welche sie ist und an welchen sie ihr Dasein bethätigt“, so geht doch das äußere Dasein, die empirische Gestaltung der Kirche nicht auf in dem, was sie durch innere Wesensnothwendigkeit ist und ist darum Kirche und Kirchenthum zu unterscheiden, und kann das leztere seiner Natur nach nicht darauf ange wiesen sein, die Prädikate, welche der Kirche eignen, im vollen Umfang in sich auszuprägen, weil es ja der Kirchenthümer mehrere gibt und dann entweder die eine, allgemeine und heilige Kirche in einer Mehrzahl von Kirchenthümern zur Erscheinung käme, was ein Widerspruch in sich selbst ist oder nur Einem Kirchenthum diese Prädikate eigneten und den anderen das Prädikat der Kirche selbst abgesprochen werden müßte.

Die empirische Kirche kann also der Natur der Sache nach nie von sich sagen, sie sei die eine, allgemeine, heilige, und nur das kann man von ihr fordern, daß sie die Mittel darreiche, welche in den Stand seßen, der einen 2c. Kirche anzugehören und von den empirischen Kirchen wird dann diejenige den Vorzug verdienen, welche am reichsten und reinsten diese Mittel darbietet. Das ist ohngefähr das, was die alten Dogmatiker so ausdrückten: von der ecclesia visibilis gelte nur synecdochice, daß sie sei die una, catholica 2c. (Schmid Dogmatik der ev.-luth. Kirche 5. Aufl. p. 492). Verhält es sich aber so, so scheint es uns nicht schwer zu sein, den Sinn aufzufinden, in welchem diese drei Prädikate auf die sichtbare Kirche ihre Anwendung hätten und sehe ich nicht ein, warum Hundeshagen sagt, wir seien von Autoritäten verlassen und auf uns selber angewiesen, denn über den Sinn der drei Prädikate, welche der Kirche zukommen, hat man sich doch genug= sam ausgesprochen.

Damit wäre denn der Sinn bezeichnet, in welchem wir uns den Sah Hundeshagens aneignen können, daß von den faktischen Gemeinschaftsverbänden keiner auf den Namen einer Kirche Anspruch erheben dürfe, der nicht etwas der Kirche, die zur Zeit noch Gegenstand des Glaubens ist, Verwandtes in sich trägt.

Was dann den Sinn anlangt, welcher den Prädikaten der Kirche in ihrer Beziehung auf die empirische Kirche zu geben ist, so wollen wir von der Deutung des Begriffs der Allgemeinheit und Einheit noch absehen und gleich die Deutung des Begriffs der Heiligkeit ins Auge fassen.

Hundeshagen befindet sich da offenbar als Reformirter in Verlegenheit. Als solcher will er die von den Reformirten stets festgehaltene Forderung der personellen Heiligkeit nicht aufgeben, ist aber doch gar nicht gewillt, der Kirchenzucht, welche den Reformirten zur Aufrechterhaltung dieses Prädifats immer nothwendig schien, das Wort zu reden, denn als Geschichtskundiger weiß er zu gut, welchen Verlauf es in der

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