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nen wehe thun, dem nicht freithätig nachkommen zu können, um so mehr, wenn sie sehen, daß es auch von den Geistlichen nicht geschieht.

Fürchtet man vielleicht, daß sie „von der Kirche abweichende Ansichten und Vermuthungen als religiöse Wahrheiten verbreiten, oder Zweifel erregen und das Ansehen des göttlichen Worts schmälern" werden?*).

Allein abgesehen davon, daß, wenn sie das wollen, ihnen außerdem Gelegenheit genug gegeben ist, so ist ihnen hiegegen grade in der Ertheilung des Religionsunterrichts selber das beste Präservativ und Correctiv gegeben. Sie haben ja den Katechismus so gut in den Händen, wie die Geistlichen, sie sind verpflichtet, wie die Geistlichen, (s. Verordg, v. 23. Dez. 1847 u. 21. Mai 1852), fie stehen in näherer Beziehung zu den Kindern als die Geistlichen: woher also dieses Mißtrauen? Vor dreißig, vierzig Jahren mag solches Mißtrauen gerechtfertigt gewesen sein. Heutzutage nicht; und wenn man es vielleicht gerade in diesem Augenblick wieder mehr oder weniger gerechtfertigt finden möchte, so dürfte wahrlich die Art und Weise, wie sie dem Religionsunterricht gegenüber gestellt wurden, den geringsten Antheil der Schuld nicht haben.

Gehen wir nun speziell zu dem Confirmandenunterricht über. Seinem Wesen nach soll er, die nothwendigen Kenntnisse vorausgeseßt, festere Begründung in den Heilswahrheiten, lebendiges Erfaffen derselben mit steter Anwendung auf das Leben sein, wobei zugleich der kirchliche Character hervortreten und auf die confessionellen Unterschiede näher eingegangen werden soll. §. 6. Dieß ist der Augenblick, wo die Herzen der Kinder für die christlichen Heilswahrheiten erwärmt und begeistert werden, wo die Hoheit und Herrlichkeit des Christenglaubens und der Christenhoffnung ihnen nahe gebracht, wo der heilige Ernst, die Seligkeit zu schaffen mit

*) Das ist es nämlich, was in dem erwähnten §. 9 ausdrücklich verpönt ist.

Der Religionsunterricht in Kirchen. Schule bei den Protestanten in Bayern. 11

Furcht und Zittern ihnen eingepflanzt, die ganze Bedeutung der Kindschaft Gottes in Christo Jesu ihnen erschlossen und der Vorsatz eines heiligen Lebens und unsträflichen Wandels in ihnen angeregt, belebt, und gestärkt werden soll, um mit Freudigkeit und Glaubensgewißheit den Gnadenbund mit Gott zu erneuern und im erstmaligen Genuß des Abendmahls die Verbindung mit Christo als Vermählung ihrer Seelen mit dem himmlischen Bräutigam in feierlichster Weise zu begehen.

Sehen wir aber hierauf die jeßige Einrichtung des Confirmandenunterrichts an, so scheint sie nachgerade dazu angethan, dieses Ziel unmöglich zu machen. Einmal dadurch, daß eben die nöthigen Vorbedingungen nicht gegeben sind, daß die Kinder nicht mit der Vorbereitung eintreten, die die Unterlage bilden soll, daß mithin der Confirmandenunterricht in der That nichts anderes ist, als der Schulunterricht, wie oben gezeigt. Man verweise uns nicht etwa auf die früheren Zeiten, wie es denn da möglich gewesen, im Confirmandenunterricht das zu erzielen, was jezt nicht erreicht werden kann, zu einer Zeit, wo die Geistlichen gar keinen Unterricht in der Schule gaben. Daß es möglich war, hat die Erfahrung bewiesen. Vielleicht mit weniger Wissen, aber mit mehr Religion traten die Kinder in den Confirmandenunterricht, und der Erfolg war ein bleibender. Wie das möglich war? Sehr einfach. Es ist wahr, der Geistliche gab keinen Religionsunterricht in der Schule, aber der Lehrer war und betrachtete sich selbst zuerst und vor Allem als Religionslehrer. Der Religionsunterricht war vorherrschender Gegenstand, Religion das leitende Prinzip der Schule überhaupt. Bei der Einfachheit des Unterrichts Lesen, Rechnen, Schreiben -war das auch ohne alle Schwierigkeit. Der Lehrer sah es selbst für seine Aufgabe an, die Kinder für den Confirmandenunterricht vorzubereiten, und es war sein Stolz, hier das Seine gethan zu haben. Der Confirmandenuterricht war dann eine höhere Stufe in die die Kinder eintraten, war die höhere Weihe des bisherigen Unterrichts, und die Kinder fühlten sich selbst eine Stufe höher gehoben. Der

Confirmandenunterricht war dann aber auch ein concentrirterer. In 6 Wochen war er vollendet, aber in den 6 Wochen war der Unterricht Lebensaufgabe für die Kinder. Sie lebten und webten darin. Alle Tage hatten sie Unterricht und zwar nicht selten mehr als eine Stunde, der Schul unterricht trat zurück, die Kinder waren und fühlten sich vorzugsweise, ja lediglich als Confirmanden; es war eine heilige Zeit für sie und für die Eltern und für die Kirche. Jetzt ist der Unterschied zwischen Schulunterricht und Confirmandenunterricht verschwunden, dieser läuft neben jenem her, ist ein Ding mit ihm, die Lehrer haben den Beruf nicht mehr, auf leßteren vorzubereiten, die Confirmandenzeit hat ihren höheren Charakter verloren, der besondere Eindruck desselben ist auf Null herabgesunken für die Kinder, für die Eltern und dazuzuseßen

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für die Kirche.

wagen wir

Dazu trägt noch manches Andere bei, wenn wir mehr in's Einzelne gehen. Daß Präparanden und Confirmanden zusammenunterrichtet werden, haben wir bereits oben als Uebelstand erkannt. Präparanden sind einmal noch keine Confirmanden, und Confirmanden sind keine Präparanten mehr; für wen ist also der Unterricht? Nach einer Verordnung vom J. 1839 scheint zwar der Präparandenunterricht aufgehoben; allein 1856 wurde diese Verordnung zurückgenommen. Die Dauer des Unterrichts ist auf 60 Stunden festgesezt, welche entweder in wöchentlich 5 Stunden abgehalten werden können, oder auch in 3 Stunden. Im ersten Fall dauert der Confirmandenunterricht ein Vierteljahr, im lezten Fall fast ein halbes Jahr. Eigentlich aber sollen die Confirmanden bereits mit Anfang des Schuljahrs, also ein ganzes Jahr vorher im Monat Mai aufgenommen und das Sommerhalbjahr sind noch in wöchentlich einer Stunde zum Unterricht versammelt werden. (Verordn. v. 26. Juli 1839). Das heißt denn doch den Confirmandenunterricht so verschleppen, daß auch keine Spur eines Totaleindrucks übrig bleibt! -- Die Unterrichtsstunde selbst soll sich an den Vormittagsschulunterricht an

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schließen. Das ist an sich schon mißlich, da von den Kindern nach 3 Schulstunden kaum mehr die nöthige Spannkraft zu erwarten ist. Nun trifft aber der Confirmandenunterricht größtentheils auch noch in die Zeit, wo die Schulprüfungen bevorstehen. Wie da die Kinder abgeheßt werden mit Hausarbeiten und Repetitionen, ist bekannt. Da muß denn natürlich die Bedeutung des Confirmandenunterrichts ganz in den Hintergrund treten und verschwinden gegen die Angst und den Glanz der Schulprüfung! Einigermassen könnte da geholfen werden, wo die Confirmation nicht an dem geseßlichen Termin, am Palmsonntag oder Quasimodogeniti, sondern erst später, am Trinitatisfest gehalten wird, wo die Schulprüfung längst vorüber ist. Hier könnte der Geistliche wenigstens die lezten 5 oder 6 Wochen ungestört für seinen Unterricht haben. Allein da die Entlassung aus der Schule von der Confirmation abhängig ist, so müssen in diesem Fall die Kinder auch nach der Schulentlassungsprüfung noch die Schule besuchen bis zur Confirmation! Kurz, wo wir hinsehen, sind dem Confirmandenunterricht zu einem gedeihlichen, nachhaltigen Erfolg die Lebensadern unterbunden!

Nach der Verordnung von 1835 und 1836 §. 14 soll in der Regel jeder Religionsunterricht mit Gebet und Gesang begonnen und geschlossen werden und jedenfalls der Confirmandenunterricht von dem Geistlichen im Amtskleid und in der Kirche gehalten werden. Das Hauskleid ist nur in der Schule ausnahmsweise gestattet. Es soll hicdurch der kirchliche Charakter wenigstens einigermassen gewahrt werden. Man frage aber die Praxis, und man wird fast durchgehends finden, daß die Regel zur Ausnahme und die Ausnahme zur Regel ge= macht ist. Von einem Amtskleid im Schulunterricht wird wohl nirgends die Rede sein; von einem Confirmandenunterricht in der Kirche (zur Winterszeit) selten oder fast nirgends, womit auch hier das Amtskleid wegfällt und somit ist auch von dieser Seite Alles gethan, was den Unterschied verwischen und den Confirmandenunterricht als Schulunterricht

erscheinen lassen muß, wie er es denn der That nach auch wirklich ist *).

So treten die Kinder in die Christenlehre über. Wo möglich ist hier die Verwirrung noch größer. Der Unterrichtsplan für die Christenlehren ist nach §. 2 und F. 13 der viel erwähnten Verordnung von 1835 auf 3 Jahre festgesezt, in deren ersten 2 die Katechismuslehre vollendet werden und das dritte dazu verwendet werden soll, entweder die sonntäglichen Pericopen oder irgend ein biblisches Buch durchzunehmen. Das wäre also bis zum 16. Jahre absolvirt. Nun sollen aber die Kinder bis zum 18. Jahre zum Christenlehrbesuch verpflichtet sein; was soll in den zwei lezten Jahren Unterrichtsgegenstand sein? Sollen die 16 und 17 Jährigen mit den 13 und 14 Jährigen wieder von vorn mit dem Katechismus anfangen? An Stoff zwar wird es den Geistlichen nicht fehlen, er nimmt etwa biblische Geschichte durch. Dann aber kann der Lehrplan für die Kinder der 2 ersten Jahre nicht eingehalten werden! Indeß ist der Geistliche in den meisten Gemeinden dieser Verlegenheit dadurch überhoben, daß die 16 und 17 jährigen Kinder seit Herabsehung der Sonntagsschulzeit nicht mehr in die Christenlehre kommen! Auffal lend bleibt aber diese Incongruenz der Vorschriften mit der Wirklichkeit immer **).

Wie unklar man sich über die Christenlehren für die confirmirte Jugend überhaupt war, geht auch daraus hervor, daß in S. 13 auch die Bestimmung aufgenommen ist, daß die

*) Kommt es doch vor, daß selbst die sønntäglichen Christenlehren in der Schule und im Hauskleid gehalten werden!

**) Ihre Erklärung findet diese Incongruenz darin, daß bis zum Jahr 1838, wo die Sonntagsschulen bis zum 18. Jahre organisirt wurden, die Verordnung vom 30. März 1827 bestand, wornach der Besuch der Sonntagschristenlehren „nicht weiter als bis zum abge: laufenen 16. Lebensjahre" gefordert werden durfte.

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