Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

selben nicht dazu benüßt werden sollen, „das Wochenpensum aus der Schule zu wiederholen," sondern daß der „in der Woche vollendete Unterricht kurz wiederholt und auf Hauptsäße zurückgeführt" werden soll; als ob die confirmirte Jugend noch einen wöchentlichen Unterrichte erhielte und ein Wochenpensum durchzumachen hätte! Freilich hängt das wieder mit einer andern, dem Character der Christenlehren für die confirmirte Jugend widersprechenden Anordnung S. 6 zusammen, nach welcher auch die Kinder vom 11.-13. Lebensjahre zu den Christenlehren beigezogen werden sollen. Was soll bei einem solchen Mischmasch herauskommen? Für welches Alter soll der Unterricht eingerichtet werden?

Hiernach hat sich denn auch die Praxis gebildet, daß hie und da nicht blos die Präparanden und Confirmanden, sondern auch noch Kinder unter dem 11. Jahre zur Christenlehre beigezogen worden. Es läßt sich denken, wie da die Christenlehren abgehalten werden; sie sind mit einem Wort wieder Schulunterricht oder nach §. 13 (s. oben) ein Repetitorium des Schulunterrichts. Schon wieder vergessen!" das ist daher der gewöhnliche Refrain bei ausbleibender Antwort. Vergessen! als ob es sich im Confirmandenunterricht lediglich um ein gelerntes Wissen gehandelt hätte, und jezt nur um das im Gedächtnißbehalten des Gelernten handelte! Und wenn dann nun die Antwort aus dem Gedächtniß der 16 und 17 jährigen Schüler und Schülerinnen ausbleibt, so werden die 13jährigen oder noch jüngeren aufgefordert, Antwort zu geben zur Beschämung der älteren, und zugleich zur Beschämung der etwa anwesenden Eltern derselben. Und da erwar tet man noch, daß ältere Personen, daß die erwachsenen Glieder der Gemeinde in die Christenlehre hineingehen sollen! Ist es doch ganz natürlich, daß je mehr die Christenlehre zum Schulunterricht herabgezogen wird, und je mehr sie sich ihrer Bestimmung, in das Stadium der erwachsenen Christen, der der Christenlehre entwachsenen Glieder der Christenge= meinde überzuleiten, entzieht, sich die Entwachsenen ihr ent

[ocr errors]

ziehen! Gibt es doch in der That nichts Kahleres, nichts Langweiligeres und Geisttödtenderes als so eine Christenlehre, die innerlich und äußerlich des kirchlichen Characters so baar geworden, daß nicht selten Schelten und Zanken, wenn nicht gar handgreifliche Zurechtweisung das einzig Lebendige daran ist!

Wir gestehen hiermit nur die gewöhnliche Art und Weise der Abhaltung der Christenlehren gezeichnet zu haben, wie sie den gegebenen Bestimmungen gemäß sich von selbst ergibt. Es wird auch anders gehalten. Namentlich in lezter Zeit, wo der Jammer solchen Wesens mehr und mehr in die Augen trat und erkannt wurde, hat eine namhafte Zahl Geistlicher die Christenlehren ihrem eigentlichen Zweck und Character wieder zugeführt, und wo dies geschehen, da hat sich denn auch meistentheils die Gemeinde wieder gesammelt, und werden die Christenlehren mit Freuden auch von den Erwachsenen wieder besucht. Der Mehrzahl nach glauben wir aber nicht, daß die obige Zeichnung eine falsche wird genannt werden können.

Doch man wird uns einen andern Mißstand entgegenhalten, nämlich den Mangel eines entsprechenden Lehrbuchs, die sogenannte Katechismusnoth! Wir werden vielleicht - später einmal auf diesen Gegenstand, obschon er auch in dieser Zeitschrift vielseitig besprochen und beleuchtet worden ist, zurückkommen, zumal da er ohne Zweifel bei der diesjährigen Generalfynode wieder zur Sprache kommen wird. Zunächst wollten wir blos darzuthun versuchen, daß bei den Verhältnissen und Einrichtungen, wie sie dermalen bestehen, ein gedeihlicher für das Leben einflußreicher und nachhaltiger Religionsunterricht nicht erzielt werden kann, und daß hierin eine durchgreifende Reform in hohem Grade an der Zeit ist.

Dr. K. B. Hundeshagen, Beiträge zur Kirchenverfassungsgeschichte und Kirchenpolitik, insbesondere des Protestan= tismus. I. Bd. 1865.

II.

Was ist für die Lutheraner das Resultat der ganzen Untersuchung Hundeshagens? Das, daß die lutherische Kirche keine wirkliche Kirche ist, denn sie hat es zu keiner Organisation der Gesellschaft gebracht, vermittelst deren diese die ihr eigenthümlichen Thätigkeiten durch selbstständige Funktionäre ausübt." Daß sie es aber nicht dazu gebracht hat, liegt in einer fehlerhaften Richtung, welche die lutherische Kirche früh schon eingeschlagen hat. Die falsche Richtung beginnt schon mit der Aufstellung der lutherischen Sacramentslehre und seht sich fort in der einseitigen Betonung der „reinen Lehre“. Darüber ist alles andere vergessen worden und dadurch geschah es, daß man in den lutherischen Kreisen sich die Bildung einer wirklichen Kirche nicht einmal als Ziel steckte.

Hätte H. gesagt, die lutherische Kirche habe sich in der Organisation ihres Gemeinwesens oder auch schon in dem Streben nach einer solchen viele Versäumnisse zu Schulden. kommen lassen, so hätte er nur gesagt, was wir Lutheraner uns selbst sagen und wir könnten es wohl vertragen, wenn er auch mit grellen Farben uns diese Versäumnisse vorrückte. Aber er sagt gar viel mehr. „Man hat es in den lutherischen Kreisen etwa zu einer Predigt- und Cultusanstalt gebracht, aber zu feiner wirklichen Kirche als organisirter Vergesellschaftung der Gläubigen und Heiligen unter ihrem unsichtbaren Oberhaupt." Wir könnten erwiedern: so ganz an Organisation fehle es der lutherischen Kirche doch auch nicht. Die einzelnen Glieder sind doch zusammengefaßt in Gemeinden und die Gemeinden haben doch auch ihren Verband unter einander, wenigstens innerhalb eines bestimmten Landes, und weiter haben es die Reformirten auch nicht gebracht, auch sie sind in N. F. Bd. L.

2

18 Dr. K. B. Hundeshagen, Beiträge zur Kirchenverfa

Landeskirchen gesammelt. Die lutherische Kir doch auch ihr Predigtamt, durch welches der und Sacrament zugeführt werden. Und wir hö deshagen nicht, wie wohl von manchen andero zu fürchten, daß er uns entgegne: aber Ihr Σ chenzucht; denn auf sie legt er in charakteristisch) Gewicht. Aber er erwiedert uns: Eure Gesell so organisirt, daß sie ihre Thätigkeiten durch Funktionäre ausüben kann. Denkt nur an episkopat, dieses monstrum! Und wollten wi schüchterne Einwendung machen, daß auch lange formirten Landeskirchen es zu einer solchen Or bracht haben, so würden wir abgefertigt durch merkung: die ganze Geschichte der reformirten doch, daß ihr Streben auf eine solche Organisirung sie ist sich also doch des rechten Zieles bewußt, in einzelnen Landeskirchen erreicht und hat nicht geprägt, was der Erreichung des Ziels im Weg was im Wege steht, das sind äußere Gewalten, wältigung ihr die Mittel fehlen.

Von allem dem soll nach Hundeshagen die Entwicklung der reformirten Kirche Zeugniß abl in Zwingli, weist er nach, war ein stärkerer Tr lich neuer Kirchenbildung als in Luther, ja in L gar nicht vorhanden. Und, was noch mehr sag religiöse Grundeigenthümlichkeit, durch welche si mirte Kirche von der lutherischen unterscheidet Grund in dem Streben nach dem Ausbau ein Kirche.

Stellten wir uns die Aufgabe, das vorliegen allen Seiten einer Kritik zu unterwerfen, so mü der zulezt ausgesprochenen Behauptung den An und dann vor allem hervorheben, daß uns Zwing ehrt scheint durch die Behauptung, er habe Lut mahlslehre darum verworfen, weil sie ihm als ein

Dr. K. B. Hundeshagen, Beiträge zur Kirchenverfassungsgeschichte sc. 19

den Papismus erschien. Wir wollen dem Schweizer Reformator zutrauen, daß er Luther's Abendmahlslehre verwarf, weil er sie nicht in der Schrift begründet fand, und daß er, wenn er es anders befunden hätte, sich ihr unterworfen hätte, ohne vor der Gefahr des Rückfalls in Papismus zurückzuschrecken. Doch wir halten uns bei diesem Punkt nicht auf und gehen weiter.

Hundeshagen präcisirt die Forderungen, welche an die empirische Kirche ergehen und zeigt dann, wie die beiden Confessionen sich zu diesen Forderungen verhalten sollen. Natürlich findet er das Verhalten der reformirten Kirche korrekter. Wenden wir diesem Punkt unsere Aufmerksamkeit zu!

Er macht geltend, (wir wissen es nicht zu vermeiden, das im I. Artikel schon Mitgetheilte zu wiederholen) „von den aus der Wurzel des Christenthums hervorgewachsenen faktischen Gemeinschaftsverbänden dürfe keiner auf den Namen einer Kirche Anspruch erheben, der nicht etwas der Kirche, die zur Zeit noch Gegenstand des Glaubens ist, Verwandtes in sich trägt; dieses Verwandte kann aber nur nachgewiesen werden in der Annäherung an jene für die ideale Kirche constitutiven Merkmale der Einheit, Allgemeinheit und Heiligkeit. Diese Eigenschaften müssen sich, wenn auch in vielleicht sehr geringerem, doch in irgend einem Grad als wirkliche Beschaffenheiten, als unablässig nach Geltung ringende Gesetze für das empirische Gemeinschaftsleben der Christenheit nachweisen lassen, und in der Entwicklung derselben muß das Band bestchen, das beide, die sichtbare und die unsichtbare, zur relativen Identität mit einander verknüpft. Das, was hier Lebensgefeß ist, dasselbe muß es auch dort sein.“

Es entsteht also die Frage, welche Bedeutung gewinnen die in abstrakter Idealität leicht bestimmbaren Prädikate der Einheit, Allgemeinheit und Heiligkeit in ihrer Anwendung auf das erfahrungsmäßige Kirchenthum? in welchem Grað und Umfang lassen sie sich im Bereich desselben unter allen Umständen verwirklichen, und zugleich, in welchem Grad und Um

2 *

« ZurückWeiter »